Tatort Wer zögert ist tot
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Tatort: Wer zögert, ist tot

Inhalt / Kritik

Tatort Wer zögert ist tot
„Tatort: Wer zögert, ist tot“ // Deutschland-Start: 29. August 2021 (Das Erste)

Als Bille Kerbel (Britta Hammelstein) im Kommissariat von Frankfurt auftaucht, hat sie ein blutiges Mitbringsel dabei: einen abgeschnitten Finger. Der soll ihrem Exfreund Frederick Seibold (Helgi Schmid) gehören, der zuvor entführt wurde und für den nun ein hohes Lösegeld gefordert wird. Für die ermittelnden Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) ist Eile angesagt, denn wer weiß, wozu die Täter sonst noch in der Lage sind. Dabei ist Geld eigentlich kein Problem, zumindest nicht für den erfolgreichen Wirtschaftsanwalt Konrad Seibold (Bernhard Schütz), den Vater des Vermissten. Nur hat der gar nicht vor, die Summe zu bezahlen. Im Gegenteil: Er vermutet, dass Frederik selbst hinter der Entführung steht. Während die Polizei die Suche nach Hinweisen aufnimmt, führt sie eine Spur zu Conny Kaiserling (Christina Große), die ein Studio für Frauenselbstverteidigungskurse betreibt …

Die (Nicht-)Suche nach den Tätern

Die Sommerpause ist vorbei. Mit Tatort: Wer zögert, ist tot meldet sich auch die beliebteste Krimireihe Deutschlands weder zurück. Wer jedoch dabei auf einen klassischen Krimi hofft, sieht sich bald getäuscht. Hier geht es eben nicht darum, einen Mordfall aufzuklären und unter zahlreichen Verdächtigen, den oder die richtigen auszusuchen. Das liegt zum einen daran, dass wir es hier mit einem Entführungsfall zu tun haben, was fast immer stärker in einem Thriller mündet. Schließlich gilt es, unter Zeitdruck das Entführungsopfer zu befreien, bevor es zu spät ist – anders als beim eher gemütlich angelegten Krimi. Außerdem erfährt das Publikum relativ früh, wer hinter der Entführung steckt. Während die Polizei da noch im Dunkeln tappt, dürfen Zuschauer und Zuschauerinnen zusehen, wie es hinter den Kulissen weitergeht.

Aber auch Thriller wäre keine ganz richtige Bezeichnung. Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Lüschow (Petting statt Pershing) zieht hier eindeutig das Groteske vor. So setzt sich in Tatort: Wer zögert, ist tot das Entführerteam aus eher wenig erfahrenen Möchtegernkriminellen zusammen, die zwar durchaus einen Plan haben, mit der Umsetzung aber ein wenig überfordert sind. Das wiederum ist nicht zuletzt auch dem Opfer geschuldet, das nicht vorhat, sich der Situation zu ergeben, sondern wieder Herr der Lage zu werden. Gleichzeitig ist die Empörung groß, dass der Herr Papa nicht daran denkt, Geld locker zu machen, um seinen Sohn zu befreien. Das bedeutet letztendlich für alle eine unangenehme Situation, bei der niemand so recht weiß, was zu tun gilt und wie man aus der verfahrenen Situation wieder herauskommt.

Chaos bis zum Schluss

Im Klartext heißt das, dass der 1171. Teil der ARD-Krimireihe Tatort die Ereignisse immer weiter eskalieren lässt. Während Janneke und Brix etwas unbeholfen durch die Gegend stolpern, wird drumherum viel gestritten. Praktisch jede Figur, die in dem Film auftaucht, ist irgendwie laut und auf Konfrontation ausgerichtet. Zu Beginn sehen wir beispielsweise, wie Konrad Seibold sich mit der Nachbarin fetzt, einfach weil er es kann. Mit dem Fall hat das dann zwar nichts zu tun, verstärkt aber den Eindruck, dass es in der Welt praktisch nur Bekloppte gibt. Als Zuschauer und Zuschauerin hat man hier ein bisschen die Qual der Wahl, welche der Figuren man als die schlimmste empfindet. Gerade bei dem eigentlichen Entführungsfall weiß man irgendwann nicht mehr, wen man davon noch anfeuern soll – oder ob überhaupt einer dafür in Frage kommt.

Streckenweise ist Tatort: Wer zögert, ist tot dabei schon recht unterhaltsam. Man orientierte sich hier offensichtlich eher an Reservoir Dogs und ähnlich gelagerten Filmen, wo der Fall an sich hinter die krakeelenden Figuren zurücktreten muss. Zu einem ähnlichen Klassiker wird der TV-Film natürlich nicht, das kann niemand ernsthaft erwarten. Dafür fehlt dann letztendlich doch die letzte Konsequenz bei allem, die Figuren bekommen auch nicht die Gelegenheit, sich genügend zu entwickeln. Immerhin: Zum Ende hin überschlagen sich die Dinge noch einmal so richtig und gipfeln in einem absurden und unerwarteten Finale. Das ist ganz nett und zeigt auf, wie böse das alles noch hätte werden dürfen. Aber auch so bleibt ein leicht schräger Einstieg in den Krimiherbst.

Credits

OT: „Tatort: Wer zögert, ist tot“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Petra Lüschow
Drehbuch: Petra Lüschow
Musik: Patrick Reising, Moritz Krämer, Francesco Wilking
Kamera: Jan Velten
Besetzung: Margarita Broich, Wolfram Koch, Christina Große, Britta Hammelstein, Helgi Schmid, Bernhard Schütz, Tala al Deen

Bilder

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„Tatort: Wer zögert, ist tot“ handelt zwar von einem Entführungsfall, ist aber kein wirklicher Thriller. Stattdessen eskalieren hier die Ereignisse zunehmend und münden in einem absolut chaotischen Finale. Das ist ganz amüsant, sofern man sich mit den vielen unsympathischen Figuren arrangieren kann, die keine Gelegenheit zur Konfrontation auslassen.
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