Tatort Der Herr des Waldes
© SR/Manuela Meyer

Tatort: Der Herr des Waldes

Inhalt / Kritik

Tatort Der Herr des Waldes
„Tatort: Der Herr des Waldes“ // Deutschland-Start: 5. April 2021 (Das Erste)

Eine Wunde im Bein, abgetrennte Finger und dann auch noch dieser Zweig im Mund: Die Leiche der ermordeten Schülerin Jessi stellt das Team um die Hauptkommissare Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer) vor ein Rätsel. Ihre Spurensuche führt sie zunächst ins schulische Umfeld, da gleich mehrere für die Verstorbene Gefühle hatten und im Wald gesehen worden sein sollen, wo die 18-Jährige ermordet wurde. Esther Baumann (Brigitte Urhausen) und Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) vermuten hingegen, dass dies die Tat eines Serienmörders gewesen sein muss. Zu allem Überfluss erwacht Schürks Vater Robert (Torsten Michaelis) nach 15 Jahren aus dem Koma – was die beiden Polizisten in ziemliche Schwierigkeiten bringt …

Das Grauen zum Fest

Ostern, das ist normalerweise die Zeit der Blumen, der Schokoeiersuche und der fröhlichen Familienbesuche. Und in Zukunft wohl auch die Zeit der grausamen Morde. Schon Das fleißige Lieschen, der erste Auftritt des saarländischen Tatort-Teams um Hölzer und Schürk, wurde am Ostermontag ausgestrahlt. Der zweite Film Der Herr des Waldes hat nun ebenfalls diesen besonderen Sendeplatz erhalten. Von österlicher Stimmung ist bei den Fällen jedoch nichts zu spüren, von familiärer Heimeligkeit schon mal gar nicht. Tatsächlich scheint das Kreativteam hinter diesem Team einen größtmöglichen Kontrast bilden zu wollen zwischen einem idyllischen zeitlichen Kontext vor den Fernsehern und einem in mehrfacher Hinsicht brutalen Geschehen in den Fernsehern.

Dabei ist es nicht allein der bizarre Ritualmord, wie man im deutschen Fernsehen nur selten zu Gesicht bekommt, der die Saarländer von den vielen Kollegen und Kolleginnen unterscheidet. Bemerkenswert ist auch, wie die Leute in der Geschichte miteinander umgehen. Durfte man in Das fleißige Lieschen noch glauben, dass das vielleicht kleine Anfangsschwierigkeiten bei der Teambildung sind, die sich bald geben, wird man bei Tatort: Der Herr des Waldes eines Besseren belehrt. Oder eines Schlechteren. Da wird dann schon mal der Kollegin unisono ein „Halt die Fresse“ vor den Latz geknallt. Privat ist ohnehin alles kaputt, was nur kaputt sein kann. Liebe und Zuneigung? Das scheint es im Saarland nicht zu geben. Vielmehr lautet die Devise: jeder gegen jeden. Die Brutalität beginnt in der Schule, setzt sich zu Hause fort. Hier haben Mord und Gewalt nichts Pragmatisches, sondern sind Ausdruck von Hass und Sadismus.

Abgründe in Serie

Interessant ist dabei, wie der 1162. Fall der ARD-Krimireihe diese finstere Ausrichtung das zu einem fortlaufenden Thema außerhalb des aktuellen Falles macht. Die Vorgeschichte um Adam Schürks Vater, der seinen Sohn misshandelt hat und von Leo Hölzer ins Koma geschlagen wurde, zieht sich nun bereits durch den zweiten Film. Das Ende von Tatort: Der Herr des Waldes weist zudem daraufhin, dass es auch beim nächsten Mal noch nicht ausgestanden sein wird. Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht spannend. Nicht nur, dass die Saarländer sich stärker als die anderen Teams zu einem seriellen Erzählen bekennen. Drehbuchautor Hendrik Hölzemann (Axel, der Held) unterstreicht mit diesem fortlaufenden Handlungsstrang auch seinen Willen zur moralischen Ambivalenz. Opfer und Täter liegen hier nah beieinander, man weiß vor lauter Abgründen irgendwann gar nicht mehr, wer denn hier noch unbedingt zu den Guten zählt.

Das war schon beim letzten Mal gut gespielt. Dieses Mal wird dem Wahnsinn dann endgültig Tür und Tor geöffnet. Torsten Michaelis (Angst in meinem Kopf) ist in dem Zusammenhang eine echte Bereicherung. Gerade die intensiv-aggressiven Auseinandersetzungen mit Daniel Sträßer (La Palma) dürfen schon mal durch Mark und Bein gehen. Am Ende sind es dann auch die vielen kaputten Figuren und die Verhältnisse zwischen Eiseskälte und rasender Wut, die Tatort: Der Herr des Waldes sehenswert machen. Der Kriminalfall an sich rückt wie schon beim letzten Mal eher in den Hintergrund. Wer letztendlich hinter dem Ganzen steckt, dürfte nur wenige überraschen. Zumindest als erfahrener Rätselfan ahnt man schnell die Lösung – wobei die noch einmal perfider ausfällt, als sich das die meisten ausgemalt haben dürften. Das ist dann alles schon over the top, mit Alltagskriminalität hat das hier nichts zu tun. Aber alleine schon für die im hiesigen Fernsehen so unbekannte und länger nachwirkende Bösartigkeit lohnt sich das Einschalten.

Credits

OT: „Tatort: Der Herr des Waldes“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Christian Theede
Drehbuch: Hendrik Hölzemann
Musik: Dominik Giesriegl, Florian Riedl
Kamera: Tobias Schmidt
Besetzung: Daniel Sträßer, Vladimir Burlakov, Brigitte Urhausen, Ines Marie Westernströer, Anna Böttcher, Torsten Michaelis, Gabriela Krestan, Aaron Hilmer, Julius Nitschkoff, Kai Wiesinger, Katharina Spiering, Oscar Brose

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„Tatort: Der Herr des Waldes“ setzt die beim ersten Auftritt des Saarländer Teams bereits gezeigte Neigung zu zwischenmenschlicher Eiseskälte und Bösartigkeit fort und setzt dem Ganzen noch eins drauf. Glaubwürdig ist das alles nicht, dafür aber so düster und abgründig, wie man es aus dem deutschen Fernsehen nicht gewohnt ist. Trotz eines weniger erwähnenswerten Kriminalfalls lohnt sich der Blick in die Finsternis.
7
von 10