Tatort: Die dritte Haut
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Tatort: Die dritte Haut

Inhalt / Kritik

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„Tatort: Die dritte Haut“ // Deutschland-Start: 6. Juni 2021 (Das Erste)

Otto Wagner (Peter René Lüdicke) ist nur einer von mehreren, die aus ihrer Wohnung rausmüssen. Schließlich will das von Gülay Ceylan (Özay Fecht) geleitete Familienunternehmen die Wohnungen luxussanieren, um in Zukunft mehr Gewinn rauszuholen. Doch der will sich das nicht gefallen lassen und attackiert deshalb Cem Ceylan (Murat Dikenci), den Sohn von Gülay, am Tag seiner Zwangsräumung. Als dieser am nächsten Tag tot aufgefunden wird, rücken deshalb Wagner und die anderen Alteingesessenen des Mietshauses in den Mittelpunkt der Ermittlungen. Für Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) bedeutet dies, die verschiedenen Bewohner und Bewohnerinnen kennenzulernen und so Einblick in die zunehmend prekäre Wohnsituation in Berlin zu erhalten. Ein Thema, das ihnen näher ist, als ihnen lieb sein kann …

Ein Mord am Puls der Zeit

Dass der Tatort gerne zwischendurch auch mal gesellschaftliche Themen aufgreift, ist kein Geheimnis. Dieses Jahr standen unter anderem Rechtspopulismus (Heile Welt) und Obdachlosigkeit (Die Amme) auf dem Programm. Insofern war es nur eine Frage der Zeit, bis dann auch das allgegenwärtige Thema der Gentrifizierung aufgegriffen wird. Schließlich explodieren überall die Mieten. Die Alteingesessenen werden vertrieben, teils mit rabiaten Mitteln, damit ein besser zahlendes Klientel einziehen kann. Denn wo die Nachfrage größer als das Angebot, da lässt sich richtig viel Kohle machen. Dass Die dritte Haut nur wenige Wochen nach der Aufhebung des Berliner Mitspiegels im Fernsehen läuft, macht den Film umso aktueller. Das Gefühl der Machtlosigkeit macht sich breit.

Dabei nimmt der 1170. Fall der ARD-Krimireihe nicht die üblichen Großkonzerne als Feindbild. Hier kämpft David nicht gegen einen anonymen Goliath, sondern eine Familie, die sich selbst ein größeres Stück von dem Kuchen nehmen will. Dass es hierbei um eine türkischstämmige Familie handelt, macht die Konstellation umso interessanter: Eine Minderheit, die selbst oft marginalisiert und aus Wohnungen vertrieben wird, beteiligt sich an dem Spiel der Unterdrücker. Daraus hätte sich ein spannender Diskurs rund um Machtverhältnisse spinnen lassen. Inwiefern spielen eigene Erfahrungen bei den Ceylans eine Rolle? Wird jeder zum Machtmensch, der diese Option erhält? Ganz so weit ging Drehbuchautorin Katrin Bühlig aber nicht, Tatort: Die dritte Haut macht aus dem Thema nichts.

Schematisches Stimmungsbild

Insgesamt bleibt der Film tendenziell an der Oberfläche und begnügt sich mit Allgemeinplätzen. Auf Ambivalenz wird verzichtet, Tatort: Die dritte Haut zieht das mit den klaren Verhältnissen vor. Auf der einen Seite sind die armen Opfer, die seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten in der Wohnung leben. Auf der anderen Seite haben wir die Immobilienmonster, die mit den unterschiedlichsten Mitteln die Leute vertreiben wollen, völlig ohne Skrupel. Um auf das Problem Gentrifizierung aufmerksam zu machen, passt eine solche Zuspitzung natürlich schon. Allerdings hat der Krimi auf diese Weise nichts zu erzählen, was man nicht schon in den vielen anderen Filmen zu dem Thema gesehen hat.

Nur hin und wieder weicht der Film auch mal von dem Schema ab. Interessant ist in der Hinsicht beispielsweise Dries Vandenbroucke (Tijmen Govaerts), der sich als Anführer der Mietrebellen als Stimme des kleinen Mannes inszeniert, dabei aber gern selbst die Hand aufhält. Böse, das sind immer nur die anderen. Atmosphärisch ist Tatort: Die dritte Haut mit der dokumentarischen Anmutung sowieso. Nur wenige Filme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens trauen sich, derart offensiv und zugleich beiläufig Menschen mit Schutzmasken zu zeigen. Mehr noch als viele andere Teile der Reihe ist dieser hier daher eine Momentaufnahme, ein Stimmungsbild, das fest in der Gegenwart verankert ist. Als solches ist das sehenswert, selbst wenn der Krimi an sich nichts Besonderes ist und der Inhalt weniger mit der Haudraufmethode hätte umgesetzt werden können.

Credits

OT: „Tatort: Die dritte Haut“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Norbert ter Hall
Drehbuch: Katrin Bühlig
Musik: Max van Dusen, Lukas McNally
Kamera: Richard van Oosterhout
Besetzung: Meret Becker, Mark Waschke, Jamila Marques, Daniel Krauss, Timo Jacobs, Berit Künnecke, Sesede Terziyan, Florian Anderer, Peter René Lüdicke, Tijmen Govaerts

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„Tatort: Die dritte Haut“ nimmt sich des großen Themas der Gentrifizierung an, wenn ein skrupelloser Miethai ermordet wird. Einige Ideen sind interessant, werden jedoch wenig vertieft. Insgesamt taugt der Film mehr als eine Art Stimmungsbild. Der Krimi selbst ist mäßig spannend, bleibt an mehreren Stellen zu schematisch.
6
von 10