Tatort Hitchcock und Frau Wernicke
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Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke

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„Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke“ // Deutschland-Start: 24. Mai 2010 (Das Erste)

Inhalt / Kritik

So richtig interessiert es eigentlich niemanden, was Irmgard Wernicke (Barbara Morawiecz) da zu sagen hat. Ihre Geschichte hört sich aber auch zu unwahrscheinlich an: Robert Benkelmann (Hans-Jochen Wagner), ihr Nachbar von gegenüber, soll seine Frau ermordet und die Leiche entsorgt haben. Aber die allein lebende, alte Dame besteht darauf, dass sie den Vorfall beobachtet hat. Und so machen sich Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic) auf den Weg zu ihr, um sich das Ganze mal persönlich anzuschauen. Tatsächlich stoßen sie auf ein paar Ungereimtheiten. So ist Frau Benkelmann gerade verreist, soll angeblich mit dem Zug nach Portugal gefahren sein. Aber auch Wernickes Version der Geschichte wirft Fragen auf …

Mord oder nicht Mord, das ist hier die Frage

Auch wenn es im Laufe von 50 Jahren Tatort natürlich die unterschiedlichsten Geschichten, Figuren und Settings gegeben hat, die meisten folgen dann doch einem bestimmten Ablauf: Zu Beginn des Films wird irgendwo eine Leiche gefunden, die Polizisten und Polizistinnen müssen in Folge herausfinden, wer den Mord begangen hat – und aus welchem Grund. Sehr viel seltener ist der Fall, dass das Publikum zu Beginn den Mord selbst beobachtet und es darum geht, ob die Verantwortlichen geschnappt werden. Kartenhaus oder Blind Date sind solche Fälle. Und dann gibt es noch den Spezialfall, wie es Hitchcock und Frau Wernicke demonstriert. Beim 764. Film der ARD-Krimireihe steht zunächst überhaupt nicht fest, ob es überhaupt ein Verbrechen gegeben hat oder ob da nicht vielleicht doch die Fantasie einen Streich gespielt hat.

Das Vorbild ist dabei nicht wirklich versteckt. Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke verrät bereits, dass der Großmeister der Spannung hier Pate stand. Mehr noch, die offensichtliche Referenz Das Fenster zum Hof wird innerhalb des Films sogar namentlich genannt. Die Gemeinsamkeiten sind ja auch zu offensichtlich. In beiden Fällen ist die Hauptfigur aufgrund einer eingeschränkten Mobilität an die eigene Wohnung gebunden. Von dort aus will sie beobachtet haben, wie ein Mann von gegenüber mehrfach mit einem Koffer ein und ausging. Gemeinsam ist den zwei Figuren zudem, dass sie besessen sind von dem Leben der anderen Menschen und diese geradezu zwanghaft beobachten. Das macht sie natürlich zu idealen Zeugen und Zeuginnen, falls tatsächlich mal was passieren sollte. Das nachbarschaftliche Auge schaut immer zu. Gleichzeitig weckt es Zweifel, ob die Figur wirklich etwas beobachtet hat oder sich das einfach nur wünschte.

Ein Kammerspiel in zwei Orten

Lange spielt Regisseur und Drehbuchautor Klaus Krämer dann auch mit der Ungewissheit, was da nun geschehen ist und ob ein Verbrechen vorliegt. So verhält sich Benkelmann zwar schon irgendwie verdächtig, seine Geschichte klingt nicht so recht plausibel. Gleichzeitig ist aber auch Wernicke nicht gerade ein Musterbeispiel für eine seriöse und zuverlässige Zeugin. Die Zuschauer und Zuschauerinnen dürfen rund 90 Minuten lang grübeln, wer von den beiden denn die unglaubwürdigere Person ist. Die Handlung ist entsprechend sparsam. Action gibt es in Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke keine. Die Zahl der Figuren ist überschaubar. Die der Orte noch mehr: Ein Großteil der Geschichte spielt in der Wohnung der alten Frau. Dann und wann wechseln wir in die von Benkelmann, in der Hoffnung, irgendwelche alten oder frischen Spuren zu entdecken, welche das Ganze aufklären könnten. Ein zweigeteiltes Kammerspiel, wenn man so möchte. Das war es aber auch schon mit der Abwechslung.

Das werden manche sicherlich langweilig finden. Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke ist einer dieser betont unspektakulären Krimis, die sich ganz auf die Atmosphäre und die Figuren verlassen. Die Auflösung wird dabei fast schon zur Nebensache, es läuft zwangsläufig auf eine der beiden Erklärungen hinaus. Ein paar überraschende Details werden zum Schluss zwar schon noch enthüllt. Die sind zum Teil aber recht weit hergeholt. Das hier ist kein Film, den man sich wegen einer realitätsnahen und plausiblen Geschichte anschaut. Wer diesen Anspruch gar nicht hat und auch mit der ruhigen Erzählweise leben kann, für den ist das hier dafür alles recht spannend. Gerade die Atmosphäre, die von beklemmend zu traurig wechselt, macht die etwas andere Wahrheitssuche zu einem gelungenen Beitrag innerhalb der Endlosreihe.

Credits

OT: „Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke“
Land: Deutschland
Jahr: 2010
Regie: Klaus Krämer
Drehbuch: Klaus Krämer
Musik: Torsten Sense
Kamera: Ralph Netzer
Besetzung: Dominic Raacke, Boris Aljinovic, Ernst-Georg Schwill, Barbara Morawiecz, Lotte Ohm, Hans-Jochen Wagner, Jenny Schily

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Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke
Fazit
„Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke“ handelt von einer alten Frau, die beim Nachbar gegenüber einen Mord beobachtet haben will. Oder war es doch nur Einbildung? Das Ergebnis ist ein zwar ruhiger, aber doch spannender Krimi, der sich würdevoll vor dem Altmeister verneigt.
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