Tatort Schoggiläbe
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Tatort: Schoggiläbe

Inhalt / Kritik

Tatort Schoggiläbe
„Tatort: Schoggiläbe“ // Deutschland-Start: 28. Februar 2021 (Das Erste)

Der Schokoladenfabrikant Hans-Konrad Chevalier ist tot, erschlagen und erschlossen in seiner eigenen Villa. Als Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) die Ermittlung aufnehmen, merken sie schnell, dass in der Familie Chevalier viel im Argen lag. So war die Homosexualität des Verstorbenen immer ein Tabuthema, weshalb er diese nur heimlich ausleben konnte. Währenddessen kommt es zu einem Machtkampf zwischen dessen Tochter Claire (Elisa Plüss) und Hans-Konrads Mutter Mathilde (Sibylle Brunner), die beide die Leitung der berühmten Schokoladenfabrik übernehmen wollen. Und als wäre das alles nicht schon kompliziert genug, kommt es bei den beiden Ermittlerinnen zu einem brenzligen Zwischenfall …

Ein süßes Klischee

Es gibt ja so manches Klischee, das einem einfällt, wenn man an die Schweiz denkt. Ganz weit oben auf der Liste: Schokolade! Im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte haben sich eine Reihe von Unternehmen dort auf die Fertigung der dunklen Kalorienbombe spezialisiert und diese zu einem Verkaufsschlager gemacht. Wenn dann der zweite Fall des Züricher Ermittlerteams Grandjean und Ott in diesem Umfeld spielt, kann man das als konsequent empfinden, vielleicht aber auch als langweilig. Auffällig ist, dass man nach Züri brännt dem Film mit Schoggiläbe erneut einen Titel auf Schweizer Deutsch gegeben hat. Ob das nun für mehr Flair sorgen sollte oder eine Anbiederung an das heimische Publikum darstellt, darüber darf gerätselt werden.

Rätsel gibt es in der 1158. Folge der ARD-Krimireihe Tatort auch losgelöst vom Titel naturgemäß einige. Das zentrale ist dabei: Ja, und wer hat den Chevalier nun erschossen? Dafür wird fleißig durch Zürich gefahren, um mal mit den einen Verdächtigen zu reden, mal um andere Spuren zu verfolgen. Parallelen zum kürzlich ausgestrahlten Der Zürich-Krimi: Borchert und die Zeit zu sterben drängen sich dabei auf. Nicht nur, dass beide Filme in der Schweizer Großstadt spielen. In beiden Fällen stirbt der Leiter eines traditionellen Familienunternehmens, was zu Erbstreitigkeiten sorgt und mit der Frage einhergeht, ob nun ein persönliches oder ein berufliches Interesse ausschlaggebend für den Mord war.

Ansprache aus dem Nichts

Eine weitere bedauerliche Gemeinsamkeit: Beide Filme sind nicht zu empfehlen. Die Gründe hierfür sind jedoch unterschiedlich. Während beim Kollegen das schwache Drehbuch und mitunter erschreckende schauspielerische Leistungen dem Unterhaltungswert eindeutig schadeten, irritiert bei Tatort: Schoggiläbe das Konzept an sich. Eine einfache Mörderjagd war dem Autorenduo Stefan Brunner (Freud) und Lorenz Langenegger nicht genug. Vielmehr sollte diese wohl irgendwie mit einer gesellschaftlichen Aussage verbunden werden. Das ist natürlich durchaus legitim und zudem nicht selten. Beim Tatort kommt das in schöner Regelmäßigkeit vor.

Bei Tatort: Schoggiläbe funktioniert das aber hinten und vorne nicht. Während die Ausflüge in die Homophobie, wenn der Verstorbene sich ein Scheinleben aufbauen musste, noch stimmig in das Porträt einer vornehmen, letztendlich skrupellosen Elite passt, ist das mit dem Gegensatz von Arm und Reich schon recht plump in die Geschichte hineingerammt. Vor allem die Szenen, in denen die Protagonistinnen die Vierte Wand durchbrechen und das Publikum direkt ansprechen, sind ziemliche Ärgernisse. Wenn man in einen Film schon Meta-Elemente einbaut, dann sollte das schon einigermaßen konsequent geschehen, mit einem klar erkennbaren Konzept. So aber sind diese Szenen ebenso willkürlich wie der Ablauf der Handlung. Dem Krimi selbst bringen sie nichts, für eine Charakterisierung ist das zu schwach.

Melancholisches Nichts

Allgemein läuft das mit den Figuren noch nicht so wirklich rund. Das ist zum Teil gewollt, die Spannungen zwischen den beiden Polizistinnen wurden schließlich bewusst eingebaut. Solche sind in der Reihe nicht selten, gerade zu Beginn, wenn ein Team noch neu ist und sich finden muss, helfen Konflikte und Kontraste. Tatort: Oskar hatte seinerzeit vorgemacht, wie zwei sich ganz fremde Menschen irgendwie zusammenraufen müssen. Doch damals wurde das mit emotionaler Tiefe verbunden. Hier gibt es nur eine Mischung aus Langeweile und Verstimmung, die irgendwann so groß wird, dass man als Zuschauer das Handtuch werfen will. Das ist nicht nur schade um die vertane Zeit. Es ist auch schade um die schöne Musik, die Zürich von einer sehr melancholischen Seite zeigt, in der jeder für sich ist, sie alle irgendwie verloren durch die Gegend stolpern auf der Suche nach Halt, einem Mörder oder einem Sinn.

Credits

OT: „Tatort: Schoggiläbe“
Land: Schweiz
Jahr: 2021
Regie: Viviane Andereggen
Drehbuch: Stefan Brunner, Lorenz Langenegger
Musik: Fabian Römer
Kamera: Martin Langer
Besetzung: Carol Schuler, Anna Pieri Zuercher, Rachel Braunschweig, Aaron Arens, Peter Jecklin, Igor Kováč, Elisa Plüss, Sibylle Brunner, Urs Jucker, Csémy Balazs, Levente Molnar

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„Tatort: Schoggiläbe“ erzählt von dem brutalen Mord an einem Schokofabrikanten, will aber gleichzeitig viel mehr sein. An inhaltlichen wie gestalterischen Elementen mangelt es dabei nicht, wohl aber an einem Konzept, wie das alles sinnvoll miteinander zu verbinden ist. Während die melancholische Stimmung gefällt, ist das inhaltlich zu schwach und willkürlich.
4
von 10