Tatort In der Familie Teil 1
© WDR/Frank Dicks

Tatort: In der Familie – Teil 1

Kritik

Tatort In der Familie
„Tatort: In der Familie – Teil 1“ // Deutschland-Start: 29. November 2020 (Das Erste)

Luca Modica (Beniamino Brogi) hatte immer davon geträumt, zusammen mit seiner Frau Juliane (Antje Traue) eine Pizzeria zu führen. Doch das Geschäft ist hart, sie kommen kaum über die Runden. Müssen sie aber auch nicht, denn vielmehr verdienen sie Geld damit, dass die ’Ndrangheta auf ihrem Gelände ungestört Drogen verladen kann, das Restaurant selbst dient dafür nur als Kulisse. Während das Dortmunder Ermittlerteam, bestehend aus Peter Faber (Jörg Hartmann), Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel) und Jan Pawlak (Rick Okon), das Restaurant observieren, sind die Münchner Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) angereist. Die Drogengeschäfte sind ihnen dabei egal. Ihnen geht es um Pippo Mauro (Emiliano de Martino), der in München einen Mord begangen hat und bei Luca untergetaucht ist …

Ein interner Streit
Im Kinobereich kennt man das Prinzip des Cinematic Universe natürlich, in denen sich Figuren verschiedener Filme begegnen, um gemeinsame Abenteuer zu erleben. Vor allem bei Comic-Adaptionen hat sich das als fester Bestandteil etabliert. Aber auch bei Serien findet man so etwas immer mal wieder, Gastauftritte von Publikumslieblingen in konkurrierenden Produktionen waren zumindest in den USA ein immer wieder gern gesehenes Mittel. Tatort: In der Familie zeigt nun, dass das in Deutschland ebenfalls möglich ist. Zum 50-jährigen Jubiläum des TV-Urgesteins beschloss man, in einer Doppelfolge die Teams aus Dortmund und München zusammenzustecken und gemeinsam an einem Fall arbeiten zu lassen, wenngleich aus verschiedenen Motiven.

Beim ersten Teil steht dabei klar Dortmund im Fokus. Dort spielt ein Großteil des Films, das Quartett hat die Fäden in der Hand. Zwar stoßen irgendwann die Münchner noch dazu, was für diverse, nicht ganz unkomische Reibereien sorgt, wenn beide Seiten offensichtlich wenig füreinander übrig haben. Aber man merkt doch, dass hier lediglich der Grundstein für den zweiten Teil gelegt wird, in dem es die Truppe nach Bayern verschlägt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die erste Hälfte von Tatort: In der Familie nur eine Art Auftakt ist, bevor die eigentlich relevante Geschichte erzählt wird. Hier gibt es ganz eigene Themen und eine eigene Stimmung, die losgelöst von der Fortsetzung sehenswert sind.

Diese Stimmung ist dabei sehr düster, der Kontrast zur Folge der Vorwoche – die kuriose Doppelgänger-Groteske Die Ferien des Monsieur Murot – könnte kaum größer sein. War diese noch von freundlichen Bildern und einer idyllischen Sehnsucht erfüllt, beschränkt sich die Sehnsucht hier auf eine Fototapete Kalabriens, die inmitten der Trostlosigkeit des Restaurants den Eindruck erwecken soll, man wäre ganz woanders. In der Familie erzählt dann auch von geplatzten Träumen, von dem Wunsch, für die Familie sorgen zu können, nur um dann in den Klauen einer anderen „Familie“ zu landen. Der Film handelt von den Opfern, die wir bringen, von Grenzen, die überschritten werden müssen, um das eigene Ziel erreichen zu können.

Wie weit darf ich gehen?
Das beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Modicas, die zwischen die Fronten geraten. Drehbuchautor Bernd Lange (Der Überläufer) zeigt auch die Polizei als Einheit, für die der Zweck zuweilen die Mittel heiligt. Da wird hinter den Rücken der anderen gearbeitet, die Not der Menschen gnadenlos ausgenutzt. Eines der wichtigsten Themen in der ersten Hälfte ist dann auch die Frage, wie weit die Verbrecherjagd gehen sollte, als Nora Dalay unter einem Vorwand Freundschaft mit Juliane schließt – was zu einer echten Gewissensfrage wird. In der Familie hört sich als Titel irgendwie nett und schön an. Umso größer ist der Kontrast zu dem, was sich auf dem Bildschirm abspielt, zu der Verzweiflung und der Orientierungslosigkeit.

Regisseur Dominik Graf (Die Sieger) findet hierfür die passenden Bilder. Nach der Etablierung des Kontrasts zwischen der sehnsüchtig-kitschigen Fototapete und dem schmucklosen Drumherum gibt es vor allem trübe Aufnahmen, von Hinterhöfen, schummrigen Räumen und Straßen, die sich im Nichts verlaufen. Auch wenn dort später kräftig aufs Gaspedal getreten wird, gerade im Finale viel Spannung erzeugt, so bleiben doch vor allem die langen ruhigen Phasen in Erinnerung, in der eben nichts mehr ist mit familiären oder anderweitigen Zusammenhalt. Eine von innen ausgehöhlte Welt, in der Tomatendosen als Fassade für den Ausverkauf von Träumen dienen.

Credits

OT: „Tatort: In der Familie“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Dominik Graf
Drehbuch: Bernd Lange
Musik: Florian van Volxem, Sven Rossenbach
Kamera: Hendrik A. Kley
Besetzung: Jörg Hartmann, Anna Schudt, Aylin Tezel, Rick Okon, Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Emiliano De Martino, Beniamino Brogi, Antje Traue, Emma Preisendanz

Bilder

Weitere Tatort-Folgen

Unsere Tatort-Kritiken

« letzte Folge nächste Folge »



(Anzeige)

Die Jubiläumsfolge „Tatort: In der Familie“ führt die Ermittlerteams aus Dortmund und München zusammen, wenn es um geheime Drogengeschäfte, die Mafia und einen flüchtigen Mörder geht. Das wird zum Ende spannend, zeichnet aber vor allem das düstere Bild geplatzter, falscher Träume und einer Welt, in der es keinen Zusammenhalt mehr gibt.
7
von 10