
Zwei Jahre ist es inzwischen her, dass Jan Olsmer (Max Riemelt) bei einem Skiunfall sein Augenlicht verloren hat. Doch davon will sich der IT-Analyst nicht sein Leben verderben lassen. Er ist fest entschlossen, es so gut es eben geht zu genießen. Und das bedeutet für ihn auch, wieder mit dem Dating anzufangen. Eine mögliche Partnerin hat er bereits gefunden, die Mathematiklehrerin Jenny Feller (Marlene Tanczik). Dass sie im weit entfernten Erzgebirgsstädtchen Bergroda lebt, stört ihn nicht. Dummerweise fällt jedoch sein Zug aus, als er sie über die Feiertage besuchen will. Und so engagiert er den Taxifahrer Axel Parschke (Dietmar Bär), dass er ihn von Hamburg hinfährt – für 850 Euro. Unterwegs schließt sich ihnen noch Linh Nguyen (Nhung Hong) an, die ebenfalls nach Bergroda will. Und dann wäre da noch Sofia Lieberwirth (Gabriele Völsch), deren Bekanntschaft sie vor Ort machen – auf eine etwas ruppige Weise …
Ein Herzkino zu Weihnachten
Grundsätzlich verbindet man das Herzkino in erster Linie mit den zahlreichen Endlosreihen, die am Sonntagabend laufen. Da sind beispielsweise die Buchadaptionen nach Rosamunde Pilcher oder Inga Lindström. Auch Das Traumschiff und Frühling werden sehr regelmäßig mit neuen Filmen bedacht. Dann und wann gibt es aber auch in sich geschlossene Einzelwerke. Gerade zur Weihnachtszeit werden gern mal Geschichten abseits der bekannten Dauerbrenner erzählt. Letztes Jahr sollte Alice im Weihnachtsland für ein bisschen winterliche Romantik sorgen, wenn die Protagonistin ohne ihren Freund bei dessen Familie landet. Dieses Jahr gibt es Ein Taxi zur Bescherung für das Extra-Herz außerhalb der üblichen Verdächtigen.
Im Gegensatz zum obigen Kollegen, bei dem es um die komplizierten Gefühle der Titelheldin ging, gibt es hier keine Hauptfigur in dem Sinn. Vielmehr gibt es eine Reihe von Einzelschicksalen, die jedoch im Laufe der anderthalb Stunden immer wieder miteinander verknüpft werden. Die Art und Weise, wie die Figuren dazu gezwungen werden, mag nicht sonderlich subtil sein – erst fällt ein Zug aus, dann gibt es einen Stau, später einen Unfall. Ob das jetzt so wahnsinnig glaubwürdig ist, darüber kann man sich streiten. Es stört aber auch nicht weiter, zumal Ein Taxi zur Bescherung ansonsten eher näher am Alltag orientiert ist. Vor allem im Vergleich zu sonstigen Herzkino-Filmen, bei denen ungeniert die größten Schicksalsschläge bemüht werden.
Das kleine gemeinsame Glück
Tatsächlich handelt es sich hierbei um einen recht angenehmen Film, der weder bei den dramatischen noch den komödiantischen oder romantischen Momenten richtig draufhauen möchte. Die tragischen Elemente werden nicht ausgeschlachtet, es wird nicht krampfhaft versucht, irgendwelche peinlich-komischen Szenen zu erzeugen. Gleichzeitig ist Ein Taxi zur Bescherung kein reines Berieselungsfernsehen, wie man es bei Spielfilmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens oft hat. Die Tragikomödie, die beim Festival des deutschen Films 2022 lief, spricht im Laufe der über mehrere Tage sich abspielenden Geschichte eine Reihe von Themen an, die den Zuschauern und Zuschauerinnen durchaus ein bisschen Stoff zum Selbernachdenken mit auf den Weg geben.
Ein Thema ist dabei natürlich der Umgang mit Jans Blindheit. Was macht es mit jemandem, wenn er auf einmal nicht mehr wie gewohnt durchs Leben kommt? Und wie geht man selbst mit einem solchen Menschen um? Der Film beschreibt anschaulich, wie die anderen Figuren damit hadern, sich unsicher sind, mal zu viel, mal zu wenig tun. Sympathisch ist zudem, wie sich Ein Taxi zur Bescherung dafür stark macht, dass Weihnachten andere Formen annehmen kann als die, die einem gerade in Filmen immer wieder um die Ohren gehauen wird. Hier ist es eben nicht die Familie, die gemeinsam die Feiertage verbringt, sondern eine Gruppe von Fremden, die größtenteils durch den Zufall zusammengeführt wurden – und die trotzdem eine Gemeinschaft bilden. Ohne großen Kitsch darf man hier einen kleinen Moment des Glücks miterleben und Zuversicht für das weitere Leben mitnehmen, ob nun in der Großstadt oder im kleinen Kaff.
OT: „Ein Taxi zur Bescherung“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Dirk Kummer
Drehbuch: Claudia Matschulla, Arnd Mayer
Musik: Mathias Rehfeldt
Kamera: Felix von Muralt
Besetzung: Dietmar Bär, Max Riemelt, Gabriele Völsch, Marlene Tanczik, Nhung Hong, Sebastian Reusse, Clemens Kersten, Christoph Kottenkamp
Ihr wollt mehr über den Film erfahren? Wir hatten die Gelegenheit, ein Interview mit Hauptdarsteller Max Riemelt und führen, und befragen ihn zur Arbeit an Ein Taxi zur Bescherung, seine Erfahrung mit Blindheit und gute Weihnachtsfilme.
Die sonntags auf dem ZDF ausgestrahlte Reihe Herzkino gehört zu den Dauerbrennern des Senders. Seit 1987 laufen, damals noch unter dem Titel Der große ZDF Sonntagsfilm, deutsche Dramen, die sich meistens mit Familien- und Liebesgeschichten befassen. Mehrere Hundert Titel wurden so im Laufe der letzten Jahrzehnte produziert. Unten findet ihr alle unsere bisherigen Rezensionen zu diesem Thema auf einen Blick.
Herzkino Kritiken
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