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Dietmar Bär und Max Riemelt in "Ein Taxi zur Bescherung" (© ZDF/Felix Abraham)

Max Riemelt [Interview 2022]

In Ein Taxi zur Bescherung spielt Max Riemelt den IT-Analysten Jan Olsmer, der in Folge eines Skiunfalls erblindet ist. Zwei Jahre später beschließt er, sich wieder seinem Liebesleben zuzuwenden und einen neuen Anlauf zu wagen. Zu dem Zweck chattet er schon seit einiger Zeit mit der Mathematiklehrerin Jenny Feller (Marlene Tanczik). Jetzt, da die Weihnachtstage anstehen, will er sie das erste Mal besuchen. Dummerweise fällt sein Zug jedoch aus, weshalb er den Taxifahrer Axel Parschke (Dietmar Bär) engagiert. Und das ist nur der Einstieg in eine chaotische Odyssee. Wir haben uns mit Max Riemelt anlässlich der Ausstrahlung der Tragikomödie am 18. Dezember 2022 um 20.15 Uhr im ZDF über die Arbeit am Film, den Umgang mit Blindheit und gute Weihnachtsgeschichten unterhalten.

 

Was hat Sie an Ein Taxi zur Bescherung gereizt? Warum wollten Sie bei dem Film mitspielen?

Hauptsächlich ging es mir um die Figur. Einen Blinden glaubhaft zu spielen, war eine große Herausforderung. Die Figur sollte schließlich realistisch dargestellt werden und nicht zu überzogen oder zu künstlich. Wichtig war dabei die Psychologie, weil Jan nicht sein ganzes Leben, sondern erst seit ein paar Jahren lang blind ist. Das hat seinen Charakter und sein Verhalten anderen gegenüber verändert. Hinzu kommt das Technische. Wie bewege ich meine Augen, wenn ich nichts sehen kann? Was mir an dem Film gefallen hat, war dass die Blindheit ihn aber nicht komplett als Figur bestimmt, sondern dass das eine Facette von ihm ist, die in manchen Szenen relevant ist. Aber eben nicht in allen. Das Thema wird auch nicht als schweres Drama aufgegriffen, sondern leicht und humorvoll verpackt, ohne dabei albern zu werden.

Wie sahen denn die Vorbereitungen darauf aus?

Natürlich kann man sich nicht ganz hineinversetzen, was es heißt, in ewiger Dunkelheit zu leben. Ich bin zu einer Sehbehindertenschule gegangen und habe mir von einer Lehrerin beibringen lassen, wie man mit einem Stock geht. Wenn du an der U-Bahn-Station Warschauer Straße unterwegs bist, mitten im Winter, merkst du erst, welche Herausforderung das ist und wie wenig einem dabei geholfen wird. Entweder wirst du gar nicht wahrgenommen oder die Leute behandeln dich ganz vorsichtig. Sie konnte mir auch viel von Einzelschicksalen und wie Blinde das Leben wahrnehmen erzählen. Das war sehr interessant und hat mir bei der Vorbereitung sehr geholfen. Es hat mich auch dankbarer gemacht, dass ich sehen kann, weil ich das wie die meisten als selbstverständlich empfunden habe.

Hatten Sie denn vorher Berührungspunkte mit Blinden oder sehbehinderten Menschen?

Nein, gar nicht. Ich hatte auch nie das Ziel, einen solchen zu spielen. Als das Angebot da war, habe ich aber sofort gemerkt, dass mich das reizt, weil das eine völlig neue Erfahrung für mich war. Heute gibt es immer wieder Debatten, ob man nur das spielen sollte, was man aus dem eigenen Leben kennt. Für mich würde das aber den Beruf des Schauspielers obsolet machen, wenn ich immer nur denselben Stereotyp verkörpern kann. Natürlich will ich immer möglichst nahe an die Realität herankommen. Aber es bleibt etwas Fiktionales und ist keine reine Wahrheit.

Sie haben schon gemeint, dass die Blindheit nur eine Facette von Jan ist. Wie würden Sie ihn insgesamt beschreiben? Was ist er für ein Mensch?

Er ist ein sehr ehrgeiziger Mensch, der Niederlagen nicht einfach so hinnimmt. Er kann schon richtig was auf sich nehmen, um seine Ziele zu verfolgen. Allein schon, dass er diese weite Fahrt auf sich nimmt für ein Blind Date und am Ende sogar ein Taxi bezahlt, zeigt für mich seinen starken Willen. Gleichzeitig hat er seine Unsicherheiten und muss dann erst über seinen Schatten springen. Was er auch tut. Er hasst Selbstmitleid, wie er am Ende auch sagt. Hasst es, wenn andere Leute nur mit sich selbst beschäftigt sind und dabei nichts mehr von dem wahrnehmen, was um sie herum passiert.

Und die eigenen Privilegien.

Genau. Das vergessen wir viel zu oft.

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Zufällige Gemeinschaft: In „Ein Taxi zur Bescherung“ entdecken Sofia (Gabriele Völsch), Linh (Nhung Hong), Jan (Max Riemelt) und Axel (Dietmar Bär) Weihnachten gemeinsam neu. (© ZDF/Felix Abraham)

Bei Jan zeigt sich, dass seine Blindheit bei anderen Menschen kein Thema sein soll. Ist das überhaupt realistisch? Können wir Blinden begegnen, ohne dass es eine Rolle spielt?

Das ist genau die Frage. Wie gehen wir mit Menschen um, die nicht der sogenannten Norm entsprechen? Er wünscht sich ein selbstbestimmtes Leben und dass andere progressiv damit umgehen. Das ist natürlich schwierig. Aber man holt diese Menschen bestimmt nicht in die Mitte, indem man sie ganz vorsichtig oder zaghaft behandelt. Bilndheit ist oft mit einem gewissen Stigma verbunden. Was es heißt, mit einem Stigma leben zu müssen, haben wir vor einigen Jahren in Kopfplatzen zeigen wollen. Dort war es eine andersartig veranlagte Sexualität, für die Betroffene, auch wenn sie nicht zum Täter geworden waren, von vornherein als Verbrecher gebrandmarkt werden, was es ihnen unmöglich macht, über das Thema zu reden und Hilfe zu suchen. Menschen sollten zunächst immer mit Würde behandelt werden.

Nehmen wir an, Sie würden wie Jan selbst erblinden. Was würden Sie am meisten vermissen, das Sie nicht mehr sehen können?

Das ist unmöglich für mich, in ein paar Worte zu fassen. Klar fallen mir da als erstes die Menschen ein, die ich liebe. Du kannst sie zwar auch anders wahrnehmen, kannst sie hören und berühren. Aber sie sehen zu dürfen, ist schon etwas ganz Tolles.

Und umgekehrt: Wo wären Sie ganz froh, dass Sie etwas nicht mehr sehen müssten?

Tatsächlich möchte ich auf nichts verzichten, weil ich nichts davon halte, vorab etwas herauszufiltern und in einer Komfortzone zu leben, wo es keine Probleme gibt. Klar muss ich jetzt nicht jeden Horror sehen und den Grauen des Krieges. Aber ich darf auch nicht wegschauen, wenn es so etwas gibt, weil das Teil der Welt und der Weltgeschichte ist, selbst wenn wir es nicht wahrhaben wollen.

Kommen wir zu einem ganz anderen Thema: Ein Taxi zur Bescherung ist ein Weihnachtsfilm, wird auch im Dezember ausgestrahlt. Nun gibt es wirklich Massen an Weihnachtsfilmen. Was macht für Sie einen guten Weihnachtsfilm aus?

Um ehrlich zu sein, mag ich Weihnachtsfilme nicht besonders. Nicht falsch verstehen, ich mag Weihnachten. Diese Rituale des gemeinsamen Kochens und der Geschenke, die wir zusammen auspacken, das ist für mich etwas sehr Schönes. Viele Weihnachtsfilme sind für mich aber zu sehr Wiederholungen und sind zu sehr von US-amerikanischen Vorbildern geprägt. Sie sind oft auch manipulativ. Viele Weihnachtsfilme setzen dir ein bestimmtes Familienbild vor und erklären das zum Ideal. Das erzeugt dann bei dir ziemlichen Druck, diesem Ideal auch zu entsprechen. Ein Taxi zur Bescherung ist da für mich eine schöne Alternative, wie man Familie auch einmal anders definieren kann. Man kann dieses Ritual mit vielen Menschen haben. Natürlich ist es sehr schön, wenn du Weihnachten mit deiner Familie teilen kannst. Das darf dann aber nicht dazu führen, dass die Menschen unglücklich sind, die aus welchem Grund auch immer dieses Familienleben nicht haben.

Was gehört für Sie zu Weihnachten denn fest dazu?

Das Essen ist wie gesagt wichtig. Bei uns war das immer ganz klassisch die Gans. Geschenke sind für mich jetzt nicht mehr so relevant, außer für die Kids.

Und wie geht es nach Weihnachten bei Ihnen weiter? Was sind Ihre nächsten Projekte?

Im Januar wird die Serie Bonn in der ARD laufen, die von der Gründung des Bundesnachrichtendienstes handelt. Ich spiele darin einen Agenten vom Verfassungsschutz kurz nach der Gründung. Das wird auf jeden Fall ganz interessant sein. Außerdem habe ich die Netflix-Serie Sleeping Dogs gedreht. Da spiele ich jemand, der traumatisiert auf der Straße lebt und sich nicht wirklich erinnern kann, was passiert ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Max Riemelt wurde am 7. Januar 1984 in Ost-Berlin geboren. Als Schüler sammelte er erste Erfahrungen als Schauspieler in der Theatergruppe seiner Schule und auf einer Kindertheaterbühne. Sein erster größerer Kinofilm war die Teeniekomödie Mädchen, Mädchen (2001), die knapp 1,8 Millionen Besucher hatte. Mit deren Regisseur Dennis Gansel drehte er noch mehrere weitere Filme, etwa das Drama Die Welle (2008) über ein Sozialexperiment an der Schule. Später war er verstärkt auch internationalen Produktionen zu sehen, darunter in der Netflix-Serie Sense 8 (2015) über acht Fremde, die eine parapsychische Verbindung haben.



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