Don Juan
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Don Juan
„Don Juan“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Eigentlich war alles bis ins Kleinste von Laurent (Tahar Rahim) geplant. Nur eines nicht: dass seine Verlobte Julie (Virginie Efira) einfach nicht zur Hochzeit auftauchen würde. Nachdem er lange vergeblich gewartet hat, trottet er letztendlich davon. Da sein Leben irgendwie weitergehen muss, versucht er, sich auf seine Arbeit als Schauspieler zu konzentrieren. Schließlich steht eine Aufführung von Don Juan an, in der er die Hauptrolle spielen soll. Doch das ist einfacher gesagt denn getan. Wo auch immer er hingeht, begegnet er Frauen, die ihn an Julie erinnern und die es ihm damit schwer machen, die Geschichte hinter sich zu lassen. Zumal seine Verflossene selbst Schauspielerin ist und damit Teil sein Lebens bleibt …

Ein Frauenheld mal anders

Ganz offensichtlich hat Serge Bozon Spaß daran, altehrwürdige literarische Vorlagen völlig neu zu interpretieren und zu reichlich skurrilen Filmen umzuwandeln. Vor einigen Jahren drehte er Madame Hyde, wo er die berühmte Geschichte um Doktor Jekyll und Mr. Hyde zu einer Farce zwischen Drama, schwarzer Komödie und Fantasy mutieren ließ. In der Hauptrolle: Isabelle Huppert als Lehrerin mit sonderbaren Superkräften. Die Reaktionen waren bestenfalls gemischt, viele konnten mit dem grotesken Werk nichts anfangen. Ein ähnliches Schicksal dürfte auch Don Juan ereilen, bei dem er sich noch weiter von der Vorlage löst. Mit dem Frauenhelden, wie ihn beispielsweise Molière oder Mozart beschrieben, hat Laurent nichts gemeinsam.

Das ist zunächst einmal kein Problem. Die Idee, dass ein Mann, der den Don Juan spielen will, in Liebesdingen erfolglos ist und bei seiner eigenen Hochzeit verlassen wird, die hat durchaus ihren Reiz. Da lässt sich schon schön mit Geschlechterbildern spielen sowie einer Diskrepanz zwischen der Fassade und dem, was dahinter ist. Nur hatten Bozon und seine Co-Autorin Axelle Ropert, die auch schon an Madame Hyde mitgearbeitet hat, noch ganz andere Ideen. Die erste Irritation, welche das Publikum überstehen muss: Hier wird gesungen. Immer mal wieder stimmt Laurent aus heiterem Himmel ein Lied an, manchmal auch die anderen. Dabei geht es dann oft darum, die eigenen Gefühle zu verarbeiten, gerne auch mal im Duett.

Verfolgt von der Vergangenheit

Und noch einen sonderbaren Einfall hatte Bozon: Um zu veranschaulichen, wie sehr Julie noch immer im Kopf von Laurent herumspukt, lässt er Virginie Efira einfach in all diesen zufälligen Bekanntschaften auftreten. Wann immer unser Protagonist also eine neue Frau trifft, sieht diese wie seine Ex aus. Ein bisschen zumindest: Durch Kleidung und Perücken wurde schon dafür gesorgt, dass das Publikum zu jeder Zeit weiß, dass das nicht dieselbe Frau ist. Aber es ist eben doch genug von der belgischen Schauspielerin zu sehen, um zu wissen, wer das gerade ist. Thematisiert wird das in Don Juan aber nicht. Die Zuschauer und Zuschauerinnen werden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt und mit dieser Kuriosität allein gelassen. Sollen sie doch selbst Rückschlüsse ziehen.

Das gilt auch für den Rest des Films. Die sonderbare Mischung aus Drama, Musical, Komödie und Romanze schneidet jede Menge Themen an, die dann aber nicht weiter vertieft werden. Dabei dreht sich viel um Beziehungen oder eben Geschlechterbilder. Aber es sind mehr Fragen als Antworten. Als beispielsweise an einer Stelle über die Figur Don Juan gesprochen wird, kann niemand die Frage beantworten, weshalb er so viele Frauen verlässt, aber niemand ihn selbst verlässt. Ist er so viel stärker? Hat er Angst? Oder ist er einfach so sehr von sich selbst überzeugt, dass schon die Vorstellung, nicht er könne über eine Beziehung entscheiden, sondern die Frau, völlig absurd ist? Bozon dekonstruiert auf diese Weise kräftig und lädt das Publikum dazu ein, es ihm gleich zu tun.

Faszinierend und unbefriedigend

Das ist anfangs unterhaltsam und faszinierend. Dass Rahim und Efira beim Singen nicht dasselbe Talent haben wie beim Schauspielern, wird allenfalls Fans traditioneller Musicals stören. Hier passt es, dass da alles irgendwie etwas schräg ist. Wie schon bei Madame Hyde fügt sich das alles aber nicht wirklich zu einem stimmigen Film zusammen. So interessant einige der Ideen und Denkanstöße sind, welche Bozon da mitbringt: Am Ende werden sich nicht wenige fragen, was das überhaupt sollte. Hinzu kommt, dass das Paar nicht unbedingt sympathisch ist, was für eine weitere Distanz sorgt. Dadurch ist der Genremix, der bei den Filmfestspielen von Cannes 2022 Premiere feierte, selbst eine recht gemischte Angelegenheit. Die zum Teil verheerenden Reaktionen bislang mögen nicht ganz gerechtfertigt sein, verständlich sind sie schon.

Credits

OT: „Don Juan“
Land: Frankreich, Belgien
Jahr: 2022
Regie: Serge Bozon
Drehbuch: Serge Bozon, Axelle Ropert
Musik: Benjamin Esdraffo, Laurent Talon, Mehdi Zannad
Kamera: Sébastien Buchmann
Besetzung: Tahar Rahim, Virginie Efira, Alain Chamfort, Damien Chapelle, Jehnny Beth

Bilder

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Cannes 2022

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Don Juan
Fazit
„Don Juan“ ist ein sehr eigenwilliger Genremix aus Drama, Komödie, Musical und Romanze um einen Mann, der von seiner Verlobten sitzen gelassen wird und anschließend nicht so recht weiterkommt. Das ist interessant, teilweise faszinierend, stellt aber mehr Fragen als Antworten und wird größere Teile des Publikums irritiert zurücklassen.
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