Napoleon
© Sony Pictures/Apple TV+
Napoleon
„Napoleon“ // Deutschland-Start: 23. November 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

1793 ist die französische Stadt Toulon fest in britischer Hand und damit auch der wichtige dortige Hafen. Doch was tun, um die Besatzer zu vertreiben? Der aus Korsika stammende Artillerie-Kommandant Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix) hat eine Idee, wie sich das bewerkstelligen lässt. Tatsächlich hat er Erfolg und wird im Anschluss durch Paul Barras (Tahar Rahim) befördert. Schnell macht er sich mit seinen kühnen Plänen einen Namen und spielt eine entscheidende Rolle dabei, Ländereien und Einfluss Frankreichs zu vergrößern. Während seine Ambitionen immer größer werden und er dabei ist, weite Teile der Welt zu erobern, kehrt er immer wieder zu Joséphine (Vanessa Kirby) zurück. Schließlich hatte er die junge Witwe kennen und lieben gelernt, machte sie auch zu seiner Frau. Doch die Ehe gestaltet sich schwierig …

Eindrucksvolles Schlachtengemälde

Auch wenn Ridley Scott im Laufe der Jahre natürlich die unterschiedlichsten Werke gedreht hat und seine Filmografie beeindruckend vielfältig ist, eine Vorliebe hat er immer wieder gezeigt: historische Epen. Ob es nun 1492 – Die Eroberung des Paradieses (1992) ist, sein Oscar-Triumph Gladiator (2000) oder sein multiperspektivisches The Last Duel (2019), immer wieder nahm sein Publikum mit auf eine Reise in die Vergangenheit, zeigte bedeutende Persönlichkeiten oder große Schlachten. Nun ist es mal wieder so weit. Bei Napoleon errichtet er dem großen französischen General und selbsternannten Kaiser ein Denkmal. Dabei hat er viel zu zeigen und zu erzählen. Schon die Kinofassung bringt es auf mehr als zweieinhalb Stunden. Auf Apple TV+ soll dann seine eigentliche Version erscheinen, mit einer Laufzeit von rund vier Stunden.

Dass die derzeitige Schnittfassung gekürzt ist, merkt man ihr am Tempo an. In einem Affenzahn rast Scott durch die Biografie Napoleons. Die großen Veränderungen in der französischen Gesellschaft während und nach der Revolution oder die Feldzüge etwa durch Ägypten, da bleiben immer nur ein paar Minuten. Das wird dem Ganzen natürlich kaum gerecht, jeder Blick auf Wikipedia ist informativer. Umso beeindruckender ist, mit welchem Aufwand Scott selbst diese Momentaufnahmen inszeniert. Überhaupt ist das Motto hier „klotzen, nicht kleckern“. Es gibt Unmengen an Schauplätzen, prachtvolle Settings und Kostüme. Und dann wären da noch die Schlachten. Die sind zwar auch nicht übermäßig lang, gehören aber sicherlich zum Eindrucksvollsten, was man dieses Jahr auf der großen Leinwand sehen kann.

Komisch oberflächlich

Der Inhalt hinterlässt dabei jedoch einen weniger starken Eindruck. Selbst wenn einen die diversen Verfälschungen nicht stören, wie sie bei solchen „biografischen“ Filmen gang und gäbe sind, ist da Grund für Irritation. Da ist zum einen die mangelnde Vertiefung. Scott setzt mehr auf Schauwerte als auf das Erzählen einer Geschichte. Die wechselnden Allianzen und die politische Lage im In- und Ausland sind nicht mehr als Stichpunkte. Wie Napoleon nach seiner Verbannung noch einmal so viele Männer hinter sich versammeln konnte, wird nie klar. Lediglich das schwierige Verhältnis zwischen Napoleon und Joséphine bekommt etwas mehr Raum und wird neben der militärischen Laufbahn zum zweiten großen Handlungsstrang. Vermutlich sollte dieser Part auch tragisch sein, wirkt oft aber eher befremdlich. Ein Grund: Regelmäßig bauen Scott und Drehbuchautor David Scarpa Komik ein, die den großen Imperialisten als peinliche Witzfigur zeigen.

Grundsätzlich ist es zwar nicht verkehrt, auch historische Persönlichkeiten durch Kakao und Dreck zu ziehen. Dafür ist das Ganze aber nicht konsequent genug, Napoleon wechselt seltsam unmotiviert zwischen verschiedenen Tonalitäten hin und her, je nachdem worauf man gerade Lust hatte. Widersprüchlichkeit kann sehr reizvoll sein, Willkürlichkeit ist es eher selten, zumindest in dem Zusammenhang. Das heißt nicht, dass man hiermit keinen Spaß haben kann. Joaquin Phoenix hatte ihn offensichtlich, während er seine Figur immer wieder der Lächerlichkeit preisgibt. Nur gelingt es ihm nicht, auch das Bedrohliche seiner Figur aufzuzeigen. Seine Interpretation des Kriegsherrn gleicht mehr einem unerzogenen Jungen, der einen Wutanfall bekommt, wenn man ihm sein Spielzeug wegnimmt. Warum so jemand nicht im Laufgitter, sondern an der Front riesiger Heere landete, wird viel zu selten spürbar. Der Bedeutung des Porträtierten wird der Film zu keiner Zeit gerecht, die eingeblendeten Texttafeln haben nur Alibifunktion.

Credits

OT: „Napoleon“
Land: USA, UK
Jahr: 2023
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: David Scarpa
Musik: Martin Phipps
Kamera: Dariusz Wolski
Besetzung: Joaquin Phoenix, Vanessa Kirby, Tahar Rahim, Matthew Needham, Édouard Philipponnat

Bilder

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Napoleon
fazit
„Napoleon“ überwältigt einen geradezu mit Schauwerten, wenn uns der Film zu Schlachten mitnimmt und die unterschiedlichsten Settings mit großem Aufwand inszeniert. Inhaltlich ist das hingegen alles ziemlich unbefriedigend. Zumindest in der Kinofassung wird vieles nicht erklärt, im hohen Tempo wird von einem Ort zum nächsten gesprungen, ohne dass da mal irgendetwas vertieft wird. Hinzu kommen die seltsamen Sprünge in der Tonalität, wenn der Protagonist zu oft zur Witzfigur degradiert wird. Das ist schon unterhaltsam, wird aber weder dem Mann noch den Ereignissen gerecht und ist zudem nicht konsequent genug ausgearbeitet.
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