The Goldman Case Le Procès Goldman
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The Goldman Case

The Goldman Case Le Procès Goldman
„The Goldman Case“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Frankreich, 1976: Pierre Goldman (Arieh Worthalter) wurde wegen mehrerer Vergehen zu lebenslanger Haft verurteilt. Während der ehemalige Guerilla-Kämpfer diverse Raubüberfälle einräumt, besteht er darauf, nichts mit den Morden an zwei Apotheke-Mitarbeiterinnen zu tun zu haben. Er schreibt sogar im Gefängnis ein Buch darüber, macht darin dem Staat gegenüber schwere Anschuldigen – und wird damit zu einer Sensation. Als sein Fall noch einmal neu verhandelt wird, wird der Prozess dann auch von zahlreichen Anhängern und Anhängerinnen begleitet, die sich lautstark äußern. Und das ist nicht die einzige Schwierigkeit, mit der sein Anwalt Georges Kiejman (Arthur Harari) zu kämpfen hat. Vielmehr bringt ihn sein wenig kooperativer und ständig polternder Mandant an seine Grenzen …

Erinnerung an einen spektakulären Fall

Hierzulande dürfte der Name Pierre Goldman eher weniger Leuten etwas sagen. In Frankreich war sein Fall in den 1970ern jedoch in allen Medien. Das dürfte jedoch weniger an dem ihm vorgeworfenen Verbrechen liegen, Raubüberfälle und Morde kommen auch in der Grande Nation durchaus vor. Vielmehr machte der Angeklagte selbst aus allem ein Spektakel. Der radikale Linke, der vor dem Militärdienst in seiner Heimat floh, um stattdessen in Venezuela zu kämpfen, wurde durch sein in Haft geschriebenes Buch Dunkle Erinnerungen eines in Frankreich geborenen polnischen Juden zu einer Berühmtheit und einer Symbolfigur der Linken. Sein Fall wurde aber auch zu einem Symbol für eine fragwürdige Justiz, die das mit der Wahrheitsfindung offensichtlich nicht sehr genau nahm.

Das Drama The Goldman Case, welches in Cannes 2023 die Quinzaine des Cinéastes eröffnet hat, konzentriert sich dabei ausschließlich auf die zweite Verhandlung, bei der sein Fall erneut untersucht wurde. Dabei ist Regisseur und Co-Autor Cédric Kahn (Die Familienfeier) selbst jedes Spektakel fremd. Tatsächlich ist sein Film völlig frei davon und eine vielmehr betont strenge und nüchterne Angelegenheit. Es gibt keinerlei Musik, der Bildausschnitt ist das klassische 4:3 Format, welches heute als sehr beengt wahrgenommen wird. Auch beim Schauplatz gibt es kein Entkommen: Die knapp zwei Stunden Laufzeit spielen sich fast ausschließlich in dem Gerichtssaal ab. Nur selten gibt es auch mal abseits eine Diskussion zwischen Anwalt und Mandant. Und die findet dann unter ähnlich eingesperrten Bedingungen ab.

Gerichtsdrama und Zeitporträt

Kahn konzentriert sich dabei auf seine Figuren und die Dialoge. Regelmäßig kommt es im Gerichtssaal zu Wortgefechten zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft, an denen aber auch andere beteiligt sind. Vor allem Goldman selbst lässt keine Gelegenheit ungenutzt, um sich zu verteidigen oder andere anzugreifen. Das wiederum lassen die diversen Zeugen und Zeuginnen nicht auf sich sitzen. Wäre die Verhandlung ein Fußballspiel, es hätte mindestens ein paar gelbe Karten gegeben, wenn nicht die eine oder andere rote. Dabei geht es in The Goldman Case nur bedingt um die Wahrheitssuche. Vielmehr wird das hier zu einer ideologischen Auseinandersetzung, bei der es viel um Vorurteile und Weltansichten geht, um Rassismus und eine gespaltene Gesellschaft.

Dabei wird das Drama zu einem Zeitporträt, gerade auch im Hinblick auf die Langzeitfolgen des Holocausts – der Protagonist entstammt einer jüdischen Familie, seine Eltern kämpften im Widerstand. Viele der Themen sind aber auch für ein heutiges Publikum noch relevant, seien sie ganz konkret oder philosophischer Natur. Da spielt beispielsweise bei den Zeugenaussagen eine Rolle, wie persönliche Voreingenommenheit die Wahrnehmung beeinflussen kann. Trotz der recht spröden Umsetzung ist das spannend, was auch der Besetzung zu verdanken ist. Gerade Hauptdarsteller Arieh Worthalter (All to Play For) hinterlässt einen starken Eindruck und macht The Goldman Case zu einem Tipp für ein Publikum, das gern gesellschaftlich orientierte Gerichtsdramen sieht.

Credits

OT: „Le Procès Goldman“
Land: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Cédric Kahn
Drehbuch: Cédric Kahn, Nathalie Hertzberg
Kamera: Patrick Ghiringhelli
Besetzung: Arieh Worthalter, Arthur Harari, Stéphan Guérin-Tillié, Nicolas Briançon, Aurélien Chaussade

Bilder

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The Goldman Case
fazit
„The Goldman Case“ erinnert an einen radikalen Linken, der einige Raubüberfälle verübte, zusätzlich aber auch wegen Mordes verurteilt wurde – trotz zweifelhafter Beweislage. Das Drama ist bewusst spröde, dabei aber durchaus spannend. Neben zahlreichen Wortgefechten gibt es einen Einblick in eine gespaltene Gesellschaft im Frankreich der 1970er.
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