So laut du kannst TV Fernsehen ZDF Mediathek
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So laut du kannst

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„So laut du kannst“ // Deutschland-Start: 14. November 2022 (ZDF)

Inhalt / Kritik

Kim Krawitz (Friederike Becht) und Maja Heller (Nina Gummich) sind nicht nur beste Freundinnen. Sie teilen auch einen Traum: Gemeinsam wollen sie eine Praxis für Physiotherapie eröffnen. Um dafür das notwendige Kapital zusammenzubekommen, arbeiten sie als Hostessen beim „Gentlemen’s Evening“, einer exklusiven, jährlichen Veranstaltung der Wirtschaftselite. Dort trifft Kim auch ihren alten Schulfreund Maximilian Holtdorf (Jan Krauter) wieder, der inzwischen Karriere als Anwalt bei einer renommierten Kanzlei gemacht hat. Während die beiden sich im Anschluss an den Abend angeregt unterhalten und alte Zeiten aufleben lassen, macht Maja eine absolute Schreckensnacht durch. Als sie morgens aufwacht, ist sie nackt und orientierungslos in einem Hotelzimmer, wo sie jemand betäubt und vergewaltigt hatte. Nachdem ein erster Gang zur Polizei ohne Ergebnis bleibt, möchte Maja die Angelegenheit am liebsten vergessen. Doch Kim besteht darauf, den Täter weiter zu verfolgen …

Sexueller Übergriff mit System

Als im Zuge von #MeToo das Thema sexueller Übergriff in die Medien kam und zahlreiche Opfer, davon überwiegend Frauen, über ihre Erfahrungen sprachen, hatte dies natürlich auch Auswirkungen auf den künstlerischen Bereich. Eine ganze Reihe von Filmen und Serien griffen dieses auf und schilderten Beispiele, gerade auch im beruflichen Umfeld. Ob nun die Hollywood-Produktion Bombshell – Das Ende des Schweigens, die preisgekrönte Serie The Morning Show oder auch der deutsche TV-Film Trügerische Sicherheit: An Stoff mangelt es nicht. Und er scheint auch in Zukunft nicht zu mangeln, wenn mit dem ZDF-Drama So laut du kannst bereits der nächste Fall ausgebreitet wird. Das Szenario ist denen von oben ähnlich, wenn erneut eine Frau an einen Mann gerät, der in einer Machtposition ist und diese gnadenlos für sich selbst zu nutzen bereit ist.

Ein kleiner Unterschied hier ist, dass das Opfer mit dem Täter eigentlich nicht zusammenarbeitete. Sie hatte lediglich als Hostess beruflich mit ihm zu tun. Das wiederum erleichterte den Übergriff, da die Frauen an diesem Abend ohnehin darauf reduziert wurde, hübsche Dekoration zu sein. Noch vor der Vergewaltigung zeigt So laut du kannst, wie die Bedienungen an dem Abend nicht mehr als herumlaufendes Fleisch für die Männer waren. Die Grenzen zwischen legaler und illegaler Erniedrigung sind in solchen Fällen etwas fließender, zumindest aus Sicht der Männer, die nicht wirklich einsehen wollen, warum da überhaupt eine Grenze ist. Hinzu kommt der Faktor Geld: Die Teilnehmer der Veranstaltung sind es gewohnt, sich alles und jeden kaufen zu können. Das zeigt sich auch später, wenn es nicht viel kostet, um die Geschichten unter den Teppich zu kehren.

Die Frage nach der Freundschaft

Dass reiche Männer sich alles erlauben können, ist aber nur ein Nebenfaktor. Stärker interessiert sich das Drama, das auf dem Filmfest München 2022 Premiere feierte, für die Auswirkungen auf die beiden Freundinnen. Relativ früh wird in So laut du kannst klar, dass nicht viel zu machen ist, die Beweise sind zu dünn, um dem Täter überführen zu können. Ganz klassisch liefe es darauf hinaus, dass Aussage gegen Aussage steht. Und in dem Fall hat das Opfer immer schlechtere Karten. Während Maja sich damit abzufinden bereit ist, weigert sich Kim jedoch, das einfach so zu akzeptieren. Mit aller Macht will sie eine Strafe erzwingen und beginnt zu dem Zweck, sich selbst über Grenzen hinwegzusetzen – selbst die der Freundschaft.

Solche Szenarien werden oft und gern als Selbstjustizthriller umgesetzt, gerade der Rape-and-Revenge-Sektor ist gut besucht. Ganz so weit geht So laut du kannst dann aber doch nicht. Zwar übernimmt der Film Elemente des Krimigenres, wenn Kim sich später auf Spurensuche begibt und auf eigene Faust ermittelt. Aber man bleibt insgesamt doch im Drama-Bereich. Besagte Elemente sind dabei nur bedingt geglückt. An einigen Stellen wird schon etwas überzogen, um eine Spannungskurve zu erzeugen, die das vierköpfige Drehbuchteam wohl unbedingt reinbekommen wollte – und damit manchmal übers Ziel hinausschießt. Deutlich spannender ist die Frage, wie denn der richtige Umgang mit einem solchen Vorfall aussieht. So macht gerade Kim eine Entwicklung durch, wenn es darum geht, was eine gute Freundin in dieser Situation tun kann und soll. Sollte sie einfach nur für das Opfer da sein oder sollte sie alles daran setzen, dass es keine weiteren Opfer geben wird? Auch wenn das im Detail nicht immer überzeugt, insgesamt ist der Film aufgrund dieser diffizilen Fragestellung ein durchaus sehenswerter Beitrag zu einer größeren und noch immer wichtigen Debatte.

Credits

OT: „So laut du kannst“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Esther Bialas
Drehbuch: Sophia Krapoth, Isabel Kleefeld, Lilly Bogenberger, David Weichelt
Musik: Marco Dreckkötter
Kamera: Martin Neumeyer
Besetzung: Friederike Becht, Nina Gummich, Jan Krauter, Ulrich Brandhoff, Marcel Hensema, Stella Spörrle, Pascal Houdus, Gesine Cukrowski, Peter Lohmeyer

Bilder

Interview

Wer nach dem Film noch mehr erfahren möchte: Wir haben uns mit Hauptdarstellerin Friederike Becht im Interview zu So laut du kannst über #MeToo, gesellschaftliche Veränderungen und Freundschaft unterhalten.

Friederike Becht [Interview]

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So laut du kannst
fazit
„So laut du kannst“ erzählt von einer Frau, die vergewaltigt wurde, aber auch von deren besten Freundin, die um jeden Preis dafür sorgen will, dass es Gerechtigkeit gibt. Das ist durch die hinzugefügten Krimielemente manchmal überzogen, insgesamt aber ein interessanter Beitrag zu der noch immer wichtigen Debatte, bei der es auch um das Thema Verantwortung geht.
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