So laut du kannst TV Fernsehen ZDF Mediathek
Friederike Becht (© ZDF/Marion von der Mehden/Christine Schroeder)

Friederike Becht [Interview]

So laut du kannst (am 14. November 2022 um 20.15 Uhr im ZDF) erzählt die Geschichte zweier Freundinnen, die als Hostessen arbeiten, um sich damit den Traum einer eigenen Praxis für Physiotherapie zu finanzieren. Doch als sie bei einem Event arbeiten, an dem die Wirtschaftselite sich trifft, kommt es zu einem schrecklichen Vorfall: Maja Heller (Nina Gummich) wird von einem der Männer unter Drogen gesetzt und vergewaltigt. Nachdem ein erster Gang zur Polizei ohne Ergebnis blieb, will sie das alles schnell vergessen. Ihre beste Freundin Kim Krawitz (Friederike Becht) will die Sache aber nicht auf sich beruhen lassen und tut alles dafür, um für Gerechtigkeit zu sorgen, und riskiert dabei sogar die Freundschaft. Wir haben uns mit Friederike Becht über die Arbeit am Film, #MeToo und gute Freundschaften unterhalten.

Was hat Sie an So laut du kannst gereizt? Weshalb wollten Sie bei dem Film mitmachen?

Ich fand das Buch sehr gut geschrieben und mit einer relevanten Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden. Ich mag Themen, die uns alle betreffen oder gesellschaftliche Berührungspunkte haben. Außerdem mag ich Nina Gummich, bei der sehr schnell klar war, dass sie die zweite Hauptrolle spielen würde.

Vor einigen Wochen waren Sie in Trügerische Sicherheit zu sehen, der eine ähnliche Geschichte erzählt. Ist es Zufall, dass zwei thematisch vergleichbare Filme mit Ihnen hintereinander erscheinen?

Vielleicht liegt es mit an der #MeToo-Bewegung, dass die Leute ein Interesse an dem Thema entwickelt haben. Fände ich gar nicht so schlecht. Schauspielerisch war es eine sehr unterschiedliche Aufgabe, weil ich im einen Film die Betroffene eines sexuellen Übergriffs spiele, die mit der Geschichte nicht an die Öffentlichkeit mag und die für sich in Ruhe die Erfahrungen verarbeiten möchte. Im anderen bin ich die beste Freundin, die dazu ermuntert, die Geschichte eben nicht auf sich beruhen zu lassen. Insofern habe ich zwei komplett unterschiedliche Rollen gespielt. Hätte ich beide Male das Opfer spielen sollen, hätte ich vermutlich abgesagt, zumindest so kurz hintereinander.

Welche Rolle war für Sie schwieriger: die des Opfers oder die der besten Freundin, die letztendlich ebenfalls hilflos danebensteht?

Das kann ich so nicht beantworten, da die Rollen einfach zu unterschiedlich waren und ich in dem Moment nur versuchen kann, die aktuelle Rolle so gut es geht auszufüllen. Ich kann aber beide Ohnmächte verstehen, also die der Leidtragenden  als auch die der besten Freundin. Die eine versucht sich ihre Würde zu bewahren, indem niemand anderes von dem Vorfall erfährt. Die andere will Gerechtigkeit. Beide Motivationen sind absolut nachvollziehbar. Natürlich ist es sehr schwierig, sich in die Situation eines Vergewaltigungsopfers hineinzuversetzen. Die Szene in Trügerische Sicherheit, in der ich meinem Freund sagen muss, was geschehen ist, das war schon eine große Herausforderung. Aber wir haben alle genug Berührungspunkte mit dem Thema, dass es leider nicht so wirklich weit weg ist. Wir leben alle in einer Gesellschaft, in der solche Übergriffe keine Seltenheit sind.

Sie haben #MeToo schon angesprochen. In Folge der Bewegung wurden solche Übergriffe in der Gesellschaft und den Medien groß thematisiert. Hat sich seither denn auch wirklich etwas verbessert oder blieb es beim bloßen Ansprechen?

Ich hoffe und denke, dass sich etwas geändert hat. Damit meine ich nicht nur das Filmbusiness, sondern alle Bereiche. Trotzdem lassen sich alte Strukturen nicht schnell ändern, man muss geduldig sein, da muss man lange dran arbeiten. #MeToo war ein erster wichtiger Schritt, durch den ich auch selbstbewusster geworden bin und sicherer, Nein sagen zu dürfen. Aber da müssen noch weitere Schritte kommen.

Können Filme bei diesen gesellschaftlichen Veränderungen eine Rolle spielen? Oder sind sie „nur“ ein Spiegel der Gesellschaft?

Ich denke, dass sie beides sind oder zumindest sein können. Es gibt viele Leute, die sich in den Geschichten selbst wiederfinden können. Aber es wird mit Sicherheit auch Leute geben, die sich durch diese fiktionalen Geschichten erst bewusst werden, was da draußen in der Welt geschieht. Insofern denke ich, dass wir als Menschen, die im Filmbereich arbeiten, eine Verantwortung tragen.

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Szene aus „So laut du kannst“: Noch ist die Stimmung gut beim gemeinsamen Auftritt als Hostessen bei einem großen Event. Doch der Abend endet für eine der Frauen mit einer Vergewaltigung. (© ZDF/Marion von der Mehden/Christine Schroeder)

So laut du kannst spricht eine grundsätzliche Schwierigkeit bei solchen sexuellen Übergriffen an: Sie lassen sich kaum beweisen. Oft läuft es dann doch auf Aussage gegen Aussage hinaus. Im Zweifel hat das mutmaßliche Opfer immer das Nachsehen, weil es nichts beweisen kann. Gibt es überhaupt einen Ausweg aus diesem Dilemma?

Da ist wirklich ein Dilemma. Aber ich denke, dass allein schon der Versuch aufzustehen und sich Gehör zu verschaffen, einen Wert hat – vorausgesetzt, man hat die Kraft dafür. Es kann ein heilender Prozess sein, gerade auch die Erkenntnis, dass man sich nicht schämen muss für das, was geschehen ist.

In So laut du kannst will das Opfer Maja die Geschichte begraben, während ihre Freundin Kim sie mehrfach drängt etwas zu unternehmen. Damit riskiert sie sogar ihre Freundschaft. Warum tut sie das?

Für Kim ist Gerechtigkeit ein großer Motor. Sie verliert nur in ihrem blinden Aktionismus den Blick für den eigentlichen Auslöser. Sie vergisst, dass sie Maja helfen wollte, und setzt sich so über sie hinweg. Das ist ein Lernprozess, den Kim durchmacht, und bei dem sie sich bewusst werden muss, was genau sie da eigentlich tut und dass sie selbst übergriffig wird. Die Wahrheit, die man für sich selbst festlegt, muss nicht die Wahrheit des Gegenübers sein. Auch das ist etwas, das wir mit dem Film ausdrücken wollten.

Ist die bessere Freundin die, die einfach nur da ist und die Hand hält, oder die, die solche Situationen in Zukunft zu verhindern versucht?

Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, ich als Opfer wäre froh, wenn meine Freundin erst einmal nur da ist und erst dann aktiv wird, wenn ich dazu bereit bin. Aber sie sollte mich dennoch ermutigen und mir natürlich signalisieren, dass wir aktiv werden können, und sich informieren, was man überhaupt machen kann. Aber sie muss genau zuhören, um sicherzugehen, dass es wirklich ein gemeinsamer Weg ist.

Wie würden Sie allgemein eine gute Freundschaft definieren?

Zuhören und Wahrnehmen sind allgemein sehr wichtig. Bei Freundschaften spielen eigene Interessen immer mit. Aber man muss auch in der Lage sein, sich wie ein Psychologe erst einmal einen Schritt zurückzunehmen. Das geht nicht immer, weil man eben kein distanzierter Psychologe ist, sondern den anderen Menschen liebt.

Eine leichte Frage zum Abschluss: Was sind Ihre nächsten Projekte?

Ich habe in einem Spreewald-Film mitgearbeitet und habe dort eine wundervolle Rolle gespielt, die einer multiplen Persönlichkeit, Ausstrahlungstermin ist der 6. Februar 2023 im ZDF. Das war immens interessant. Außerdem habe ich eine Serie gedreht, die momentan noch den Titel The Seed trägt und wahrscheinlich nächstes Jahr herauskommt. Das wird ein Spektakel, was die Optik angeht. Da geht es um Nahrungsmittelproduktion und ich spiele eine Politikerin, die bei der EU arbeitet.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Friederike Becht wurde am 14. Oktober 1986 in Bad Bergzabern geboren. Von 1994 bis 1996 studierte er in Hamburg Regie. Zu seinen bekannten Filmen zählen das vielfach ausgezeichnete TV-Drama Homevideo und der Kinofilm Sein letztes Rennen mit Dieter Hallervorden.



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