Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes Rapito Kidnapped
© Pandora Film, Foto: Anna Camerlingo

Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes

Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes Rapito Kidnapped
„Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes“ // Deutschland-Start: 16. November 2023 (Kino) // 21. März 2024 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

1858 in Bologna: Der Schock ist groß bei Salomone (Fausto Russo) und Marianna Mortara (Barbara Ronchi), als eines Tages plötzlich die Männer des Papstes vor ihnen stehen und die Herausgabe ihres Sohns Edgardo (Enea Sala) fordern. Grund hierfür ist, dass der jüdische Junge Jahre zuvor während einer Erkrankung heimlich von der Amme Anna Morisi (Aurora Camatti) getauft wurde, weil diese befürchtete, das Kind käme im Todesfall nicht in den Himmel. Für die katholische Kirche steht damit fest, dass er nun Christ ist und als solcher nur von Christen aufgezogen werden darf. Jeder Einspruch ist zwecklos, die Empörung der jüdischen Gemeinde wird ignoriert. Papst Pius IX (Paolo Pierobon), der seine Macht schwinden sieht, nimmt den Jungen sogar mit zu sich nach Rom, um selbst über die katholische Erziehung des Jungen zu wachen …

Kampf der Überzeugungen

Zurzeit lässt sich wieder sehen, wie unter dem Deckmantel der Religion Grausamkeiten verübt werden. Intoleranz lässt sich auf allen Seiten finden. Da ist es irgendwie passend, dass in einer Atmosphäre, in der Antisemitismus wieder Konjunktur hat, gleichzeitig pro-jüdische Bekenntnisse in Wahrheit nur anti-islamisch sind, der Film Die Bologna-Entführung herauskommt. Der wurde natürlich vorher schon gedreht. Er feierte auch bereits ein halbes Jahr zuvor in Cannes im Wettbewerb Premiere. Außerdem behandelt er ein Ereignis, das bereits mehr als anderthalb Jahrhunderte alt ist. Und doch ist das Historiendrama natürlich von einer unbestreitbaren Aktualität, wenn hier über das Leben anderer geurteilt wird, nur weil die einen anderen Glauben haben. Mehr noch, sie werden als minderwertig angesehen.

Wobei es in Die Bologna-Entführung kein Mord und Totschlag gibt. Die Juden werden nicht zusammengetrieben oder weggesperrt. Es geht hier „nur“ um Kindesentführung. Aber auch das hat eine große Emotionalität. Immer wieder zeigt der Film, wie die Eltern verzweifelt versuchen, ihren Sohn zurückzubekommen. Dieser leidet ebenfalls unter der Situation. Er leidet darunter, von seiner Familie getrennt zu sein. Aber er leidet auch darunter, nicht mehr seinem Glauben folgen zu dürfen. So verrät er bei einem Treffen mit den Eltern, streng überwacht natürlich, dass er noch immer heimlich die jüdischen Verse aufsagt. Dass da jemand gegen seinen Willen festgehalten wird, ist klar. Auch wenn es keine körperliche Misshandlung gibt, so fällt das hier sicherlich unter psychischen Missbrauch, wenn Edgardo gleich in mehrfacher Hinsicht seiner Wurzeln beraubt wird.

Religion als Gehirnwäsche?

Interessant ist, wie sich das mit der Zeit ändert. So lernen wir Edgardo auch als jungen Mann kennen, dann von Leonardo Maltese verkörpert. Seine Überzeugungen haben sich inzwischen gewandelt. Nicht nur, dass aus dem jüdischen Jungen ein überzeugter Katholik wurde. Er versucht nun selbst, Ungläubige zum Christentum zu bewegen. Wie es zu diesem starken Wandel kommt, wird nicht verraten. Die Bologna-Entführung macht hier einfach einen großen Zeitsprung. Das ist verständlich, aber auch schade, weil gerade dieses Thema hochspannend ist. Ist der Glauben immer die Folge von dem Umfeld, in dem wir aufwachsen? Ist Religion grundsätzlich eine Form der Gehirnwäsche? Was unterscheidet eine religiöse Erziehung von einer weltlichen?

Ganz so weit geht man hier aber nicht. Regisseur und Co-Autor Marco Bellocchio (Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra) fasst dieses heiße Eisen nicht an und macht stattdessen lieber ein zweites Themenfass auf. So ist der neueste Film des italienischen Altmeisters nicht allein ein Religionsdrama, sondern zugleich ein Zeitporträt. Die Bologna-Entführung beschreibt, wie der Papst an Bedeutung verliert und krampfhaft versucht, irgendwie an der Macht festzuhalten. Der Kampf des Paares um seinen Sohn spielt vor dem Hintergrund eines größeren Kampfes, bei dem es um die Zukunft der katholischen Kirche geht. Das Drama beschreibt eine Gesellschaft mit einer sehr angespannten Atmosphäre, mit Konflikten, die kurz davor stehen, sich gewaltsam zu entladen. Für das Publikum ist das durchaus spannend, da man hier immer das Gefühl hat, kurz vor einem Bürgerkrieg zu stehen, wenn sich die Situation weiter zuspitzt. Parallelen zur Gegenwart mögen nicht beabsichtigt sein. Und doch hat man das Gefühl, dass das hier alles nicht so weit weg ist, wie man es gern hätte.

Credits

OT: „Rapito“
IT: „Kidnapped“
Land: Italien, Frankreich, Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Marco Bellocchio
Drehbuch: Marco Bellocchio, Susanna Nicchiarelli
Musik: Francesco Di Giacomo
Kamera: Sebastian Blenkov
Besetzung: Paolo Pierobon, Fausto Russo Alesi, Barbara Ronchi, Enea Sala, Leonardo Maltese, Filippo Timi, Francesco Giufuni

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Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes
fazit
„Die Bologna-Entführung“ erzählt von einem jüdischen Jungen, der gegen den Willen der Eltern getauft wurde und anschließend von den Männern des Papstes entführt. Der auf einer wahren Geschichte basierende Film befasst sich zum Teil mit dem persönlichen Schicksal, ist zugleich aber auch Zeitporträt um eine katholische Kirche, die um ihren Einfluss kämpft. Das ist spannend, auch wenn grundsätzliche Fragen zur Religion ausgeklammert werden.
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