Ponyherz Wild und frei
© Christine Schroeder / Boris Laewen / Gordon Timpen

Ponyherz – Wild und frei

Ponyherz Wild und frei
„Ponyherz – Wild und frei“ // Deutschland-Start: 24. August 2023 (Kino) // 25. Januar 2024 (DVD / Blu-ray)

Inhalt/Kritik

Die elfjährige Anni (Martha Haberland) wohnt in Hamburg und ist dort eigentlich auch recht zufrieden. Ihre Eltern (Sophie Lutz, Christoph Letkowski) scheinen darauf jedoch keine Rücksicht zu nehmen, schließlich entscheiden sie sich dazu, aufs Land zu ziehen. Im dem Kaff Groß-Hottendorf wollen sie eine Gärtnerei führen. Die bittere Pille wird Anni dadurch versüßt, dass es in der Nähe ja einen Pferdehof gebe. Während Anni mit anderen Menschen eher wenig anfangen kann, sind Pferde ihre Leidenschaft. Sie zeichnet sogar einen eigenen Comic mit einem Pferd als Protagonisten: Ponyherz. Der Start in Groß-Hottendorf ist alles andere als berauschend, Anni findet wenig Anschluss zu ihren neuen Mitschülern, vor allem die anderen Mädchen der Klasse scheinen sie kollektiv zu mobben. Eines Tages begegnet sie im Wald dann aber einem Pferd, das genau die gleiche markante weiße Blesse auf der Stirn hat wie ihre gezeichnete Erfindung. Schnell werden das anmutige Tier und sie zu Freunden. Das von Anni ebenfalls Ponyherz getaufte Pferd ist allerdings keine magische Inkarnation der Comicvorlage, sondern Teil einer Wildpferdherde, welche sich in einem von Graf von Merfeld (Dieter Hallervorden) extra zur Verfügung gestellten Naturschutzgebiet aufhält. Da sich solche Pferde leicht einfangen, mit gefälschten Papieren versehen und verkaufen lassen, treten jedoch bald schon ein paar finstere Gestalten auf den Plan …

Wenig ambitioniert

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Abspann einen verschwindend geringen Einfluss auf die Wahrnehmung des Films seitens des Publikums hat und natürlich fließt das alles auch nicht in die eigentliche Wertung mit ein. Ein schludrig gestalteter Abspann kann jedoch symptomatisch für einen Film sein. So auch bei Ponyherz, wo es einige Fehler im Abspann gibt, die in einem Diktat rot angestrichen worden wären. Gehen und Bleiben etwa hat einen unbedeutenden Tippfehler im Abspann, was außerhalb des hiesigen Kontexts keiner gesonderten Bemerkung bedarf, weil der Film als solcher nicht danach wirkt, als hätten die Macher sich nicht weiter für ihn interessiert. In den Credits von TKKG hingegen wird der Name einer der Hauptfiguren falsch geschrieben, was sich nahtlos in den Gesamteindruck einfügt, welchen das Werk hinterlässt.

Ponyherz ist dann eben auch ähnlich unambitioniert. Zu seiner Verteidigung ließe sich ins Feld führen, dass das quasi systemimmanent ist und mit der Vorlage einhergeht. Die von der österreichischen Autorin Usch Luhn im Jahre 2014 gestartete Ponyherz-Reihe umfasst mittlerweile 21 Bände, hat erst diesen Juli sogar eine Spin-off-Reihe bekommen. Diese Bücher sind nicht unbedingt deshalb erfolgreich, weil sie so gut sind, sondern vor allem weil sie ein bestimmtes Genre bedienen. Kleine Mädchen mögen der Zielgruppe zwar im Laufe der Zeit entwachsen, es ist ja nun aber nicht so, dass davon nicht ständig neue hinzukommen würden. Ob die Bücher beziehungsweise Filme jetzt Wendy, Ostwind oder Hände weg von Mississippi heißen, sie sind im Grunde alle gleich, bedienen bestimmte Erwartungen und arbeiten bestimmte Plotpoints ab, kleiden sich eben nur in andere Gewänder. Eine nennenswerte Ausnahme bildet da Rock my Heart, ebenfalls mit Hallervorden, wenn auch in einer Hauptrolle.

Schlecht genutzte Figuren

Hallervorden und Peter Lohmeyer sind in Ponyherz ziemlich verschwendet. Hallervorden spielt seine Rolle natürlich anschaubar, der ihm zur Seite gestellte Butler (Lucas Tavernier) zieht das Gespann aber ziemlich herunter, was nicht zuletzt an den grausligen Witzen liegt, die für ihn geschrieben wurden (einer davon schlecht aus Spaceballs kopiert). Überhaupt sind abgesehen von den Hauptfiguren die meisten Figuren deutlich unterentwickelt. Nach etwa dreieinhalb Minuten erwähnt Anni im Auto mit ihrer Mutter auf dem Weg zur neuen Heimat einen Lars, dem gegenüber der Umzug wohl auch ungerecht wäre. Da wird sich der ein oder andere Zuschauer wohl fragen: Wer ist dieser Lars? Wer bei der Sichtung in ein paar entscheidenden Momenten kurz die Augen vom Bildschirm wegwandern lässt, für den mag die Identität von Lars auf immer ein Geheimnis bleiben.

Gut, dass wir hier so genau hinschauen: Lars ist Annis kleiner Bruder, der über den gesamten Film verteilt vielleicht neunzig Sekunden lang zu sehen ist und vermutlich keine dreißig Worte spricht. Kann ja sein, dass es den Bruder in der Vorlage gibt, und vielleicht hat er dort ebenfalls keine Funktion. Rein filmisch gibt es für den Charakter jedenfalls keinen Grund, hier mit von der Partie zu sein. Die zwei Gehilfen des Bösewichts sowie zwei Dorfpolizisten erscheinen eher wie Karikaturen von Karikaturen und nicht wie richtige Figuren. Das soll wohl irgendwie humoristisch sein, doch selbst die anvisierte Zielgruppe dürfte zu alt sein, um das wirklich witzig zu finden.

Unbeantwortete Fragen

Die Filmographie von Markus Dietrich weist abgesehen vom unterschätzten Fernsehfilm Prinz Himmelblau und Fee Lupine keine Highlights auf, ihn jedoch als etablierten Kinderfilmregisseur (Die Mucklas …und wie sie zu Pettersson und Findus kamen, Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar) aus. Gemeinsam mit Peter Freund adaptierte er Luhns Vorlage. Es lässt sich hier nicht feststellen, ob so manche fragwürdige Szene im Original existierte oder extra für den Film geschrieben wurde. Als Anni ihren ersten Tag in der neuen Schule antritt, gerät sie im Beisein von Klassenkamerad Lorenz (Franz Krause) mit der etablierten Mädchenclique ihrer Klasse in eine verbale Auseinandersetzung. Eines der Mädchen macht sich über ihren vermeintlichen Knutschfleck am Hals lustig, woraufhin Anni entgegnet: „Na und? Dann haben wir eben die ganze Nacht geknutscht. Hast du ein Problem damit, du Tussi?“

Das ist in dem Rahmen sicher ein passabler Konter, warum er die gerade das Klassenzimmer betretende Lehrerin dazu veranlasst, mit einem „Ey?! Hallo?! So was will ich hier nicht hören, hast du das verstanden?“ zu reagieren, bleibt allerdings unklar. Genau so wie der Ausgangspunkt der Konversation: Anni hat ja nun offensichtlich nicht die ganze Nacht mit Lorenz herumgeknuscht, also woher kommt die dunkle Stelle am Hals? Die Szene wird auch nie wieder aufgegriffen. Ebensowenig unbeantwortet bleibt die Frage, die Anni nach etwa einer Viertelstunde in den Raum stellt: Das Pferd Ponyherz hat Angst vor Wasser, aber warum? Die Angst an sich hat wenigstens noch eine gewisse Relevanz, aber ohne sie wäre auch nicht viel verloren gegangen.

Hat das Drehbuch Schuld?

Auch sonstige Mobbingszenen sind so seltsam. Die Clique bekommt eine von Anni gezeichnete Comicseite in die Hände und macht sich darüber lustig. Woher sie die haben? Das fragt Anni sie auch. Sowohl die Clique als auch der Film bleiben die Antwort schuldig. Später sitzt Anni alleine mit geschlossenen Augen und Kopfhörern auf dem Boden des Duschraums, als die anderen Mädchen sich gezielt ebenfalls dorthin begeben. Sie durchqueren die Umkleidekabine, aber suchen jedoch nicht erst, sondern wissen anscheinend ganz genau, wo Anni ist. Woher? Wie konnten sie das wissen, wenn sie selbst zuvor doch im Freien waren? Von außen ließe sich ja nur beobachten, dass Anni die Umkleide betritt. Auch der Plan der Mädchen zeugt davon, dass sie mit Vorsatz direkt in die Dusche gingen: Die Anführerin der Clique betätigt den Startknopf der Dusche, unter welcher Anni sitzt, während die anderen die Sache mit ihren Handys filmen.

Ob inhaltliche Mängel auf das ursprüngliche Drehbuch zurückzuführen sind oder beim Dreh entstanden sind, lässt sich natürlich für Außenstehende kaum beurteilen. Analog sollen Dietrich und Freund daher hier nicht allzu sehr in die Mangel genommen werden, da Ponyherz den Eindruck erweckt, als wären die 100 Minuten Laufzeit die um 20 Minuten gekürzte Verfilmung eines 120-seitigen Drehbuches (Faustregel: eine Drehbuchseite = eine Filmminute, auch wenn es letzten Endes die Aufgabe des Autoren ist, dass diese Formel auch aufgeht). Ein weiteres Indiz für nicht verwendete Szenen findet sich im Abspann, der ein Double für Lars listet. Da dieser aber weder mit Pferden in Berührung kommt noch wie aufgezeigt so lange zu sehen ist als dass Kinderschutzrechte die Dreharbeiten behindert hätten wenn es kein Double gegeben hätte, muss da doch irgendwie noch mehr gewesen sein. Wer weiß, welche Szenen auf dem Boden des Schneideraums liegen geblieben sein mögen, die einige der hier vorgebrachten Anmerkungen egalisieren könnten, so unwahrscheinlich das auch wirken mag.

Kompetent in Szene gesetzte Reitszenen

Eine Stuntszene, als Anni ein auf einem Stuhl sitzendes Mädchen umschubst, ist geradezu lächerlich schlecht geschnitten (ganz abgesehen davon, dass die Sitzordnung der Schüler geändert wurde, nur um sie zu ermöglichen), aber damit können wir endlich zu den positiven Punkten von Ponyherz überleiten. Wenn wir davon ausgehen, dass die Kinderdarsteller für Reitszenen gedoublet beziehungsweise auf Fakepferde gesetzt wurden, dann sind diese hervorragend und überaus kompetent inszeniert. Die zugrundeliegende Story ist sicher nicht weltbewegend, aber innerhalb des Subgenres doch schon einigermaßen solide. Während die Hauptdarstellerin sichtlich damit zu kämpfen hat, dass die von ihr gespielte Figur die längste Zeit unsympathisch ist, wirkt vor allem Felizia Trube als eine ihrer Klassenkameradinnen vielversprechend.

Credits

OT: „Ponyherz“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Markus Dietrich
Drehbuch: Peter Freund, Markus Dietrich
Vorlage: Usch Luhn
Musik: Eloi Ragot
Kamera: Leah Striker
Besetzung: Martha Haberland, Anandi Amram, Sophie Lutz, Franz Krause, Peter Lohmeyer, Levi Drozd, Christoph Letkowski, Felizia Trube, Catharina Slevogi, Tara Sophie Köther, Amely Trinks, Nilam Farooq, Lucas Tavernier, Dieter Hallervorden

Bilder

Trailer

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Ponyherz – Wild und frei
Fazit
Das Drehbuch von "Ponyherz" hat viele Probleme, welche bei der anvisierten Zielgruppe aber wahrscheinlich eher keine Rolle spielen. Selbst diese wird dem Humor des Films jedoch bereits entwachsen sein. Ein paar gelungene Pferdeszenen verleiten trotzdem zu einer vorsichtigen Empfehlung für ein junges weibliches Publikum.
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