Der Roman von Alexandre Dumas ist einer der großen Klassiker der französischen Literaturgeschichte, mit Der Graf von Monte Christo startet am 23. Januar 2025 eine neue Adaption. Darin lernt das Publikum den jungen Seemann Edmond Dantès (Pierre Niney) kennen, der Opfer einer Verschwörung wird und unschuldig in ein berüchtigtes Gefängnis auf einer Insel gesperrt wird. Später gelingt es ihm jedoch nach jahrelanger Arbeit, aus diesem zu entkommen. Dabei geht es ihm nicht nur darum, wieder die Freiheit zu genießen. Er will sich zugleich an den Männern rächen, die ihm das angetan haben. Wir haben uns im Rahmen der Französischen Filmwoche 2024 mit Matthieu Delaporte unterhalten, der gemeinsam mit Alexandre de La Patellière Regie geführt hat.
Der Graf von Monte Christo wurde schon viele Male adaptiert, letztes Jahr kam neben Ihrem Film auch eine Serie heraus. Warum wollten Sie dennoch eine eigene Fassung des bekannten Stoffes drehen?
Der Graf von Monte Christo ist ein Klassiker, vergleichbar zu den Stücken von Shakespeare und Molière. Im Theater ist es ganz normal, dass wir dort immer wieder dieselben Stücke von denselben Autoren sehen. Genauso ist es für uns normal, dass wir immer wieder dieselben Bücher lesen. Da ist es natürlich, dass diese Bücher auch immer wieder verfilmt werden. Hinzu kommt, dass die ja nicht alle gleich sind. Da hat jeder seine eigene Vision. Die Adaptionen sind oft auch ein Spiegel ihrer Zeit. Die erste Adaption von Der Graf von Monte Christo war vor einhundert Jahren. Da ist es klar, dass die anders ist als die späteren. Wenn Sie sich die ganzen Adaptionen anschauen, die danach entstanden sind, in den 1930ern, den 1940ern usw., dann sind die immer aus ihrer speziellen Zeit heraus entstanden. Außerdem kann es eine Herausforderung sein, wenn ein Stoff so oft verfilmt wurde, weil du versuchst, die allerbeste Version zu haben. Eine Version, die so gut ist, dass sie alle anderen abschreckt, es selbst zu versuchen. Aber wir sind uns natürlich bewusst, dass es auch nach uns noch andere Adaptionen geben wird.
Was waren denn für Sie die besonderen Herausforderungen bei Ihrer Version?
Der Graf von Monte Christo ist ein großartiges Buch, das sich sehr liebe. Es ist sehr episch und es passiert wahnsinnig viel. Der Roman handelt von ganz universellen Themen wie Rache und berührt einen. Gleichzeitig ist es auch sehr intim, weil nur relativ wenige Figuren darin auftauchen. Diese Balance aus dem Epischen und dem Intimen zu schaffen, das war schon eine Herausforderung. Wenn wir Actionszenen gedreht haben, dann sollten die nicht allein der Action wegen drin sein. Das hätte uns gar nicht interessiert. Uns war das Menschliche sehr wichtig, weil es das ist, was für das Publikum zählt. Es will berührt werden von der Geschichte. Außerdem sollte der Film natürlich auch unterhaltsam sein. Wir wollten an die großen epischen Filme wie Titanic oder Der mit dem Wolf tanzt anknüpfen, die so selbst in Hollywood nicht mehr gedreht werden. Solche Filme gibt es heute nicht mehr. Heute hast du nur noch Marvel und solche Sachen. Dabei glaube ich fest, dass sie noch immer ein Publikum haben. Es liegt nicht am mangelnden Interesse, wenn sie nicht mehr gedreht werden. Das hat allein wirtschaftliche Gründe. Niemand will mehr das Risiko eingehen.
Für Sie hat sich das Risiko ausgezahlt, der Film hat in Frankreich mehr als neun Millionen Menschen in die Kinos gelockt. Vorher waren Sie als Drehbuchautor an Die drei Musketiere: D’Artagnan und Die drei Musketiere: Milady beteiligt, die ebenfalls Bücher von Dumas adaptieren. In Frankreich waren die auch sehr erfolgreich, aber bei weitem nicht auf dem Niveau von Der Graf von Monte Christo. Woran liegt es, dass der Graf noch einmal so viel populärer ist als die Musketiere?
Es ist immer ein bisschen schwierig zu sagen, was die Gründe sind für Erfolg und Misserfolg. Eigentlich will ich die Filme auch nicht miteinander vergleichen, weil ich die Musketiere nicht selbst inszeniert habe, sondern ein Freund von mir. Ich denke aber schon, dass die Geschichte von Monte Christo zugänglicher und zeitloser ist. Die Musketiere beschreiben eine spezifische Epoche, während Monte Christo eine Geschichte erzählt, die aus der Zeit gefallen ist. Sie handelt von einem Mann, der alles verloren hat: sein Leben, seine Liebste, seinen Vater. Seither ist er getrieben von Rache, ein bisschen wie bei Gladiator. Dieses Motiv ist sehr beliebt, weil es losgelöst von Epochen funktioniert und ein sehr menschliches Gefühl ist. Das haben wir mit einer romantischen Geschichte verbunden. Wir leben heute in einer sehr materialistischen Welt und die Menschen haben das Bedürfnis nach Gefühlen.
Sie und Ihr Partner Alexandre de La Patellière haben zuvor auch schon sehr erfolgreich an Titeln wie Der Vorname und Das Beste kommt noch – Le meilleur reste à venir gearbeitet. Das waren ganz andere Filme als Der Graf von Monte Christo. Was ist Ihnen wichtig bei der Auswahl eines Stoffes?
Alexandre und ich folgen keinen Regeln. Wir versuchen das zu machen, was uns persönlich interessiert. Das können Komödien sein wie Der Vorname oder Mama gegen Papa, aber eben auch große Bücher wie die Musketiere und Monte Christo. Das Problem bei den großen Filmen ist jedoch, dass sie so viel Geld kosten. Als die Musketiere so erfolgreich waren, wurden wir vom Studio gefragt, was wir als Nächstes machen wollen. Und wir haben mit Monte Christo geantwortet, weil das eins unserer absoluten Lieblingsbücher ist. Orson Welles hat einmal gesagt, dass man zum Schreiben einen Stift braucht, für einen Film eine ganze Armee. Insofern sind wir bei der Auswahl immer darauf angewiesen, dass wir auch die Möglichkeit haben, unsere Wünsche umzusetzen.

Sie erwähnten vorhin, dass der Film sich auf einige wenige Figuren konzentriert. Umso wichtiger ist es natürlich, für diese die richtige Besetzung zu finden. Warum haben Sie für die Titelfigur Pierre Niney ausgewählt? Was zeichnet ihn für Sie aus?
Das stimmt. So wie du bei Cyrano de Bergerac den idealen Cyrano finden musst, brauchst du bei Monte Christo den idealen Edmond Dantès. Für uns stand von vornherein fest, dass Pierre Niney die Hauptrolle spielen muss. Das war für uns sogar eine Bedingung, diesen Film zu drehen. Sonst hätten wir das nicht gemacht. Für uns ist er der beste Schauspieler seiner Generation. Er kommt vom Theater, von der Comédie Française, und ist ein Chamäleon. Er kann wirklich alles spielen, was du auch bei Der Graf von Monte Christo brauchst. Wir haben früh entschieden, dass wir einen Schauspieler wollten für die beiden Zeitepochen, also für den 20-jährigen Edmond zu Beginn wie auch den 40-jährigen am Ende. Pierre Niney liegt mit seinen 35 Jahren dazwischen. Am Anfang mussten wir ihn daher etwas verjüngen, am Ende dafür etwas altern lassen. Außerdem musste er fünf bis sechs Rollen spielen, wenn sich Edmond als jemand anderes ausgibt. Dafür brauchst du jemanden, der sehr wandelbar ist. Wir waren deshalb sehr froh, dass er sofort zugesagt hat. Beim Rest der Besetzung hatten wir völlig freie Wahl und konnten all unsere Lieblingsschauspieler nehmen, egal, ob sie vom Theater kommen, vom Kino oder vom Fernsehen.
Letztes Jahr war ein sehr starkes für das französische Kino. Was ist schon normal? sahen mehr als zehn Millionen Menschen, Der Graf von Monte Christo mehr als neun Millionen, Beating Hearts hat fast fünf Millionen geschafft. Stehen goldene Zeiten für französische Filmschaffende an?
Das war ein unglaublicher Erfolg, ja. Das letzte Mal, dass drei französische Filme in einem Jahr mehr als vier Millionen geschafft haben, liegt 50 Jahre zurück. Dabei sind das drei sehr unterschiedliche Filme. Was ist schon normal? ist eine Komödie, aber eine ganz andere als die, die sonst Erfolge feierten. Die beiden anderen sind große Filme mit großen Bildern, die auch wirklich fürs Kino gedreht wurden. Und ich denke, dass das Publikum das auch zu schätzen weiß, weil es selbst die vielen Filme leid ist, die immer wieder dasselbe erzählen und gleich aussehen. Deswegen hoffe ich, dass der Erfolg der drei Filme anderen Mut machen wird, wieder Risiken einzugehen und eigene Geschichten erzählen zu wollen. Das Kino braucht solche Filme, wenn es weiter bestehen will.
Vielen Dank für das Gespräch!
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