Der Lehrer der uns das Meer versprach El maestro que prometió el mar
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Der Lehrer, der uns das Meer versprach

Der Lehrer der uns das Meer versprach El maestro que prometió el mar
„Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ // Deutschland-Start: 6. Februar 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Spanien im Jahr 1935. Antoni Benaiges (Enric Auquer) tritt in einem kleinen Dorf der Provinz Burgos eine Stelle als Lehrer an. Er steht im Dienst der neuen, frei gewählten republikanischen Regierung, die seinen Vorgänger, den Dorf-Priester (Milo Taboada), als Pädagogen abgesetzt hatte. Antoni ist nicht nur politisch ein Revolutionär, er krempelt auch den Schulunterricht komplett um. Während er damit die Herzen der Kinder erobert, bringt er konservative Eltern sowie den Bürgermeister gegen sich auf. 75 Jahre später: Die junge Mutter Ariadna (Laia Costa) erfährt, dass ihr Großvater eine Suchanfrage bei Freiwilligen gestellt hat, die Massengräber aus der Zeit der Franco-Diktatur ausheben. Aus diesen beiden Erzählsträngen flicht Regisseurin Patricia Font ein spannendes Drama über den fundamentalen Gegensatz zwischen Demokratie und Faschismus. Und über eine reformpädagogische Bewegung, die vor allem im romanischen Sprachraum bekannt ist.

Die Magie der Druckerpresse

„Morgen wird gezaubert“ hatte Antoni den Kindern versprochen, die sich zunächst nur spärlich bei ihm einfanden. Sie sollten es allen anderen erzählen, deren streng katholische Eltern große Vorbehalte gegen den Atheisten hegen. Tatsächlich sind die Reihen der kleinen Dorfschule am Folgetag prall gefüllt. Aber wo bleibt das Abrakadabra? Wo der Hase, der aus dem Zylinder hüpft? Stattdessen lüftet Antoni nur die Abdeckung eines Apparats, den man mit Buchstaben bestückt. Zum Beispiel die von „Bañuelos de Bureba“, dem Namen des Dorfes. Der Lehrer lässt die Kinder mit den Lettern einen Rahmen bestücken, zeigt ihnen, wie man die Tinte aufträgt. Und dann folgt tatsächlich der magische Moment. Die Münder stehen offen, der Raum hellt sich auf und die Kinderaugen glänzen, als Antoni das Papier aus der einfachen kleinen Druckerpresse zieht. Drucken ist ein zentrales Element der in Frankreich entstandenen Freinet-Pädagogik. Mit der Presse stellen die Kinder eigene Hefte her, in denen sie die Ergebnisse ihrer Neugier an selbst gewählten Themen durch Texte und Zeichnungen in einem selbst gefertigten Produkt festhalten. Zum Anfassen, Durchblättern und Mit-Nach-Hause-Nehmen.

Wo vorher das Dunkel der „schwarzen“, auf Prügel und Duckmäusertum beruhenden Pädagogik herrschte, zieht nun eine fröhliche, ans Licht drängende, freie Entfaltung der kindlichen Persönlichkeit ins Klassenzimmer ein, basierend auf individuellen Wünschen und Neigungen. Das ist der eine, warmherzig und mit viel Sympathie entfaltete Teil der Handlung. Er geht einher mit einem neu erwachten filmischen Interesse an alternativen Lernmethoden, wie es sich etwa in Radical – Eine Klasse für sich (2024) von Christopher Zalla zeigte. Oder im zwei Wochen vorher gestarteten Maria Montessori von Léa Todorov. Der andere Zweig der Erzählung weist auf ein Thema, das Pedro Almodóvar in Parallele Mütter (2021) nur angerissen hatte: Seit dem Jahr 2000 versuchen ehrenamtliche Initiativen, den faschistischen Terror der Franco-Diktatur dem Schweigen zu entreißen. Sie graben die Massengräber aus, in denen Anhänger der blutig niedergeschlagenen Republik verscharrt wurden. Bislang wurden die sterblichen Überreste von etwa 12.000 Menschen exhumiert, um ihnen die letzte Ehre einer eigenen Grabstätte zu erweisen – und den Nachfahren der damals spurlos Verschwundenen einen Ort des Andenkens zu geben.

Mit feinen Strichen

Regisseurin Patricia Font und ihr Drehbuchautor Albert Val erfinden bei der Adaption des Romans „El maestro que prometió el mar” von Francesc Escribano das Genre des Historiendramas nicht neu. Aber die Figurenzeichnung und die visuelle Gestaltung verraten große Feinfühligkeit und die Liebe zu leisen Tönen. Vielleicht gerät deshalb die Fallhöhe zwischen der Brutalität der Faschisten und dem humanistischen Ideal des Lehrers so ergreifend, ohne dabei ins Pathos abzugleiten oder sich in sentimentalen Fallstricken zu verheddern. Hier wird ein – leider wieder aktuelles – Zeitbild eher hingetupft als mit dicken Strichen aufgetragen.

Das gilt auch für das brisante Thema, inwiefern das Schweigen von Tätern und Opfern auch noch die dritte oder vierte Generation belastet. Auch das ist derzeit im Kino recht präsent, etwa in Treasure – Familie ist ein fremdes Land von Julia von Heinz. Ariadna – die Figur mit dem sprechenden, auf den Faden im mythischen Labyrinth verweisenden Namen – steckt in einer nicht weiter ausformulierten Krise. Aber so wie sich das Leben der Kinder aufhellt, als Antoni in ihrem Dorf auftaucht, so gewinnt auch der Alltag der jungen Mutter einen Sinn, wenn sie den historischen Fäden nachgeht, die ihr eigenes Leben wie einen Kokon umschlungen haben. Der Film muss diese Interpretation gar nicht ausbuchstabieren. Sie schwingt einfach mit – in den Farben, dem Licht, den Gesichtern.

Credits

OT: „El maestro que prometió el mar“
Land: Spanien
Jahr: 2023
Regie: Patricia Font
Drehbuch: Albert Val
Vorlage: Francesc Escribano
Musik: Natasha Arizu
Kamera: David Valldepérez
Besetzung: Enric Auquer, Laia Costa, Luisa Gavasa, Ramón Agirre, Gael Aparicio, Alba Hermoso, Nicolás Calvo, Antonio Mora, Milo Taboada, Jorge da Rocha, Edu Ferrés

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Der Lehrer, der uns das Meer versprach
fazit
„Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ erzählt einmal mehr von einem Pädagogen, wie ihn sich wohl viele in ihrer Jugend gewünscht hätten. Regisseurin Patricia Font verknüpft ihren kleinen Streifzug in die Freinet-Pädagogik dramaturgisch fesselnd mit der Aufarbeitung des spanischen Faschismus. Ihr anrührendes Drama sei allen empfohlen, die sich heute wieder eine harte Hand und eine autoritäre Führung wünschen.
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