Nine Days
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Nine Days

Nine Days
„Nine Days“ // Deutschland-Start: 31. Oktober 2023 (Netflix)

Inhalt / Kritik

Zurückgezogen führt Will (Winston Duke) ein bescheidenes Leben in einem Haus inmitten einer Wüste. Dort geht er einer ebenso wichtigen wie schwierigen Aufgabe nach: Unterstützt von Kyo (Benedict Wong) soll er mehrere Seelen befragen und eine davon aussuchen, die demnächst im Körper eines Menschen geboren wird. Die Wahl ist auch deshalb von großer Bedeutung, da die zurückgewiesenen Seelen im Anschluss ausgelöscht werden. Neun Tage hat Will, um unter den verschiedenen Kandidaten und Kandidatinnen zu wählen, unter anderem sind dieses Mal Emma (Zazie Beetz), Alexander (Tony Hale) und Kane (Bill Skarsgård) in der engeren Wahl. Leicht ist diese nicht, zumal Will in Gedanken oft woanders ist. Schließlich hat Amanda (Lisa Starrett) Selbstmord begangen, eine der Seelen, die er zuvor ausgesucht hatte – was ihm ziemlich nahe geht …

Das Leben vor dem Leben

Gibt es so etwas wie eine Seele? Etwas, das losgelöst von unserem Körper existiert und unsere Essenz ausmacht? Dieser Frage sind die Menschen schon immer nachgegangen, sei es in philosophischen oder religiösen Diskursen. Und auch Künstler und Künstlerinnen sind von dieser Idee fasziniert und beteiligen sich auf ihre Weise an den Spekulationen. Im Filmbereich gab es da beispielsweise das Pixar-Meisterwerk Soul, wo die Seele eines Verstorbenen zurück auf die Erde will, um seinen Traum zu erfüllen. Pandemonium wiederum folgte einem Verstorbenen in die Hölle, wo er sich mit seiner Vergangenheit und der von anderen auseinandersetzt. Auch After Life vom großen japanischen Regisseur Hirokazu Koreeda befasste sich mit dem Thema und erzählte von gestorbenen Menschen, die eine besonders ans Herz gewachsene Erinnerung mit ins Jenseits nehmen dürfen. Einen ähnlich melancholisch-nachdenklichen Ton schlägt auch Nine Days an.

Wobei es einen großen Unterschied gibt: Während die drei obigen Beispiele alle davon sprachen, was mit der Seele nach dem Tod geschieht, geht es hier um das Gegenteil. Regisseur und Drehbuchautor Edson Oda befasst sich mit der Vorgeschichte, dem Leben vor dem Leben. Das Konzept ist faszinierend, zumal der brasilianische Filmemacher mit japanischen Wurzeln diese Idee mit einer Art Job-Interview verbindet. Nur die beste Seele soll in einem Menschen geboren werden. Aber was heißt beste Seele? Worauf kommt es dabei an? Das sind bei Nine Days Fragen, die nicht nur die Interviewten stellen. Auch das Publikum daheim darf dabei viel grübeln oder besser noch diskutieren. Beispielsweise geht es in einer Szene darum, ob Optimismus oder Pessimismus besser auf ein Dasein als Mensch vorbereiten.

Lebensbejahend und tieftraurig

Antworten braucht man von Oda nicht zu erhoffen, weder auf diese Grundsatzfragen noch zum Szenario. So wird in dem Fantasy-Drama vieles nie erklärt. Woher kommen die Seelen eigentlich? Weshalb soll Will diese Seelen beurteilen? Wie kommt es, dass ausgerechnet der Protagonist, der früher einmal selbst gelebt hat, diese Entscheidung treffen darf? Wer diese Form von Erklärung braucht, ist bei Nine Days falsch. Es geht hier mehr um was-wäre-wenn-Überlegungen sowie eine allgemeine Beschäftigung mit dem Thema Leben, weniger um ein konkretes und nachvollziehbares Szenario. Das wird manche frustrieren. Auch Langeweile könnte die Reaktion sein, da in dem Film eigentlich nicht viel geschieht. Zwei Stunden lang sitzen die Figuren zusammen oder schauen sich auf Bildschirmen das Leben der Seelen an, die Will zuvor angenommen hatte.

Wer sich jedoch auf dieses sonderbare Szenario einlassen kann und eine Neigung zum Grübeln mitbringt, für den ist das hier jedoch ein echter Geheimtipp. Das Drama, das 2020 beim Sundance Film Festival Premiere feierte, ist ein Film, der gleichzeitig lebensbejahend und tieftraurig ist. Der die Abgründe des menschlichen Daseins beleuchtet, aber auch die Schönheit des Moments erkennt. Das geht zu Herzen, ohne sich auf dramatische Zuspitzungen, Kitsch oder manipulative Musik zu verlassen. Stattdessen begnügt sich Nine Days damit, die Menschen in ihren Facetten zu zeigen, bereits existierende wie potenzielle, und damit das Menschsein als solches zu untersuchen.

Credits

OT: „Nine Days“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Edson Oda
Drehbuch: Edson Oda
Musik: Antônio Pinto
Kamera: Wyatt Garfield
Besetzung: Winston Duke, Zazie Beetz, Benedict Wong, Tony Hale, Bill Skarsgård, David Rysdahl, Arianna Ortiz

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Film Independent Spirit Awards 2021 Bester Debütfilm Nominiert
Bester Nebendarsteller Benedict Wong Nominiert

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Nine Days
fazit
Filme über das Leben nach dem Tod gibt es einige. Bei „Nine Days“ steht das Leben vor dem Leben auf dem Programm. Das Fantasy-Drama um einen Mann, der Seelen für die Geburt aussucht, verzichtet auf Erklärungen oder viele Antworten. Stattdessen werden umso mehr existenzielle Fragen gestellt. Das Ergebnis wird vielen wohl zu versponnen sein. Wer sich aber darauf einlassen kann, findet hier einen zutiefst menschlichen Film, der gleichermaßen lebensbejahend wie tieftraurig ist.
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