Regisseur Tommy Wirkola (Foto: Alen Grujic)

Tommy Wirkola [Interview]

Tommy Wirkola ist ein international bekannter, norwegischer Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Schauspieler. Schon mit seinen ersten Projekten bewies er seine Vorliebe für den Genrefilm, speziell den Horrorfilm, wobei die frühen Werke von Filmemachern wie Peter Jackson oder Sam Raimi einen großen Einfluss auf den Norweger hatten. Diesen sieht man schon in Wirkolas Dead Snow, einer Horrorkomödie um eine Horde untoter Nazis, die durch einen Unfall zum Leben erweckt werden und auf Menschenjagd gehen. Auch die Fortsetzung Dead Snow: Read vs. Dead konnte Horrorfans überzeugen und ebnete den Weg für eine internationale Karriere. Diese startete mit Projekten wie Hänsel und Gretel: Hexenjäger und setzte sich fort mit What Happened to Monday? und The Trip – Ein mörderisches Wochenende.

Mit Violent Night, der in Deutschland, passend zur Weihnachtszeit, Ende 2022 in den Kinos anlief, bleibt Wirkola seiner Vorliebe treu, eine bekannte Geschichte oder Figur zu nehmen und einen modernen Ansatz zu wählen. Prominent besetzt, mit David Harbour als Santa Claus und John Leguizamo als sein Gegenspieler, ist Violent Night nicht nur ein waschechter Weihnachtsfilm, sondern geizt auch nicht mit zahlreichen Anspielungen auf andere Weihnachtsfilme wie Stirb langsam oder Kevin – Allein zu Haus.

Anlässlich des Heimkinostarts von Violent Night am 16. Februar 2023 spricht Wirkola im Interview über die Dreharbeiten, die Mischung von Action und Humor sowie Weihnachten in seiner norwegischen Heimat

Ich hab irgendwo gelesen, dass du mit deiner Familie planst, wieder zurück nach Norwegen zu ziehen. Was sind deine Erinnerungen an deine Heimat und ganz besonders an die Weihnachtsfeste dort?

Das Weihnachtsfest in Norwegen ist einfach unvergleichlich. Egal, ob ich gerade beruflich in Australien oder in den USA zu tun habe, meine Familie und ich reisen für die Weihnachtstage immer nach Norwegen, weil es einfach etwas ganz Besonderes ist, wie diese dort gefeiert werden. Da ich im Norden des Landes aufwuchs, wo um diese Zeit nicht nur eisige Temperaturen herrschen, sondern auch sehr viel Schnee liegt, hat man schon bei der Ankunft die passende Kulisse und Atmosphäre für die Festtage. Ganz besonders freut es mich, meinem Sohn Weihnachten zu zeigen, so wie ich es in seinem Alter erlebt habe. Außerdem gibt es in Norwegen an Festtagen Rentier, was in den USA sicherlich verpönt wäre. (lacht)

Ich habe gehört, dass Schöne Bescherung auch zum festen Teil deines Weihnachtsprogramms gehörte oder immer noch gehört.

Es ist schon etwas her, seit ich Schöne Bescherung zum letzten Mal gesehen habe oder irgendeinen der anderen Filme, die man traditionell mit Weihnachten in Verbindung bringt. Doch sie gehören für mich zu dieser Zeit dazu und ich freue mich schon darauf, sie mit meinem Sohn anzuschauen, wenn er einmal alt genug ist.

Die Version von Santa Claus, die wir in Violent Night sehen, ist eine Mischung aus dem Nikolaus, wie wir ihn kennen, und einem Actionhelden. Wie kommt man auf diese Mischung und was gehört dazu, dass man dem, für das Santa Claus steht, treu bleibt inmitten von Kugelhagel und Prügeleien?

Das war in der Tat die größte Herausforderung bei diesem Projekt. Als ich das Skript zu Violent Night zum ersten Mal las, bemerkte ich natürlich die Actionszenen, das Gemetzel und die lustigen Sprüche, was mich sofort für die Geschichte einnahm. Doch deren Herz ist diese Figur und die Gefühle, die man mit Santa Claus verbindet, was ich unbedingt beibehalten wollte.

Eine der Inspirationen für uns waren Filme wie Bad Santa mit Billy Bob Thornton. Das ist eine sehr derbe Komödie, die sehr düster wird an vielen Stellen, aber dennoch unmissverständlich ein Weihnachtsfilm ist. Dies war auch Gegenstand meiner Diskussionen mit Darsteller David Harbour, als klar war, dass er die Rolle von Santa Claus spielen würde. Natürlich gibt es die Möglichkeit, die Figur als Actionhelden zu spielen oder als eine Art Karikatur, jedoch entschieden wir uns dafür, dass David seine Figur sehr ernst spielen sollte. Er hat seine Heldenmomente und seine lustigen Szenen, doch das diese so gut funktionieren, hat damit zu tun, dass er die Figur ernst nimmt.

Hinzu kommt, dass wir uns über die Verwandlung unterhalten haben, die seine Figur in Violent Night durchmacht. Am Anfang ist er der Nikolaus, wie man ihn kennt, durch seine Leibesfülle und seine Accessoires, wie die Nickelbrille und den schneeweißen Bart, doch im Verlaufe der Handlung verliert er viel von dem, was sein Äußeres ausmacht, und er wird zu einem veränderten Mann. In den ersten Minuten ist er noch ein gebrochener Mann, der schon nicht mehr an die Werte, die man mit Weihnachten verbindet, glaubt, jedoch werden ihn die Ereignisse dieser einen Nacht zu jemand anderem machen.

Man kann sich eigentlich schon nach den ersten Minuten niemand anderen als David Harbour als Santa vorstellen, wobei ich gehört habe, dass sein Engagement für die Rolle sehr weit ging. Kannst du was zu diesem Punkt sagen?

David hatte vorher einen Film gemacht, in dem er dünn sein musste. Für Violent Night musste er nicht nur zunehmen, sondern sich zudem auf die Actionszenen vorbereiten, die ihm einiges abverlangen. Das ist ein sehr zeitintensiver und körperlich anstrengender Prozess gewesen, doch David hat durchgehalten und sich mit vollem Einsatz in die Trainingseinheiten gestürzt, wie man an den Videos zu seiner Vorbereitung sehen kann. Nicht nur ging er mit einem Coach die einzelnen Kämpfe durch, er trug dabei auch den Bart und das Kostüm Santas, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie diese seine Bewegungen beeinflussen.

Besonders im Film ist auch die Verbindung von David Harbours Figur zu der von Leah Bradley.

Das ist der zweite Aspekt von Violent Night, der herausfordernd war und von dem wir wollten, dass er auf jeden Fall funktioniert und glaubhaft ist. Die Geschichte zwischen Santa und diesem Kind ist inmitten der Action und der Brutalität etwas, zu dem wir immer wieder zurückkehren und beobachten, wie sich die beiden Figuren entwickelt haben, nicht zuletzt wegen ihrer Verbindung zueinander.

Leah und David haben viele Stunden lang ihren Dialog geübt und improvisiert, teilweise sogar mit dem Walkie-Talkie, über das ihre Figuren miteinander kommunizieren. Sie haben ein  Gefühl dafür entwickelt, welche Szenen besonders gut funktionieren, was lustig ist und was ein Moment ist, der vielleicht sogar berühren könnte.

An deinem Filmen, von dem ersten Dead Snow bis hin zu Violent Night, schätze ich sehr, wie du es schaffst, eine Balance zwischen Horror oder Action und Humor zu treffen. Hast du da so etwas wie ein Rezept? Warum sehen wir das eigentlich nicht viel öfter in Hollywood-Filmen?

Das ist eine gute Frage, aber eine wirklich befriedigende Antwort habe ich leider nicht auf Lager. Meine Leidenschaft für Filme ist in erster Linie geprägt von den frühen Werken Sam Raimis oder Peter Jacksons, insbesondere Braindead und Tanz der Teufel 2 – Jetzt wird noch mehr getanzt. Es ist schade, dass Horror, Action und Humor nicht viel häufiger miteinander vermischt werden, wie es in diesen Filmen der Fall ist. Wenn das passierte, traf es mich als Zuschauer immer sehr unerwartet, was genau der Effekt ist, auf den ich hinauswollte in Dead Snow oder jetzt in Violent Night.

Es gibt einen Moment in Dead Snow: Red vs. Dead, in dem ein Kind durch einen Unfall stirbt oder vielmehr, weil der Protagonist das Ausmaß seiner Kräfte falsch einschätzt. Wenn du so eine Szene in deinem Skript hast und ein Produzent das liest, kannst du deine Finanzierung und jegliche andere Unterstützung, besonders in Hollywood, vergessen. Du bekommst noch nicht einmal die Chance, deinen Zweiflern zu zeigen, dass es durchaus möglich ist, solch einen Moment zu zeigen und diesem Humor zu geben, wenn man am Schneidetisch seine Arbeit beherrscht. In Red vs. Dead war das ein großer Moment und die Zuschauer, mit denen ich den Film sah, gingen jedes Mal richtig mit.

Im Falle von Violent Night hatte ich das Glück, mit Produzenten zusammenzuarbeiten, die mir vertrauten, und es niemals hieß, ich könne etwas nicht so machen, wie ich es wollte. Natürlich gingen wir nicht so weit wie in den Dead Snow-Filmen, aber für einen Studiofilm geht Violent Night schon ziemlich weit. Sofern es ein Sequel geben sollte und ich wieder mit von der Partie bin, werden mein Team und ich wohl noch eine Schippe drauf legen. (lacht)

Was ist für dich eigentlich ausschlaggebender, die Kritiken auf Rotten Tomatoes oder die Reaktionen des Publikums, mit dem du auch den Film zum ersten Mal siehst?

Es gibt viele Regisseure, die sagen, dass ihnen die Kritiken egal seien, aber eigentlich freut es einen immer, wenn die Reviews positiv ausfallen. Andererseits ist das Publikum immer der ausschlaggebende Faktor, denn wenn der Zuschauer bei deinem Film nicht mitgeht, läuft was Grundlegendes falsch. Bis zur letzten Minute überlege ich mir, ob etwas funktionieren wird, ob es vielleicht an einer Stelle zu viel Blut ist oder ob die Musik in der ersten Szene passt, doch dann sitzt du, wie ich bei der Premiere von Violent Night aus der San Diego ComicCon letztes Jahr, in einem Saal mit weiteren 3000 Leuten und alle feiern den Film.

Meine Filme mit einem Publikum zu sehen, ist für mich eine wichtige Erfahrung. Sie kann mir Informationen geben, wo die Geschichte vielleicht nicht funktioniert und ich noch nachbessern muss. Letztendlich ist es ein Erlebnis, was mir, einem treuen Kinogänger, sehr nahe ist und missen möchte ich es in keinem Fall.

In deiner Karriere hast du dir immer wieder Projekte ausgesucht, die auf einer Legende, einem Märchen oder einem populären Helden, wie Santa Claus bei Violent Night, basieren. Gibt es eigentlich eine Sage oder eine Geschichte, die dich reizen würde als Filmemacher?

Etwas Spezifisches habe ich derzeit nicht, aber ich würde sehr gerne einmal einen Western drehen. Ich arbeite mit jemand anderem gerade an einer Geschichte, die während des Zweiten Weltkriegs spielt, die mich auch sehr interessiert. Aber wir müssen sehen, was die Zukunft bringt und ob eines dieser Projekte je in die Tat umgesetzt wird.

Da du durch Violent Night vielleicht so etwas wie ein Experte in Sachen Weihnachtfilme geworden bist, wollte ich dich zu einem Trend befragen, der gerade an den Festtagen im deutschen Fernsehprogramm der letzten Jahre zu finden ist. Oft sieht man neben den üblichen Weihnachtsfilmen auch die Rambo-Filme. Sind das für dich Weihnachtsfilme?

Wow, ist das echt so? Ich würde Rambo auf keinen Fall als Weihnachtsfilm betrachten, obwohl ich den Streifen als solchen natürlich toll finde. Ich denke, dass ist mehr so ein Gegenprogramm für alle, die genug von Lebkuchen und Lichterketten haben und Lust haben auf einen guten Actionfilm.

Vielen Dank für das nette Gespräch.



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