Triangle of Sadness
Szenenbild aus Ruben Östlunds "Triangle of Sadness" (© Alamode Film/Fredrik Wenzel)

Ruben Östlund [Interview]

In seinem neuesten Film Triangle of Sadness nimmt uns der schwedische Regisseur und Drehbuchautor Ruben Östlund zuerst mit in die Welt der Mode und anschließend auf eine luxuriöse Kreuzfahrt, wo wir den Schönen und Reichen begegnen. Ganz so idyllisch, wie es der strahlende Sonnenschein und das blaue Meer einem weismachen wollen, geht es dort dann aber doch nicht zu. Tatsächlich geht es auf dem Schiff zunehmend stürmisch zu, wörtlich wie auch im übertragenen Sinn. Da wird nicht nur so mancher Mageninhalt durcheinander geschüttelt. Wir haben uns zum Kinostart der Satire am 13. Oktober 2022 mit dem mehrfach ausgezeichneten Filmemacher unterhalten.

Könntest du uns ein wenig über die Entstehungsgeschichte von Triangle of Sadness erzählen? Wie bist du auf die Idee gekommen?

Es ging damit los, dass ich vor acht Jahren meine Frau kennengelernt habe, die als Mode-Fotografin arbeitet und durch die ich Einblick in die Welt der Mode erhalten habe. Sie hat mir viele interessante Sachen erzählt, über die Brands und die Vermarktung, aber auch die Models. Ich fand es zum Beispiel spannend, dass du im Englischen von „male models“ sprichst, wenn es um Männer geht, während du bei Frauen nur von „models“ sprichst. Da siehst du bereits, dass es dort eine klare Hierarchie gibt, die sich auch in der Bezahlung widerspiegelt. Männer verdienen in der Regel nur ein Viertel von dem, was weibliche Models verdienen. Es ist auch kein Beruf, auf den die Leute hinarbeiten. Wer als Mann modelt, ist oft nur zufällig dazu gekommen. Ein Freund meiner Frau arbeitete beispielsweise als Automechaniker und wurde angesprochen, ob er nicht modeln möchte. Zwei Jahre später war er einer der bestbezahlten männlichen Models. Mich interessierte dabei vor allem, wie Schönheit als Währung eingesetzt wird.

In Triangle of Sadness geht es ganz allgemein darum, wie wir auf andere wirken wollen. Auf dem Kreuzfahrtschiff sind nicht nur die Models, sondern auch andere, die sich besonders gut verkaufen wollen. Warum ist es uns so wichtig, wie wir auf andere wirken?

In der analogen Welt da draußen ist Schönheit natürlich nur ein Aspekt, der die Hierarchie zwischen den Menschen festlegt. Aber du wirst feststellen, dass wenn ein besonders schöner Mensch einen Raum betritt, dann wird das automatisch die Hierarchie verändern. Es wird die Dynamik zwischen den Menschen verändern. Gleiches gilt für das Geld: Auch sehr reiche Menschen verändern die Hierarchie innerhalb eines Raums. Warum Schönheit eine so große Rolle spielt, kann ich selbst nicht sagen. Wir leben in einer Gesellschaft, die sehr vom Image geprägt ist. Vor einiger Zeit habe ich von einer Umfrage unter Schülern und Schülerinnen gelesen, bei der sie angeben sollten, ob sie lieber schön oder intelligent sein wollen. Die meisten haben mit schön geantwortet. Das ist auch etwas, was mir bei der #MeToo-Bewegung gefehlt hat. So wichtig diese natürlich war und die Themen, die darin angesprochen wurden, sie verkannte doch, wie sehr Schönheit in unserer Gesellschaft eine Währung ist und damit Teil dieser Hierarchie. Das kannst du nicht einfach ignorieren. In der Hinsicht hätte ich mir weitergehende Diskussionen gewünscht. Deswegen fand ich es spannend, in meinem Film mit dieser Währung und diesen Hierarchien zu spielen und Letztere dann auf den Kopf zu stellen, wenn wir die Insel erreichen.

Wenn wir diese äußeren Merkmale als Währung einsetzen, wie können wir sichergehen, trotz allem uns und unserem inneren Wesen und dem wahren Ich treu zu bleiben?

Gegenfrage: Was heißt das, unser inneres Wesen? Natürlich bewegen wir uns immer innerhalb einer Welt und verändern uns je nach Kontext. Beispielsweise war ich früher ziemlich nervös, wenn ich Menschen begegnete, die in der Hierarchie weit oben stehen, egal ob es nun wegen des Geldes oder wegen der Schönheit ist. Aber du kannst dich daran gewöhnen. Und dann ist die Frage: Ist mein wahres Ich das, das nervös war, oder das, das jetzt nicht mehr nervös ist? Habe ich mein Ich verändert oder bin ich diesem nähergekommen?

Kommen wir wieder auf den Film zurück. Warum hast du dich entschieden, den mittleren Teil auf einem Kreuzfahrtschiff spielen zu lassen?

Ein Grund war, dass ich ein Setting für meine Figuren brauche, das attraktiv ist. Bevor ich Höhere Gewalt gedreht habe, habe ich viel Zeit in Ski Resorts verbracht. Aber ich brauchte erst eine Geschichte, bevor ich dieses Setting wirklich verwenden konnte. Eine Geschichte, bei der dieses Setting auch wirklich Sinn ergibt. Gleiches gilt für die Welt der Kunst, die ich in The Square verwendet habe. Bei Triangle of Sadness sind es eben das Schiff und die Insel. Die Kreuzfahrt ist dabei interessant, weil sich dort nur das obere Prozent der reichen Leute aufhalten. Das ist eine sehr exklusive Welt, bei der viele nicht teilhaben können. Gleichzeitig hatte ich schon früh diese Idee eines marxistischen Kapitäns, der das Manifest vorliest. Und letztendlich ging es darum, eine Welt zu zeigen, die sehr stark von diesen Hierarchien geprägt ist, von denen wir gesprochen haben, die dann plötzlich keine Rolle mehr spielen, weil unsere archaischen Bedürfnisse dazwischenkommen.

Würdest du selbst denn gerne mal eine solche Kreuzfahrt machen?

Habe ich schon, als Vorbereitung für den Film. Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass eine Kreuzfahrt richtig viel Spaß macht. Meine Töchter hatten jede Menge Spaß. Letzten Endes hängt es wohl auch immer davon ab, mit wem du unterwegs bist. Wenn du gute Freunde um dich hast, mit denen du spannende Gespräche führen kannst, dann ist so ein Kreuzfahrtschiff schon ein schönes Setting. Das Schiff allein würde mir aber nicht reichen. Dennoch ist meine Meinung, dass alles das Recht haben sollten, mit einem solchen Kreuzfahrtschiff Urlaub zu machen, und nicht nur die wenigen, die das Geld dafür haben.

Der letzte Teil deines Films spielt auf einer Insel, bei der, wie du schon gesagt hast, die Hierarchien andere sind. Plötzlich steht jemand oben, der es vorher nicht war, und verändert sich dadurch. Denkst du, dass Macht automatisch Menschen verändert?

Ja, das glaube ich. Du musst dich in einer Position der Macht immer daran erinnern, dass du diese Macht hast und privilegiert bist. Jeder Versuch einer gerechten und gleichberechtigten Gesellschaft ist immer automatisch ein andauerndes Kämpfen und Ringen. Wenn wir diesen Kampf vernachlässigen, werden wir automatisch verlieren. Es gibt von Natur aus keine Gesellschaft wie das marxistische Utopia, bei der alle gleich sind. Wenn wir Gleichheit wollen, dann müssen wir selbst dafür sorgen. Dass Macht missbraucht wird, ist normal. Das bedeutet aber nicht, dass wir dem hilflos ausgeliefert sind. Es gibt Möglichkeiten, das zu regulieren – wenn du es willst.

Und hast du je darüber nachgedacht, wie sehr dich deine Position verändert hat? Du bist schließlich mit den Jahren berühmter geworden, hast zweimal in Cannes gewonnen und hast dadurch heute einen ganz anderen Einfluss als früher.

Über mich selbst denke ich nicht so wahnsinnig viel nach. Ich nutze lieber meine Filme, um diese Themen zu bearbeiten. Es gibt mir dabei auch gar nicht so sehr um einzelne Menschen. Ich verurteile in Triangle of Sadness auch niemanden, der sich entsprechend verhält. Viel mehr interessiert mich, welche Kontexte sie dazu veranlassen, sich auf diese Weise zu verhalten. Die gesellschaftlichen Bedingungen, innerhalb derer wir uns bewegen. Wie sieht unsere Welt aus? Was macht sie mit uns?

Bei Triangle of Sadness handelt es sich um eine internationale Produktion mit einem großen internationalen Ensemble. Wie war die Erfahrung?

Ich habe schon bei The Square mit Elisabeth Moss und Dominic West zusammengearbeitet. Das war natürlich eine Umstellung für mich, nicht mehr auf Schwedisch zu drehen, und ich hatte die Befürchtung, dass in der Fremdsprache die Nuancen auf der Strecke bleiben würden. Dieses Mal war es aber noch internationaler, das stimmt. Zum einen kannst du auf diese Weise natürlich ein größeres Publikum ansprechen. Außerdem bewege ich mich im Filmgeschäft inzwischen in internationaleren Kreisen. Es liegt aber auch am Inhalt, dass ich das sinnvoll fand: Die Welt der Mode und Kreuzfahrtschiffe sind nun einmal sehr international. Da hat es für mich absolut gepasst, wenn wir aus den unterschiedlichsten Ländern besetzen. Ich habe das auch sehr genossen.

Letzte Frage: Wie geht es bei dir als nächstes weiter? Kannst du uns etwas über dein nächstes Projekt verraten?

Ich arbeite momentan an einem Film mit dem Titel The Entertainment System Is Down. Darin geht es um einen Langstreckenflug über 15 Stunden, bei dem gleich nach dem Abheben bekannt wird, dass die Unterhaltungssysteme an Bord defekt sind. Dadurch können sich die Passagiere nicht mehr ablenken und müssen sich mit ihren eigenen Gedanken befassen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ruben Östlund
Regisseur Ruben Östlund (© Sina Östlund)

Zur Person
Ruben Östlund wurde am 13. April 1974 in Styrsö, Schweden geboren. Nach der Schule arbeitete er in Skiresorts und filmte dort seine Freunde, was ihm letztendlich den Weg zum professionellen Filmemachen eröffnete. So wurde er dank seiner Skifilme an der Filmschule Gothenburg aufgenommen. Sein Spielfilmdebüt war 2004 das Drama The Guitar Mongoloid. International bekannt wurde er durch Höhere Gewalt (2014) über einen Mann, der bei einer drohenden Lawine davonläuft und seine Familie im Stich lässt. 2017 erhielt er für seine Kunst-Satire The Square die Goldene Palme in Cannes sowie eine Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film. Nach einer fünfjährigen Pause meldete er sich 2022 mit der Satire Triangle of Sadness zurück, die ihm seine zweite Goldene Palme einbrachte.



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