Lucasfilm

Janet Lewin [Interview]

Janet Lewin seit 28 Jahren bei Lucasfilm und Industrial Light & Magic beschäftigt. Als Senior Vice President von Lucasfilm Visual Effects und als General Manager von ILM ist sie heute für die beiden Felder visuelle Effekte und Animation bei beiden Firmen zuständig. Außerdem leitet sie den Bereich der sogenannten virtuellen Produktion, die mit der hauseigenen StageCraft-Technologie in den letzten Jahren auf eine ganz neue Ebene gehoben wurde. Produktionen, bei denen Janet im Lauf ihrer Karriere in wichtigen Rollen beteiligt war, waren etwa Star Wars Episode III: Die Rache der Sith, Rango, Super 8, Star Trek Into Darkness oder in jüngeren Jahren Star Wars IX: Der Aufstieg Skywalkers und The Mandalorian. Wir haben sie anlässlich des Starts der Dokuserie Light & Magic über ILM auf Disney+ gesprochen.

Du bist seit 28 Jahren bei Lucasfilm und ILM beschäftigt. In dieser Zeit hat die Filmindustrie viele Veränderungen durchgemacht. Was sind denn aus der ganzen Zeit für dich ein oder zwei Dinge, die die Ausrichtung der Firma grundlegend verändert haben?

Als ich damals bei ILM angefangen hatte, waren wir 130 Leute in einem einzigen Studio in San Rafael in Kalifornien. Heute sind wir eine globale Organisation mit fünf Studios und über 3000 Angestellten. Ende der Neunziger Jahre ermöglichte der Durchbruch der Computertechnologie eine ganz neue Art, Filme zu machen. Damit einher ging geradezu eine Explosion an Firmen und Talenten auf dem Gebiet der Effekte und das hat die ganze Filmindustrie verändert. Seitdem haben wir weltweit expandiert. Heute wachsen wir immer noch weiter, um die Nachfrage nach Inhalten zu befriedigen. All die Streamingdienste brauchen eine Menge an Inhalten und ILM beteiligt sich an allen Projekten, die eine interessante und innovative Herausforderung auf dem Gebiet der visuellen Effekte versprechen. Wir machen Virtual Reality, virtuelle Produktion, Animationsfilme und alles Mögliche andere. Jedes Projekt verändert uns und auf die eine oder andere Weite entwickeln wir uns immer weiter.

In Light & Magic sehen wir, wie die Technologie die Beziehungen zwischen den Mitarbeitern von ILM geformt hat – ganz besonders in der Zeit des Übergangs zur Computertechnologie. Mit der StageCraft-Technologie und den virtuellen Sets und Hintergründen hat ILM nun wieder eine neue, innovative Technik im Einsatz. Hat diese technische Innovation ebenfalls einen Einfluss auf die Beziehungen zwischen den Angestellten von ILM und Lucasfilm, und falls ja in welcher Form?

StageCraft ist Teil der physischen Produktion. Es verlangt von uns, dass wir öfter am Set körperlich anwesend sind – in Los Angeles oder einer der anderen „Volumes“, die wir in London und Vancouver gebaut haben. Damit sind wir wirklich ein Teil der Filmcrew. Das ganze Konzept hinter StageCraft verlangt, dass man Filmsequenzen früh designt und die Hintergründe erschafft, die auf die riesige LED-Bildschirme projiziert werden. Visuelle Effekte spielen in all das hinein. Wir haben eigene Art Departments dafür, die eng mit dem Produktionsdesigner zusammenarbeiten. Wir sind Teil des Prävisualisierungsteams. Dann haben wir ein Team von Technikexperten, das dafür verantwortlich ist, dass am Drehtag die richtigen Umgebungen zu sehen sind und alles bereits für den Dreh ist. Alle diese Aufgaben sind viel mehr in die eigentliche Produktion involviert und ich glaube, dass ist emotional befriedigend. Außerdem zeigt es einmal mehr, dass wir bei ILM letztendlich alle Filmemacher sind. Selbst wenn wir StageCraft nicht benutzen, haben wir aus den Erfahrungen damit doch wichtige Erfahrungen zur Zusammenarbeit gezogen.

George Lucas zeigt sich in der Dokumentation zum Teil sehr emotional. Stehst du mit ihm in Kontakt? Wie denkt er denn über den Werdegang von ILM bis in die Gegenwart?

Ich stehe nicht persönlich mit George in Kontakt, aber er ist der Grund dafür, warum wir alle hier bei Lucasfilm und ILM sind. Er ist unsere Inspiration und hat das Filmemachen und visuelle Effekte auf so viele verschiedene Arten revolutioniert. Er kommt regelmäßig vorbei und spricht mit den Filmschaffenden hier. Ich war zum Beispiel am Set, als er bei The Mandalorian vorbeikam, um sich das Volume anzuschauen. Das hat wirklich Spaß gemacht, weil die Puppenspieler George Baby Yoda vorgestellt haben; sie haben die Puppe von hinter den Kulissen gesteuert und wie jeder andere auch, der Baby Yoda im Arm hält, konnte George einfach nicht anders, als ihn hin und her zu wiegen und dabei auf und ab zu wippen. Es war wunderbar, George in diesem Moment mit der nächsten Generation von Filmemachern zu sehen, die seine Geschichten aufnehmen und sie auf eine neue Ebene führen, aber dabei immer noch seine Vision und seine Kreativität in Ehren halten. Ich kann mir vorstellen, dass er sich unglaublich stolz fühlt, wenn man sich anschaut, wo wir heute stehen und wie sehr ILM all seine Freunde im Filmgeschäft und die Art, wie sie Geschichten erzählen, beeinflusst hat.

Kannst du uns mehr darüber erzählen, wie sich das Volume bzw. die StageCraft-Technologie über die letzten Jahre weiterentwickelt haben? Bei Solo: A Star Wars Story wurde in einigen Szenen ja bereits eine frühe Version davon eingesetzt. Wie hat sich diese immer noch junge Technologie bis heute entwickelt, wo sie bei The Mandalorian oder Obi-Wan Kenobi zum Einsatz kommt?

Wir arbeiten schon seit vielen Jahren an der Entwicklung virtueller Produktionstechniken und -werkzeuge. Etwa zur Prävisualisierung am Set, damit ein Regisseur die fertige Aufnahme schon vorher besser vor Augen hat. Oder auch virtuelle Kameraarbeit, wie wir sie bei Rango, Transformers oder Rogue One: A Star Wars Story verwendet haben. Für Rogue One haben wir bereits eine Art StageCraft verwendet und konnten damit visuelle Effekte sozusagen live auf dem Set erzeugen. Aber das war noch begrenzt, wir hatten nur ein paar LED-Wände und die Pixeldichte war noch nicht hoch genug, um direkt in Richtung der LED-Wände zu filmen. Bei Solo: A Star Wars Story haben wir für einige Szenen mit Projektoren gearbeitet, die wir um die tatsächlich existierende Umgebung herum aufgebaut haben. Das machen wir auch heute noch, denn StageCraft ist kein Allheilmittel, das man für jede Einstellung verwenden kann, sondern nur eine Option unter vielen.

Bei The Mandalorian kam einfach eine perfekte Kombination aus Ehrgeiz, Möglichkeiten und Risikobereitschaft zusammen. Jon Favreau hatte eine klare Vision davon, wie sein Projekt aussehen sollte. Wir hatten allerdings nur ein kurzes Zeitfenster, um alles vorher zu testen. Deswegen war das für mich eine dieser Erfahrungen, die wieder einmal klargemacht haben, was an ILM und Lucasfilm so besonders ist: Wir ziehen Filmemacher an, die visionär denken und wir haben das Talent und die Ressourcen, um Berge zu versetzen, damit wir diese Visionen dann umsetzen können. Dem sind aber viele schlaflose Nächte für viele von uns vorausgegangen!

In Light & Magic hören wir ein paar Mal, dass viele George Lucas’Drehbuch für Star Wars in den Siebzigern für unverfilmbar hielten, wegen all den aufwändigen Effekten, die zur Umsetzung notwendig waren. Gibt es so etwas heute auch noch – Drehbücher, die aus diesem Grund als unverfilmbar gelten?

Nicht wirklich! Es gibt höchsten bestimmte Effekte, die schwieriger umzusetzen sind als andere. Etwa, eine ältere Person als ihr jugendliches Selbst darzustellen und dabei realistische Gesichtsanimationen eines bekannten Schauspielers hinzukriegen, das ist wirklich schwer. Auch Wassereffekte sind sehr aufwändig, aber nichts ist unerreichbar. Es kommt ganz einfach auf die Größe der Aufgabe an, danach richtet sich dann die Zeit, die man zur Umsetzung benötigt.

Die StageCraft-Technologie basiert zum Teil auf Entwicklungen aus der Videospielindustrie. Wie beeinflussen sich Filme und Videospiele denn deiner Meinung nach gegenseitig?

Das ist sozusagen der Heilige Gral auf diesem Feld – dass man in Zukunft Elemente plattformübergreifend einsetzen kann, um für das Publikum einen einheitlichen Look und eine intensivere Erfahrung zu erzeugen. Für StageCraft benutzen wir häufig die Unreal Engine im Designprozess und auch am Set. Zudem verfügen wir über eigene Rendering Tools. Im Spielebereich wird sehr viel Arbeit in die Entwicklung neuer Tools gesteckt und sie werden auch immer besser. Darüber nachzudenken, wo das in Zukunft hinführt, ist sehr interessant. Ich denke, es wird mehr plattformübergreifende Inhalte geben, weil diese Tools immer besser werden und realistischere Grafiken erzeugen.

ILM hat die Techniken zur Entwicklung visueller Effekte ja mehrmals auf eine ganz neue Ebene gebracht, wie wir in Light & Magic sehen. Kannst du uns einen Hinweis darauf geben, was der nächste große Sprung auf diesem Gebiet sein wird?

Meine Antwort darauf ist gewissermaßen sehr unsexy: Während wir weiter wachsen und uns auf der ganzen Welt nach Talenten umsehen, ist ein weiterer wichtiger Faktor die Komplexität unserer Tools. Es ist heute ganz einfach eine Notwendigkeit, dass wir die besten hauseigenen Tools haben, die häufig schwer zu bedienen sind. Wir brauchen also hochtalentierte, gut ausgebildete Leute dafür. Um mehr visuelle Effekte zu erschaffen und dies auch schneller und günstiger zu tun, müssen wir für einen Teil der Aufgaben in ein leichter zu bedienendes Toolset investieren. Das ist es also, worauf es in Zukunft hinausläuft. Daneben sehe ich wichtige Felder noch bei Gesichtsanimationen und künstlicher Intelligenz.

ILM arbeitet gleichzeitig an so vielen Projekten – von The Mandalorian bis hin zu ABBA Voyage. Wie teilst du dir denn deine Zeit ein? Wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus?

Meine Arbeit ist unter anderem deshalb so interessant, weil jeder Tag anders ist. All diese unterschiedlichen Projekte sind in vielen verschiedenen Bereichen komplex – in der Produktion, bei der Stellbesetzung und der Ausbildung, den Kunden… Für mich ist das Gute daran, dass ich einfach alle diese Bereiche liebe. Zum Glück muss ich nicht alles alleine schultern; die Studios haben etwa fabelhafte Führungskräfte. Weil ich schon so lange in der Firma bin und viele der anderen Leute hier so gut kenne, können wir uns meist direkt ans Problemlösen machen. Und weil ich selbst in vielen verschiedenen Abteilungen gearbeitet habe, habe ich ein gutes Verständnis davon, wie die Firma tickt. Das alles macht es einfacher, so viele Projekte gleichzeitig am Laufen zu haben. Außerdem arbeite ich im Schlaf!

Vielen Dank für das Gespräch!



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