Die Effekt-Spezialisten Dennis Muren und Phil Tippett( Foto: Jesse Grant/Getty Images for Disney)

Dennis Muren / Phil Tippett [Interview]

Dennis Muren und Phil Tippett sind ohne Zweifel Legenden auf dem Gebiet der visuellen Effekte. Von George Lucas und seiner neu gegründeten Firma Industrial Light & Magic in den siebziger Jahren für die Arbeit an Star Wars engagiert, brachten sie in den folgenden Jahrzehnten unter anderem Dinosaurier (Jurassic Park), außerirdische Riesenkäfer (Starship Troopers) oder unheimliche Wasserwesen (Abyss – Abgrund des Todes) auf die Leinwand. Während Tippett sich stets mehr auf die traditionelle Stop Motion-Animation konzentrierte und 2021 als Regisseur den Stop Motion-Film Mad God veröffentlichte, entwickelte Muren schon früh eine Leidenschaft für die Digitaltechnik und wurde zum Experten für CGI-Animation. In der sechsteiligen Dokumentation Light & Magic auf Disney+ stehen die beiden zusammen mit ihren zahlreichen Kollegen im Mittelpunkt.

In Light & Magic sehen wir, dass Dennis die Vision hatte, wie klassische Techniken wie praktische Modelle und Stop Motion durch CGI abgelöst werden. Phil dagegen wollte weiter auf diese altbewährten Dinge setzen. Wie blickt ihr heute auf diese Phase zurück, in der ihr von klassischen Modellen auf die Computertechnik umgestiegen seid?

Phil Tippett: Für mich war das niederschmetternd. Dennis und ich standen über all die Jahre in Kontakt, er zeigte mir die Computergrafiken. Wir waren beide sehr erstaunt, dass ILM damit ein lebendiges, atmendes Wesen erschaffen konnte! Es ließ sich also absehen, dass uns große Veränderungen bevorstanden. Dennis präsentierte Steven Spielberg die erste Testaufnahme des computergenierten Tyrannosauriers. Steven ist sehr mitfühlend und empathisch. Er fragte mich, „Wie fühlst du dich damit, Phil? Für dich muss das ja eine große Sache sein.“ Ich antwortete, ich fühlte mich, als sei ich ausgestorben. Und daraufhin sagte er: „Das ist ein großartiger Satz! Den werde ich im Film verwenden!“

Dennis Muren: Wir hatten Glück, dass das Ergebnis so gut geworden ist, denn es hätte auch schief gehen können. So viel davon war vorher noch nie gemacht worden! Den Test hatte ich basierend auf einem Skelett erstellt, aber wir mussten schließlich ja kein Skelett, sondern einen lebenden Dinosaurier animieren. Ich hatte aber immer das Gefühl, einen Plan B zu haben, falls etwas schiefgeht – und zwar Phils Arbeit. Wenn irgendwas mit CGI-Effekten wirklich nicht geklappt hätte, dann hätte Phil versuchen müssen, die entsprechenden Einstellungen mit seinen Modellen zu animieren. Aber letztendlich hat alles geklappt! Die Arbeit mit herkömmlichen Modellen habe ich allerdings niemals als obsolet angesehen. Wir hatte ja überhaupt keine Ahnung, ob wir es mit CGI hinkriegen würden! Es war auch nicht klar, ob das Publikum die neuen Effekte akzeptieren würde.

Phil Tippett: Es war, als würde man die Nordsee in einem Boot überqueren, mit Leuten die keinerlei Erfahrung im Segeln haben. Wir haben alle zusammen etwas völlig Neues gelernt!

Visuelle und praktische Effekte haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Wenn ihr die Chance hättet, zu einem eurer früheren Projekte zurückzukehren und mit der Technik von heute noch einmal Hand anzulegen, was würdet ihr dann tun? Welches Projekt würdet ihr gern noch einmal überarbeiten?

Phil Tippett: Gar keines, selbst wenn ich eine Zeitmaschine hätte.

Dennis Muren: Mir geht es ganz genauso. Denn wir haben immer das Beste getan, was zur jeweiligen Zeit möglich war und damit war ich immer sehr zufrieden.

Phil Tippett: Wer will schon in der Vergangenheit leben? Wir interessieren uns stets dafür, was wir spektakuläres Neues erschaffen können.

Woran erinnert ihr euch denn am besten, wenn ihr an die Arbeit zum allerersten Star Wars-Film zurückdenkt? Hättet ihr damals gedacht, dass ihr einmal in die Filmgeschichte eingehen würdet?

Phil Tippett: Wir hatten kurz zuvor noch an TV-Werbespots gearbeitet. Es war also ein großer Sprung zu Star Wars. Zu beobachten, was für ein kreativer Manager George Lucas war, war eine großartige Lehre. Er stellte sicher, dass wir alles hatten, was wir brauchten und unterstützte uns immer.

Dennis Muren: Mit dem meisten, was wir für Star Wars erschaffen haben, waren wir sehr zufrieden. Überrascht hat uns, wie sehr das Publikum darauf angesprungen ist. Das hat keiner von uns vorhergesehen – schon gar nicht, dass das auch noch 45 Jahre lang so weitergehen würde.

Eure Arbeit zielt darauf ab, die Zuschauer ganz in von euch erschaffene Welten eintauchen zu lassen. Was haltet ihr denn generell davon, dass das Publikum zum Beispiel durch Light & Magic hinter die Kulissen blicken kann und denkt ihr, dass die Leute dadurch eure Arbeit noch mehr wertschätzen?

Dennis Muren: Ich finde solche Einblicke in unsere Arbeit toll! Solange die Leute mit unseren seltsamen Persönlichkeiten und Verhaltensweisen klarkommen, darf es gerne mehr solcher Dokumentationen geben. Zum ersten Star Wars gab es vielleicht ein oder zwei davon, bei Das Imperium schlägt zurück schon viel mehr. Am Anfang hatten manche Leute Bedenken und fanden, man sollte um die Spezialeffekte lieber ein Geheimnis machen. Mich hat es aber nie gestört, wenn das alles erklärt wird. Denn als Kind war es für mich immer schwer, herauszufinden, wie solche Effekte umgesetzt werden. Also finde ich es gut, wenn es jemanden glücklich macht, herauszufinden wie wir einen Effekt umsetzen – vor allem, wenn jemand ihn dann noch weiterentwickelt und sagt „Ihr habt das noch nicht richtig gemacht!“

Ihr habt in Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Regisseuren immer wieder Magie auf die Leinwand gebracht. Hat jemals einer von ihnen eine Vision gehabt, die ihr nicht umsetzen konntet? Musstet ihr mal einem Regisseur sagen „Nein, das geht nicht!“ oder habt ihr immer irgendeinen Weg gefunden, die entsprechende Vision Realität werden zu lassen?

Phil Tippett: Wir sagen nie nein!

Dennis Muren: Das ist eine gute Frage… ich meine mich zu erinnern, dass es da vor gar nicht so langer Zeit etwas gab, das wir tatsächlich nicht machen konnten. Aber ich habe es aus meinem Gedächtnis verdrängt. Es wurde schließlich aus dem Film herausgeschnitten oder so. Jedenfalls kam so etwas wahrscheinlich öfter als nur ein oder zwei Mal vor! Meistens kommt man noch irgendwie darum herum; man findet einen anderen Weg, es umzusetzen und die Geschichte zu erzählen. Aber etwas richtig Großes fällt mir da nicht ein.

Phil Tippett: James Camerons Effects Supervisor John Bruno kam mal mit einer Idee von Cameron zu mir. Cameron hatte eine Idee für das Wasserwesen in Abyss. Er wollte eimerweise Wasser filmen, das hoch in die Luft gespritzt wird und das dann auf weißen Ton projizieren. Das Endergebnis sollte dann per Rotoskopie animiert werden. Ich sagte ihnen „Ihr seid verrückt geworden! Das wird nicht funktionieren, es wird schrecklich aussehen und überhaupt solltet ihr euch an Dennis wenden! Nur mit ihm und der CGI-Technik könnt ihr umsetzen, was ihr euch vorstellt.“ Und so kam es dann ja auch. Ich dachte nur, das Ganze war wirklich verrückt. Aber so ist James Cameron halt – er hat total abgedrehte Ideen!

Phil, du hast gerade deinen Film Mad God gedreht, der sehr viel Stop Motion-Animation verwendet. Es gibt einige Regisseure, die verstärkt auf traditionelle, praktische Effekte setzen. Glaubt ihr, dass wir an einem Punkt sind, an dem Filmemacher immer mehr zu praktischen Effekten zurückkehren?

Phil Tippett: Das kommt ganz auf den Regisseur an und darauf, was für einen Einfluss er aufs Filmstudio hat. Christopher Nolan mag praktische Effekte sehr. Für Jon Favreau haben wir bei The Mandalorian ein paar Stop Motion-Aufnahmen erstellt. Gerade was Stop Motion betrifft, braucht es schon einen Regisseur, der diese Technik wirklich sehr zu schätzen weiß.

Dennis Muren: Dieses Thema kommt immer wieder auf, weil viele denken, CGI würde künstlich aussehen. Das ist aber nur der Fall, wenn es schlecht gemacht ist! Das lässt sich nur schwer beweisen, weil es so viele CGI-Einstellungen gibt, die nicht gut gemacht sind. Mit CGI lässt sich zumindest die Geschichte erzählen, insofern gibt es einen Grund, warum die älteren Techniken davon verdrängt worden sind. Ich habe darüber bei Die letzten Jedi mit Rian Johnson diskutiert. Für einen Test habe ich vier oder fünf Einstellungen aus Das Imperium schlägt zurück genommen und CGI-Elemente eingefügt, zum Beispiel einen zweiten Millennium Falken neben den „echten“. Es war perfekt! Man konnte keinen Unterschied erkennen. Die Computertechnik hat viele Vorteile – der Regisseur kann zum Beispiel nachträglich etwas ändern und man muss dafür nicht noch einmal die ganze Einstellung aufbauen. Worauf es ankommt ist letztendlich die Liebe zum Detail. Die CGI-Animateure lernten, wie der Falke tatsächlich geflogen ist, aufgrund der Probleme, die wir mit den Motoren und so weiter hatten. Natürlich kann man das mit CGI alles ausmerzen, dann fliegt er vollkommen perfekt, aber es zerstört auch den optischen Eindruck. Den Test habe ich also gemacht, um Rian zu zeigen, dass CGI keineswegs nur künstlich erscheinende Bilder erzeugt. Man muss nur alle Details genau beobachten und geduldig bei der Sache bleiben.

Gab es denn Filme – oder Momente bei der Arbeit an bestimmten Filmen – wo ihr dachtet, ihr würdet scheitern, aber wo dann doch noch ein Wunder geschehen ist?

Phil Tippett: Ich glaube, wir hatten immer genug Selbstvertrauen um zu wissen, dass wir alle Aufträge erledigen würden, auch wenn einige davon echt einschüchternd waren. Was mich immer noch erstaunt, ist, wie gut sich die Effekte in Jurassic Park und Starship Troopers bis heute gehalten haben, verglichen mit dem, was so danach kam. Dennis’ und meine Erfahrungen mit praktischen Effekten haben uns da echt geholfen. Die Beobachtungen, die man dabei macht, sind unbezahlbar. Die Leute heute sind sicherlich viel bessere Künstler am Computer, als damals, als wir angefangen haben. Aber unser Blick auf die CGI-Technologie wurde stark durch die Arbeit mit praktischen Modellen beeinflusst.

Dennis Muren: Es gibt viele Effekte, die meiner Meinung nach nicht funktioniert haben, die aber das Publikum liebt!

Vielen Dank für das Gespräch!



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