Sundown Geheimnisse in Acapulco
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Sundown – Geheimnisse in Acapulco

„Sundown – Geheimnisse in Acapulco“ // Deutschland-Start: 9. Juni 2022 (Kino) // 16. September 2022 (DVD/Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Es hätte eine schöne gemeinsame Zeit werden sollen, als Neil Bennett (Tim Roth), seine Schwester Alice (Charlotte Gainsbourg) und deren erwachsenen Kinder Colin (Samuel Bottomley) und Alexa (Albertine Kotting McMillan) nach Mexiko reisen. Dort, im sonnengetränkten Acapulco, wollen sie Urlaub machen, sich ein bisschen ausspannen und den Alltag im Familienunternehmen vergessen. Doch dann erreicht sie die Nachricht, dass die Mutter der beiden gestorben ist. Während sich Alice, Colin und Alexa sofort auf den Weg machen, weil verschiedenste Angelegenheiten organisiert werden müssen, will Neil nachkommen. Dummerweise hatte er in der Eile seinen Pass im Hotel vergessen und kann deshalb nicht an Bord. Dabei ahnen die anderen nicht, dass er ganz andere Pläne verfolgt …

Zeit für Abgründe

Wann immer Michel Franco einen neuen Film dreht, weiß man eigentlich schon, dass man sich besser warm anziehen sollte. Von Anfang an verweigerte sich der Regisseur jedweder Gute-Laune-Unterhaltung. Stattdessen befasst er sich in seinen Werken ausgiebig mit den menschlichen Abgründen, sei es im privaten oder gesellschaftlichen Bereich. Dass er damit aneckt, ist ihm bewusst, vermutlich auch einkalkuliert. Zuletzt stieß er mit seinem dystopischen Thriller New Order – Die neue Weltordnung vor den Kopf und schilderte darin eine auseinanderbrechende Welt. Nun legt er mit Sundown – Geheimnisse in Acapulco nach. Der Film ist dabei jedoch weniger plakativ, als es der vorangegangene war, lässt den Zuschauern und Zuschauerinnen mehr Freiraum.

Trügerisch dürfte dann auch eines der Adjektive sein, welche am häufigsten Einsatz finden bei dem Versuch, Sundown – Geheimnisse in Acapulco zu beschreiben. So zeigt uns Franco malerische Bilder aus seinem Heimatland, das gleichzeitig kein Heimatland mehr ist. Die Urlaubsidylle ist falsch, so viel ahnt man schon. Die Menschen geben sich hier einer Idylle hin, die mit der Realität nicht viel zu tun hat. Dabei ist die direkt daneben, äußert sich beispielsweise in täglicher Gewalt, die sich direkt vor den Augen der Urlauber und Urlauberinnen abspielt. Nur interessiert das niemand: Auf verstörende, irgendwie surreale Weise überlappen sich diese beiden Parallelwelten, ohne dass dies groß Beachtung fände. Niemand spricht darüber, so als gäbe es das alles nicht.

Ohne Worte, ohne Grenzen

Überhaupt zeigt sich Franco in seinem siebten Langfilm nicht unbedingt von seiner gesprächigen Seite. Er vertraut mehr der Bildsprache und setzt ansonsten darauf, dass das Publikum Lücken selbst schließt. Von denen gibt es einige hier. Sundown – Geheimnisse in Acapulco vermengt eine Reihe von Themen, ohne dies je explizit auszuformulieren. Tatsächlich darf sich das Publikum hier lange fragen, worum es in dem Film denn überhaupt gehen soll. Nicht wenige werden dies auch im Anschluss noch tun: Die Geschichte wird bewusst rätselhaft erzählt, weswegen hin und wieder auch mal die Beschreibung Mystery-Thriller gewählt wird. Elemente desselben gibt es hier ohne Zweifel. Und doch scheitert auch dieser Versuch, den Film in einen bestimmten Rahmen zu packen. So wie auch andere Genre-Versuche, darunter Satire, Familiendrama oder Gesellschaftsporträt, nie so richtig passen.

Dass Franco kein Interesse an klaren Genrekategorien hat, daraus macht er kein Geheimnis. Sundown – Geheimnisse in Acapulco will fordern, soll fordern, und dabei zum Nachdenken anregen. Da geht es um Klassenunterschiede, die Diskrepanz zwischen Fassade und Substanz, um die Sehnsucht nach einem Neuanfang, aber auch die Frage, inwiefern wir jemals wirklich frei sein können. Sogar Überlegungen zu einem etwaigen Sinn des Lebens finden hier noch Platz. Eingepackt ist dies in Bilder, die gleichzeitig traumhaft und alptraumhaft sind. Die strahlende Sonne zeigen und doch seltsam kalt wirken, distanziert, völlig unberührt von dem, was da vor sich geht.

Jenseits von gut und böse

Das dürfte die einen verwirren, andere frustrieren oder auch verstören – einige Szenen sind schon etwas schwerer zu schlucken. Und doch ist es sehenswert, wie Sundown – Geheimnisse in Acapulco eine konkrete Welt zeigt, ganz unbarmherzig, und diese doch auch verzerrt. Tim Roth, mit dem Franco schon bei Chronic zusammengearbeitet hat, ist für die Rolle des ambivalenten Aussteigers eine Idealbesetzung. Der Genremix, der bei den Filmfestspielen von Venedig 2022 Premiere feierte, verzichtet auf eine zu klare Zuordnung, ob Neil nun gut oder böse ist. Solche Urteile sind Franco fremd. Er zeigt dem Publikum eine Welt ohne Zusammenhang und Zusammenhalt, die zunehmend auseinanderbricht, während andere daneben sitzen und genüsslich ihren Cocktail schlürfen.

Credits

OT: „Sundown“
Land: Mexiko, Frankreich, Schweden
Jahr: 2021
Regie: Michel Franco
Drehbuch: Michel Franco
Kamera: Yves Cape
Besetzung: Tim Roth, Charlotte Gainsbourg, Iazua Larios, Henry Goodman, Albertine Kotting, Samuel Bottomley

Bilder

Trailer

Interview

Wer nach dem Film noch mehr wissen möchte: Wir durften anlässlich des Kinostarts von Sundown im Interview mit Regisseur und Drehbuchautor Michel Franco einige Fragen stellen.

Michel Franco [Interview] | Film-Rezensionen.de

Filmfeste

Venedig 2021

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Sundown – Geheimnisse in Acapulco
Fazit
„Sundown – Geheimnisse in Acapulco“ ist wie von Michel Franco gewohnt ein Werk, welches sein Publikum in vielerlei Hinsicht fordern will. Schon so banale Elemente wie der Inhalt oder ein Genre sind hier nicht wirklich zuzuordnen. Stattdessen gibt es eine Mischung aus Urlaubsidylle und Alptraum, die von einer kaputten Familie und einer noch kaputteren Gesellschaft erzählt.
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