Zero
© WDR/Volker Roloff

Inhalt / Kritik

Zero
„Zero“ // Deutschland-Start: 3. November 2021 (Das Erste)

Nachdem sie einige Jahre pausiert hat, ist es Zeit für die verwitwete Journalistin Cynthia Bonsant (Heike Makatsch), wieder in ihrem alten Beruf Fuß zu fassen. Einfach ist das nicht, inzwischen hat sich das alles schon sehr verändert. Vor allem die Verlagerung in den Online-Bereich macht ihr schon zu schaffen. Dafür hat Tony Brenner (Axel Stein), Chef des Online-Magazins „Daily“, gleich einen besonderen Auftrag für sie. Die Netzaktivistengruppe um den mysteriösen Zero (Pit Bukowski) hat es auf Carl Montik (Sabin Tambrea) und dessen App abgesehen, die aktiv in das Leben der User und Userinnen eingreift, um sie zu besseren Menschen zu machen. Cynthia fremdelt mit diesen Möglichkeiten zunächst. Doch als auch ihre 17-jährige Tochter Viola (Luise Emilie Tschersich) in die Geschichte hineingezogen wird, setzt sie alle Hebel in Bewegung, um die Wahrheit herauszufinden …

Dein Feind, das Tech-Unternehmen

Soziale Medien stehen schon seit einer Weile in der Kritik, aus den unterschiedlichsten Gründen. Ob es Hasskampagnen sind, bewusste Falschnachrichten oder der großzügige Umgang mit persönlichen Daten, an Kritikpunkten mangelt es nicht gerade. Das ist inzwischen auch bei der breiten Bevölkerung angekommen: Rund 80 Prozent erwarten hierzulande eine stärkere Regulierung. Da kommt ein Film wie Zero natürlich genau zur rechten Zeit. Zwar nimmt sich der Science-Fiction-Thriller kein direktes Vorbild zur Brust, sondern lässt manche Entwicklungen eskalieren. Die kommen einem zum Teil aber so bekannt vor, dass unweigerlich das unangenehme Gefühl auftritt, hier nicht ganz so weit in die Zukunft zu blicken.

Dabei sind es gar nicht die offensichtlichen Themen, die im Mittelpunkt stehen. Es geht in Zero nicht um gesellschaftliche Spaltung oder den im Internet gebräuchlich gewordenen Hass. Vielmehr wird bei der App so getan, als würde sie die Welt zu einem besseren Ort machen. Völlig freiwillig dürfen dort Menschen Ratschlägen folgen, die zu einer Stärkung der Gemeinschaft führen sollen. Wer das tut, bekommt Bonuspunkte, die sich für verschiedene Punkte verwenden lassen. Das klingt erst einmal gar nicht schlecht. Doch erst mit der Zeit und nur bei längerem Nachdenken wird deutlich, auf welch perfide Weise der Zwang zur Selbstoptimierung ausgenutzt wird. Die Menschen tun das Gute nicht, weil sie daran glauben, sondern weil sie sich davon Vorteile erhoffen oder bei Nichterfüllung Nachteile befürchten.

Unterwegs auf den üblichen Allgemeinplätzen

Das wäre eigentlich ein Anlass gewesen, um sich allgemein Gedanken um die Natur des Menschen zu machen. Stattdessen verknüpft Drehbuchautor Johannes Betz (Kranke Geschäfte) diese Aspekte lieber mit ein bisschen Verschwörungstheorie. Das ist verständlich: eine Geschichte, die sowohl Wirtschaft und soziale Medien angreift und dann auch noch die Politik? Das lässt sich gut verkaufen. Damit rennt man momentan offene Türen ein, da man Leute auf dem kompletten Spektrum abgreifen kann. Man muss das Ganze nur so allgemein halten, dass jeder darin sehen kann, was er sehen will. Das tut Zero, mehr als ein paar Allgemeinplätze werden in der Geschichte nicht beackert. Da ist nichts dabei, das man nicht schon kennen würde.

Tatsächlich erzählte Wilsberg: Überwachen und belohnen vor einigen Monaten eine ganz ähnliche Geschichte rund um eine App, die Verhaltensweisen vorgibt und dafür Vorteile verschafft, während das dahinter stehende Unternehmen eher wenig idealistische Ziele verfolgt. Was dort aber noch etwas humorvoller aufgearbeitet wurde, wird hier mit ganz großem Ernst vorgetragen. Dazu gibt es ein bisschen Science-Fiction-Klimbim rund um Hologramme und futuristisch anmutende Headsets. Das wäre prinzipiell auch ohne gegangen. Offensichtlich wollte man dem Publikum aber verdeutlichen, dass das hier ganz schrecklich moderne Technik ist, für den Fall, dass es das selbst nicht merkt.

Zu wenig draus gemacht

Das bedeutet nicht, dass der ARD-Film nichts bieten würde. So überzeugt beispielsweise Sabin Tambrea (Narziss und Goldmund) als dubioser Tech Boss, bei dem nie ganz klar ist, ob er gezielt Leute täuscht oder an das glaubt, was er da tut. Und der eine oder andere Denkanstoß ist natürlich immer noch drin, gerade zu unserem Umgang mit Technik und wie diese unser Leben bestimmt. Der Science-Fiction-Thriller, der beim Film Festival Cologne 2021 lief, holt selbst aber relativ wenig aus der Materie heraus. Auch der Versuch, durch eine tragische Familiengeschichte den dystopischen Part greifbarer zu machen, geht nicht so wirklich auf. Zero wird weder so bewegend noch so spannend, wie er sein könnte. Der Film ist stattdessen große Themen unserer Zeit auf öffentlich-rechtliches TV-Format zurechtgestutzt.

Credits

OT: „Zero“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Jochen Alexander Freydank
Drehbuch: Johannes Betz
Musik: Ingo Ludwig Frenzel
Kamera: Patrick Popow, Jakob Wiessner
Besetzung: Heike Makatsch, Luise Emilie Tschersich, Fabian Joest Passamonte, Matthias Weidenhöfer, Axel Stein, Meriel Hinsching, Sabin Tambrea, Pit Bukowski

Bilder

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

„Zero“ nimmt uns mit in die nahe Zukunft, wenn eine App uns zu besseren Menschen machen will – bis der erste dabei stirbt. Der Science-Fiction-Thriller nimmt eine Reihe wichtiger Themen unserer Zeit auf, macht aber insgesamt wenig draus. Für mehr als die üblichen Allgemeinplätze, angereichert mit ein bisschen Crowdpleaser-Verschwörung reicht es nicht.
Leserwertung72 Bewertungen
4.9
5
von 10