
Emin lebt am Rande eines Dorfes in Bosnien und Herzegowina, irgendwo zwischen Wald und dem Berg Igman. Seine hagere Gestalt, sein ärmlicher Kleidungsstil und seine langen weißen Haare, inklusive Zottelbart, lassen ihn etwas schrullig wirken, fast wie einen Zauberer, doch seine Existenz ist durchaus ernst. Im rauen, aber wunderschön anzusehenden Winter muss er sich um seine Tiere kümmern (ein Pferd, zwei Hunde und eine Katze), sein Haus heizen, sich ernähren. Regisseurin Maja Novaković folgt dem alten Emin durch die Monotonie seines Alltags, in dem der Einsamkeit und Trauer eine tiefe Wärme innewohnt.
Ein Mann und sein Pferd
„Du und der Berg seid die einzigen, die mich verstehen“, sagt Emin zu seinem Pferd Igman, das er nach dem anliegenden Berg benannt hat, während er es striegelt. Sachte, behutsam geht der quasi-Einsiedler mit seiner Umgebung um, mit den Lebewesen, die ihn begleiten. Dorfbewohner sprechen ihn fast ausschließlich nur an, wenn sie bei ihm Holz bestellen, das er allein im nächstgelegenen Wald hackt, trotz klirrender Kälte. Teilweise besteht die Bildkomposition nur aus reinem, weißem Schnee, den nackten Bäumen und der Weite der Natur, die trotz ihrer Melancholie idyllisch und einladend wirkt, was aber auch an Emins Natur liegt, dessen Persönlichkeit mehr Herzlichkeit als Verbitterung ausstrahlt, selbst wenn er selbst in sich wiederholenden Gedanken an seine Vergangenheit festzustecken scheint. Über diese erfährt man jedoch kaum etwas – maximal durch ein vergilbtes Bild eines Hochzeitspaares an der Wand, und durch immer wiederkehrende Visionen eines Jungen, der allein durch einen dunklen Wald läuft.
An diesen Stellen verwebt sich Realität mit Fiktion, was aber nicht die einzigen Szenen sind, in denen man vergessen könnte, dass es sich bei At the Door of the House Who Will Come Knocking um eine Dokumentation handelt: Meisterhaft fängt Novaković, die auch die Kamera bedient, die Wildheit der Natur, die Spartanität des Lebens in der Abgeschiedenheit, die Sänfte der Tiere und die Sättigung der wenigen Farben, vor allem die eines traditionellen Teppichs, den Emin oft mit und um sich trägt, ein, und komponiert so Bilder, die in einzelnen Frames Kunstwerke sein könnten. Die Art des Editings erzeugt dabei auch eine meditative, traumartige Stimmung, die zwischen harscher Monotonie und warmer Beseeltheit wechselt.
Delikate Einsamkeit
Bis auf die spärlichen Interaktionen mit seinem Pferd oder den Dorfbewohnern werden in diesem Film kaum Worte gewechselt – auch von seinen Gedanken und etwaigen Sorgen gibt Emin selten etwas preis, so dass er ständig undurchsichtig, enigmatisch bleibt. Selbst sein Alter ist, trotz des verlotterten Äußeren, nicht wirklich festzulegen, so ist er dennoch körperlich aktiv und besitzt eine ausdrückliche Lebendigkeit in seinen Augen. Auch wenn an sich wenig passiert, ziehen die Landschaft, Emins Art und seine tierischen Begleiter einen in den Bann, man wird Teil dieser kleinen Welt, fühlt sich zeitweise gemeinsam einsam. Man fragt sich, was Emin alles erzählen könnte, würde man sich mit ihm auf einen Tee hinsetzen. Maja Novaković offenbart nicht allzu viel über den Mann, den sie porträtiert. Aber das ist in Ordnung, gar wichtig für den Sehprozess, der mit reduzierten Klängen einfühlsam unterstreicht, worum es in At the Door of the House Who Will Come Knocking geht: radikale Menschlichkeit.
OT: „Ko će pokucati na vrata mog doma“
Land: Bosnien und Herzegowina, Serbien
Jahr: 2024
Regie: Maja Novaković
Drehbuch: Maja Novaković, Jonathan Hourigan
Musik: Luka Barajević Bosnien und Herzegowina, Serbien
Kamera: Maja Novaković
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)