Ancestral Visions of the Future
© Agat Films - Mokoari Street Media - 2025

Ancestral Visions of the Future

Inhalt / Kritik

Lemohang Moseses Erfahrungen rund um sein Heimatland Lesotho, um seine Mutter, um das Leben im Ausland und um Spiritualität und Folklore ziehen sich durch seine gesamte bisherige Filmografie. Seinen neuesten Film, der seine Weltpremiere auf der Berlinale 2025 feierte, beschreibt der Filmemacher als bisher persönlichsten: In Ancestral Visions of the Future erzählt Mosese metaphernreich aus dem Off über das gewaltvolle Leben im kleinen südafrikanischen Land, über die ihm innewohnende Mythologie, die Verbundenheit zu Mutter Erde, die Entwurzelung und Anonymität in einer Großstadt, im Exil. Dazu werden diverse allegorische Aufnahmen der Umgebung und der Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, gezeigt. Dokumentation und Poesie verschwimmen zu einem essayistischen Manifest.

Eine Ode ans Kino

Es ist erfreulich, dass Lemohang Mosese sich dazu entschied, sein erstes Theaterstück Ancestral Visions of the Future/Pageantry of Wailing, uraufgeführt 2023 bei den Berliner Festspielen im Rahmen des Festivals „Performing Exiles“, auch auf die Leinwand zu bringen: Schon auf der Bühne markerschütternd und bildgewaltig, eignet sich das Ausgangsmaterial eigentlich perfekt für eine filmische Realisierung. Verbal und soundtechnisch kann das Werk auch vollends überzeugen: Mosese erzeugt mit seinem eigens eingesprochenen Voiceover eine bedeutungsschwere, fast schon pastorale Atmosphäre; der Ambient-Drone-Score schwillt wiederholt bedrohlich an und löst sich dann in kompletter Stille auf. Ancestral Visions of the Future ist, wie es im Opening selbst heißt, als Gesamtkunstwerk zu verstehen, als „Ode an das Kino“.

Alles, was über die dargestellten Geschehnisse erzählt wird, hat Hand und Fuß, ergibt Sinn, klingt unheimlich poetisch, ohne dabei jemals unnötig prätentiös zu wirken – mit seiner Erfahrung als Dichter beherrscht Mosese den Umgang mit Worten meisterhaft. Mit der Thematik nimmt sich der Regisseur und Drehbuchautor, der auch Kameraarbeit übernahm, einer Mammutaufgabe an – der Drahtseilakt zwischen individuellen Kindheits- und Exilerlebnissen und lesothischen Traumata, ausgehend von Kolonialismus und Versklavung, gelingt weitestgehend und wird mit eindringlichen Bildern wiedergegeben: der alte Mann, der mit seinem Blut den Ackerboden wieder fruchtbar machen möchte, die Mutter, die voller Verzweiflung mit bellenden Schreien nach ihrem verlorenen Sohn sucht, die Kinder, die noch freudig im Fluss baden, der rote BMW, der auf nächtlichen Straßen gewaltig aufröhrt, der Kampfkunsttrainer, der mit Lebensweisheit erfüllt ist, eingebettet in die universelle Philosophie des „Ubuntu“, die mit einem Rosa Luxemburg Zitat gut erklärt werden kann: „Mensch sein ist vor allem die Hauptsache.“

Wortgewalt übertönt die Bilder

Auf Ancestral Visions of the Future muss man sich einlassen, da er durchaus anstrengend sein kann. Visuell ist der Film zwar beeindruckend und leuchtet immer wieder mit gänsehauterzeugenden Szenen auf, über die Laufzeit von angemessenen 90 Minuten macht sich jedoch eine Diskrepanz zwischen Gehörtem und Gezeigtem bemerkbar. Gerade wenn man das ursprüngliche Theaterstück kennt und damit vergleicht, war dieses optisch besser umgesetzt und war leichter als synästhetische Einheit erkennbar als die neue filmische Adaption. Manchmal ist es sogar schwierig, sich auf alles gleichzeitig zu konzentrieren, da die Bilder dazu tendieren, ein bisschen zu sehr unzusammenhängend zu sein und teilweise dabei stören, sich in die Geschichte zu immersieren. Das Potenzial, das das Bühnenstück schuf, wird also mal weitestgehend erfüllt, mal nur angekratzt – man verlässt den Kinosaal aber mit einem Gefühl, dass mehr hätte drin sein können.

Credits

OT: „Ancestral Visions of the Future“
Land: Frankreich, Lesotho, Deutschland, Katar, Saudi-Arabien
Jahr: 2025
Regie: Lemohang Mosese
Drehbuch: Lemohang Mosese
Musik: Diego Noguera
Kamera: Lemohang Mosese, Phillip Leteka
Besetzung: Siphiwe Nzima, Sobo Bernard, Mochesane Kotsoane, Rehauhetsoe Kotsoane

Bilder

Filmfeste

Berlinale 2025

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Ancestral Visions of the Future
fazit
Mit „Ancestral Visions of the Future” präsentiert Lemohang Mosese ein zutiefst persönliches, eindringliches Werk, das unbarmherzige Realität und mythische Spiritualität verbindet. Die Bildsprache, obwohl hyperästhetisch realisiert, vermag es aber nicht über die gesamte Filmlänge mit der Schwere der Thematik und der gesprochenen Worte mitzuhalten.
Leserwertung0 Bewertungen
0
7
von 10