All the Little Animals
© Der Filmverleih

All the Little Animals

All the Little Animals
„All the Little Animals“ // Deutschland-Start: 6. März 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Der 24-jährige Bobby (Christian Bale) ist kein typischer Held. Nach einem schweren Unfall in seiner Kindheit, der bei ihm kognitive Beeinträchtigungen hinterlassen hat, lebt der junge Mann in einer Welt, die oft zu hart und grausam für ihn scheint. Als auch noch seine geliebte Mutter stirbt und er anschließend von seinem Stiefvater Bernard (Daniel Benzali) tyrannisiert wird, flieht der durchaus sensible Bobby aus seinem kalten Elternhaus. Ohne klares Ziel vor Augen beginnt er eine Reise durch die raue englische Landschaft, die ihn vor seinem Peiniger retten soll. Auf seinem Weg trifft er auf den exzentrischen Mr. Summers (John Hurt), einen alten Mann mit einer berührenden Mission: Er begräbt die von Autos getöteten Tiere, um ihnen den Respekt zu erweisen, den sie verdienen. Mr. Summers nimmt Bobby auf und fortan machen sie sich gemeinsam auf den Weg, um diese Arbeit zu verrichten. Doch die Idylle währt nicht lang, denn die Angst vor Bobbys Stiefvater sitzt tief.

Ein Film der leisen Töne

All the Little Animals, das Debüt und der bislang einzige Spielfilm von Regisseur Jeremy Thomas, feierte bereits 1998 seine Premiere. Thomas, vor seinem Regieerstling vor allem als Produzent von Klassikern wie Der letzte Kaiser bekannt, wagte sich mit diesem Film auf emotionales Terrain, das mehr durch Atmosphäre als durch Handlung besticht. Die Kameraarbeit von Mike Molloy fängt die weiten, oft trostlosen Landschaften Englands mit poetischer Schönheit ein, während der spärliche Score die Melancholie des Films noch verstärkt.

Die zentrale Beziehung zwischen Bobby und Mr. Summers verleiht der Geschichte ihre emotionale Kraft. Christian Bale, zwei Jahre vor seinem endgültigen großen Durchbruch mit American Psycho noch ein aufstrebender Schauspieler, verkörpert den verletzlichen, kindlichen Bobby mit beeindruckender Zurückhaltung und intensiver Präsenz. Ohne je ins Sentimentale abzurutschen, bringt Bale die innere Zerrissenheit und den verzweifelten Wunsch nach Geborgenheit auf den Punkt — eine nuancierte, tiefgehende Leistung, an der man schon ablesen konnte, dass er einer der besten Filmschauspieler seiner Generation ist. Während John Hurt als weiser, aber gebrochener Einsiedler eine Leistung liefert, die ebenfalls unter die Haut geht, ist es letztlich Bales intensive Darstellung, die der Geschichte ihre emotionale Wucht verleiht. Ihre stille Freundschaft, geprägt von Schmerz und gegenseitigem Verständnis, entwickelt sich zum Herzstück des Films.

Keine klassischen Spannungskurven

Narrativ meidet der Film klassische Spannungskurven. Vielmehr sind es die kleinen Begegnungen und Beobachtungen, die den Reiz von All the Little Animals ausmachen. Dabei gelingt es Thomas, Themen wie Kindheitstrauma, Behinderung und psychische Gewalt mit großer Sensibilität zu behandeln, ohne jemals reißerisch zu werden. Stattdessen entfaltet sich eine sanfte Meditation über Mitgefühl, Vergänglichkeit und den Wert des Lebens — nicht nur des menschlichen. Allerdings könnte gerade diese Zurückhaltung für einige Zuschauer zu wenig sein. Die Handlung bleibt episodenhaft, der Konflikt mit Bernard wirkt wie ein notwendiges Übel, das in einem wenig überzeugenden Finale aufgelöst wird. Hier verschenkt der Film Potenzial, das er zuvor mit seiner stillen Intensität aufgebaut hatte. Das Drama will zwar tiefsinnig sein, verliert sich jedoch zu oft in seiner eigenen Langsamkeit und schafft es nicht, eine konstant fesselnde Erzählung aufrechtzuerhalten. Dies führt dazu, dass die Stimmung stellenweise ins Zähe kippt und die aufkommende Melancholie mehr ermüdet als berührt.

Bemerkenswert ist auch die lange Verzögerung, mit der der Film den Weg in die deutschen Kinos findet: Erst 2025, also 27 Jahre nach seiner Entstehung, wird All the Little Animals hierzulande regulär anlaufen. Warum das so ist, bleibt weitgehend Spekulation. Man könnte meinen, dass die eher sperrige und stille Natur des Films keinen Verleih überzeugen konnte, es kann aber auch sein, dass die Themen des Films damals als zu düster und schwer vermittelbar galten. Ein interessanter Umstand, der im heutigen Kontext von nachhaltigem Kino und einem verstärkten Interesse an introspektiven Stoffen plötzlich anders wirkt — und der dem Film vielleicht gerade jetzt eine zweite Chance gibt, sein Publikum zu finden.

Credits

OT: „All the Little Animals“
Land: UK
Jahr: 1998
Regie: Jeremy Thomas
Drehbuch: Eski Thomas, Walter Hamilton
Musik: Richard Hartley
Kamera: Mike Molloy
Besetzung: John Hurt, Christian Bale, Daniel Benzali, James Faulkner

Bilder

Trailer

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

All the Little Animals
fazit
Mit „All the Little Animals“ liefert Jeremy Thomas einen leisen, aber eindringlichen Film ab, der sich mehr auf emotionale Wahrhaftigkeit als auf klassische Erzählmuster verlässt. Christian Bale und John Hurt harmonieren perfekt und machen die melancholische Reise durch die englische Provinz zu einem besonderen Erlebnis. Doch wer nach klaren Spannungsbögen sucht, wird hier womöglich nicht fündig. So überwiegen der starken Darstellerleistungen am Ende die Schwächen: Die fehlende narrative Dynamik und das wenig befriedigende Finale lassen den Film letztlich hinter seinen Möglichkeiten zurück.
Leserwertung0 Bewertungen
0
6
von 10