La Chimera
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„La Chimera“ // Deutschland-Start: 11. April 2024 (Kino)

Inhalt / Kritik

Italien in den 1980ern: Skrupel kennt die Truppe Tombaroli nicht, wenn sie nach alten Gräbern Ausschau hält, um diese plündern zu können. Schließlich ist es für einen guten Zweck – ihren Geldbeutel. Die Museen freuen sich, ebenso andere an Kunst Interessierte, kommen sie doch für relativ wenig Einsatz an wertvolle Schätze. Unter der Räubertruppe befindet sich auch der Brite Arthur (Josh O’Connor), der eine ganz eigene Methode hat, um sich bei dieser Beutetour zu beteiligen. Er läuft mit einer Wünschelrute durch die Gegend, fühlt sich magisch zu den Schätzen hingezogen. Dabei sind es nicht allein die Schätze, die ihn die Nähe zu den Toten suchen lassen. Er trauert zudem seiner verstorbenen großen Liebe Beniamina hinterher, die er überall zu finden hofft. Dabei lernt er auch Italia (Carol Duarte) kennen, die Assistentin seiner Schwiegermutter, der Gräfin Flora (Isabella Rossellini) …

Ein Film abseits der Grenzen

Allzu oft dreht Alice Rohrwacher ja leider keine Filme. Zumindest die Zahl der Spielfilme ist überschaubar, sie lässt sich an einer Hand abzählen. Dafür darf man sich jedes Mal darüber freuen, etwas Besonderes sehen zu können. So erzählte sie zuletzt in Glücklich wie Lazzaro 2018 von einem Mann, der eigentlich zu unschuldig für die Welt ist, sowie einem Landgut mit einem kuriosen Geheimnis. Nun gibt es mit La Chimera Nachschub von der italienischen Regisseurin und Drehbuchautorin. Erneut zeigt sie sich dabei als Grenzgängerin, wenn man hier oft nie ganz sicher ist, was da eigentlich gerade geschieht, und nichts in die vorgefertigten Schubladen passt.

Einen vergleichbaren Twist wie beim letzten Mal hat die Filmemacherin diesmal nicht eingebaut. Wo das letzte Werk noch mit der Ungewissheit spielt, wann ihre Geschichte denn stattfindet, ist La Chimera da klarer. Wobei die Grenze zwischen der Jetztzeit, die in den 80ern liegt, und der weiten Vergangenheit, als die Gräber bestückt wurden, durchlässig ist. Dazu passt dann auch die Figur der Gräfin, die am gestern festhält, auch an ihrer toten Tochter, während das Schloss um sie herum allmählich verfällt. Das hat etwas Märchenhaftes an sich, wie ein verwunschener Ort, der losgelöst von der Realität existiert. Hinzu kommen noch die Traumsequenzen, die nahtlos ineinander übergehen und bei denen man zuerst gar nicht bemerkt, dass es Träume sind. Bei Rohrwacher ist nichts definitiv, nicht einmal der Tod.

Nachdenklich, verträumt, unterhaltsam

Dabei hat sie auch über das Leben und den Alltag einiges zu sagen. Gerade der Aspekt des Kunstraubes ist wichtig und aktuell. Wenn hier Schätze aus Gräbern gestohlen werden und in Museen landen, dann ist das ein mehr als deutlicher Verweis auf Diskussionen, wie wir sie etwa im Zusammenhang mit Kolonialkunst haben. La Chimera lädt dazu ein, darüber ganz allgemein zu sprechen. Wem gehören Kunststücke? Denjenigen, die sie gemacht haben? Denjenigen, für die sie gemacht wurden? Oder hat doch die Allgemeinheit ein Anrecht darauf, diese sehen zu können? Das ist gerade auch im Kafka-Todesjahr spannend, dessen Werke gegen seinen Willen posthum veröffentlicht wurden, obwohl sie eigentlich hätten zerstört werden sollen. Bei einer wertvollen Statue, der wichtigste Schatz der Truppe, ist durchaus darüber zu diskutieren, ob der richtige Ort das abgelegene Grab ist.

Das klingt verkopft, wird bei Rohrwacher aber wieder mit einer betörenden Leichtigkeit erzählt. Und mit viel Humor: Ob es die kuriosen Methoden sind, mit denen die Tombaroli nach den Schätzen suchen, die skurrilen Figuren oder auch die Zwischendynamik, da ist schon einiges darüber, worüber man schmunzeln darf. Auch wenn einem einiges davon von den früheren Titeln der Regisseurin bekannt vorkommt, ist La Chimera erneut ein wunderbarer Film geworden. Das zwischen Drama und Komödie, Abenteuer und Romanze schwankende Werk, welches 2023 in Cannes Weltpremiere hatte, nimmt einen mit auf eine ganz besondere Reise, an deren Ende man vielleicht keine Erkenntnis gewonnen hat, dafür aber viele wertvolle Eindrücke. Die verträumte Atmosphäre und ein gut aufgelegtes Ensemble erledigen den Rest.

Credits

OT: „La Chimera“
Land: Italien, Frankreich, Schweiz
Jahr: 2023
Regie: Alice Rohrwacher
Drehbuch: Alice Rohrwacher
Kamera: Hélène Louvart
Besetzung: Josh O’Connor, Carol Duarte, Vincenzo Nemolato, Isabella Rossellini, Alba Rohrwacher, Lou Roy-Lecollinet

Bilder

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La Chimera
fazit
„La Chimera“ nimmt uns mit ins Italien der 1980er, wenn eine Gruppe von Grabräubern umherzieht. Das schwankt zwischen Drama und Komödie, Romanze und Abenteuer und lässt auch sonst viele Grenzen verschwimmen. Das ist wie immer bei Alice Rohrwacher sehr sehenswert, ein wunderbares Werk, das einem bekannt vorkommt und doch ganz eigen ist.
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