Sisu
© Sony Pictures
Sisu
„Sisu“ // Deutschland-Start: 11. Mai 2023 (Kino) // 27. Juli 2023 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Finnland, 1944. Der Zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende zu. Irgendwo in der Wildnis Lapplands stehen ein Zelt, ein Pferd und ein Hund. Aus einem Loch in der Erde fliegt Dreck. Wie ein fernes Unwetter dröhnen Flugzeuge über den Himmel. Ein älterer Mann (Jorma Tommila) schlägt mit der Spitzhacke in die Erde, als ein goldener Schein über sein bärtiges Gesicht fällt. Gold! Das Problem dabei ist, dass die nächste Bank nicht gerade um die Ecke liegt. Und der Weg zum Ziel ist mit Nazis, Minen und einem Panzer gespickt.

Minen und Mienenspiel

Die Handlung passt auf einen Bierdeckel. Ein alter Goldgräber läuft Nazis über den Weg, als er sein Gold zur nächsten Bank schleppen will. Doch als die Nazis ihn umbringen wollen, um an das Gold zu gelangen, müssen sie feststellen, dass sie es hier mit einem ehemaligen Soldaten zu tun haben, einer Ein-Mann-Armee mit Spitzhacke. Die russischen Kämpfer, erzählt man sich, gaben ihm den Namen „Der Unsterbliche“. Auch die Frauen, welche von den Nazis gefangen genommen wurden und von ihnen missbraucht werden, kennen die Legende des alten Mannes. Aino (Mimosa Willamo), eine der Gefangenen, erklärt, dass sie ihn nicht für unsterblich hält, „er weigert sich nur, zu sterben“. Das philosophische Fass, in dem die Frage schwimmt, welche Macht der Geist über den Körper hat, wird hier mal kurz gelüftet.

Sisu ist ein sehr geradliniger Film und in Kapitel unterteilt. Der Aufbau ist überschaubar, aber gerade diese Einfachheit in Kombination mit dem Kontrast zwischen der kargen Landschaft und den teils düster-überzeichneten, brachialen Szenen entfaltet immer wieder eine gewisse Spannung und Überraschungseffekte.

Die Art und Weise, mit welcher der Protagonist durch die Schwierigkeiten geht, sich am Leben erhält, seinen Körper flickt, der geschunden ist wie das Land um ihn herum, ist teilweise schon sehr grotesk gestaltet. Bei einer Szene unter Wasser zum Beispiel hörte man hier und da im Kino ein kurzes Auflachen, weil es so absurd wirkte. Ein anderes Beispiel ist die Landmine, die der Protagonist aus dem Rauch einem der Nazis ins Gesicht wirft wie eine Clownstorte. Da dieser tarantinoeske Action-Film sich selbst nicht zu ernst nimmt und diese Überzeichnung bewusst einsetzt, nimmt man es ihm auch nicht übel, besonders, wenn man mit der Erwartung ins Kino geht, dass man hier genau das bekommt, was einem der Trailer versprochen hat.

Besonders am Anfang, wenn die Nachhut der Nazis den alten Goldgräber umbringen will, wird mit Detailaufnahmen gearbeitet, wie man sie vielleicht aus Westernstreifen kennt. Wir sehen jede Regung, jedes angespannte Zucken im Gesicht des Protagonisten, wodurch eine reduzierte, aber wirkungsvolle Spannung transportiert wird. Der Protagonist redet nicht viel. Dafür gibt es Elemente, die nach dem Motto „Show – don’t tell“ in Szene gesetzt wurden. Wenn er an seinem Ehering dreht, reicht das aus, um uns wissen zu lassen, dass er an jemanden denkt. Wenn er einen Brocken Gold vergräbt, könnte das heißen, dass er kurz daran denkt, aufzugeben. Der Schauspieler kompensiert seine Schweigsamkeit sehr gekonnt mit Mimik und Gestik.

Narben und Motivation

Die Narben, die sich über seinen Körper ziehen; Flickwerk und ausgebrannte Wunden – man könnte die Figur als Spiegel der zerstörten Landschaft betrachten, vielleicht sogar als Natur selbst. Wie eine Urgewalt zieht er schweigsam weiter und holt sich zurück, was ihm gestohlen wurde, selbst wenn er in Flammen steht wie die Stadt, vor welcher der Goldschürfer in einer Szene steht.

Eine andere metaphorisch aufgeladene Figur könnte der Hund sein. Natürlich könnte man sagen, der Hund soll der Figur des Aatami Korpi einfach ein paar zusätzliche Sympathiepunkte einbringen. Aber da die Splatter-Action erst losgeht, nachdem er den Hund in Sicherheit weggeschickt hat und dieser ansonsten auch nicht den Angriffen der Gegner zum Opfer fällt, er später plötzlich wieder auftaucht, wollte Regisseur und Drehbuchautor Jalmari Helander der Handlung hier möglicherweise eine weitere Bedeutungsebene verleihen, die über die vertraute „Einsame Figur mit Hund“-Story hinausgeht, die man aus I am Legend mit Will Smith oder aus den John Wick-Filmen kennt.

Was die Spannung knackig hält, sind die gegenläufigen Motivationen der Figuren. Der ehemalige Soldat will vornehmlich sein Gold zur Bank bringen. Die Nazis – zumindest der Kopf des Zuges (Aksel Hennie) – wollen das Gold, als Möglichkeit aus der Geschichte herauszukommen, da der Krieg für sie verloren ist. Die Gruppe der Frauen will ihren Peinigern entkommen.

Schließlich kann man noch das Ende erwähnen, das im direkten Vergleich zu den Bildern und Einfällen, mit denen Sisu vorher aufgewartet hat, etwas schwächer wirkt als Rest. Das mag teilweise auch daran liegen, dass am Ende eine Szene auftaucht, in welcher die Übertreibung der Überlebensfähigkeit noch ein Stück unglaubwürdiger erscheint als im restlichen Film. So als hätte man hier kurz die Motivation verloren, sich eine kreative Möglichkeit auszudenken, wie die Figur an dieser Stelle etwas glaubwürdiger überlebt.

Credits

OT: „Sisu“
Land: Finnland
Jahr: 2022
Regie: Jalmari Helander
Drehbuch: Jalmari Helander
Musik: Juri Seppä, Tuomas Wäinölä
Kamera: Kjell Lagerroos
Besetzung: Jorma Tommila, Aksel Hennie, Jack Doolan, Minosa Willamo, Onni Tommila, Arttu Kapulainen, Tatu Sinisalo, Vincent Willestrand, Miia Heikkinen

Bilder

Trailer

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Sisu
fazit
„Sisu“ ist ein linearer Action-Film mit überzeichneten, kreativen Einfällen beim Überlebenskampf des Goldgräbers. Der Cast ist überschaubar und harmoniert gut miteinander, wobei Jorma Tommila eine ausdrucksstarke Performance hinlegt. Das Ende ist ein bisschen schwächer als der Rest.
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4.9
7
von 10