Ararat
© Mykolaj Syguda

Ararat

Ararat
„Ararat“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Während ihre Eltern Hasan und Fatma (Rasim Jafarov und Funda Rosenland) zurück in die Türkei gingen, um dort einen Steinbruch für Marmor zu leiten, blieb Zeynep (Merve Aksoy) in Berlin zurück. Von jeher war ihr Verhältnis zu Vater und Mutter angespannt, doch nach einem Autounfall, den Zeynep selbst verursacht haben soll, wird die Beziehung nochmals auf die Probe gestellt. Ohne zu erklären, wie es zu dem Vorfall gekommen ist, kehrt sie in die Türkei zurück, in die kleine Gemeinde am Fuße des Berges Ararat. Den Fragen ihres Vater versucht sie zu entgehen und bleibt stundenlang in ihrem Zimmer eingeschlossen, während ihre Mutter immer wieder eine Verbindung zu ihrer verschlossenen Tochter sucht. Als wären die Sorgen um seine Tochter nicht genug, muss sich Hasan noch mit Problemen in seinem Betrieb herumschlagen. Schon seit geraumer Zeit können er und seine Leute kaum noch Marmor im Steinbruch finden und die Rechnungen sammeln sich langsam an, sodass Hasan gezwungen ist, seine Maschinen zu veräußern und vielleicht sogar ganz den Betrieb aufzugeben.

Im Osten der Türkei

In einem 2015 erschienen Porträt der Journalistin Barbara Engels wird der Weg von Drehbuchschreiber und Regisseur Engin Kundaĝ beschrieben, dessen Werdegang im Kulturgeschäft nicht unbedingt einfach und vorherbestimmt war. Seine Drehbücher und Filme kehren immer wieder in die Heimat zurück, zu Themen wie Familie, Immigration und Identität, was schon in seinem Kurzfilm Ararat (2012) der Fall war. Für seinen ersten Langfilm kehrt er zurück in die Region um den bekannten Berg in der Osttürkei, jener Region, aus der seine Familie stammt, und bleibt dabei seinen Themen treu.

Wenn Kundaĝ sich beschreibt, dann nutzt er Begriffe wie unangepasst, was in gewisser Weise gut zur Heldin seines Filmes passt, der auf der diesjährigen Berlinale zum ersten Mal einem Publikum gezeigt wird. Tatsächlich weicht Merve Aksoy (Nur eine Frau) als Zeynep nicht nur von dem Frauenbild ab, was man ansonsten im kulturellen Milieu vorfindet, in welchem der Film spielt. Sie ist auch jemand, der Konflikte zum Hochkochen bringt. Zwar dominiert immer wieder das Schweigen in den zähen Unterhaltungen mit ihrem Vater und ihrer Mutter, doch in ihren Augen spiegelt sich eine Wut wider, die anscheinend nur auf den richtigen Moment wartet, auszubrechen, ähnlich einem Vulkan. Zugleich ist die junge Frau Beobachterin und damit Störfaktor in einer Familie, in der viele nach Antworten verlangen, aber weder Hasan noch Fatma in der Lage sind, ihre eigenen Probleme in Worte zu fassen oder sich mit ihren Lebenslügen zu befassen. Es ist ein im positiven Sinne stilles Familiendrama, was Engin Kundaĝ inszeniert, und was auf eine unvermeidliche und schmerzhafte Auseinandersetzung mit jenem Schweigen hinausläuft, dass das Leben dieser drei Menschen schon lange definiert.

Der Marmor ist fragil

Ästhetisch schwankt Ararat zwischen Realismus und Minimalismus. Mit nur wenigen Einstellungen sowie einer meist statischen Kamera fängt er die angespannte Situation der Figuren ein, das bereits angeführte Schweigen sowie die Brüche in diesen Lebenskonstrukten, die sie sich gebaut haben. „Der Marmor ist fragil“, sagt Hasan an einer Stelle zu seiner Frau, die ihm nur sagt, sie wisse bereits davon, wobei man als Zuschauer zunächst nicht weiß, ob hier nicht noch mehr gemeint ist als die finanziell angeschlagene Firma. Die karge Landschaft um das Familienhaus herum, die schier endlose Weite und der über allem thronende Berg vervollständigen das Bild einer Familie, die an einem Scheideweg angekommen ist, welcher ihr Ende bedeuten könnte oder das Fundament für etwas Neues legen kann. Engin Kundaĝ lässt dann noch einmal das Bild des Berges Ararat erscheinen, der stumm in der Nacht liegt und auf die Probleme der Menschen wie ein Gigant herabsieht.

Credits

OT: „Ararat“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Engin Kundaĝ
Drehbuch: Engin Kundaĝ
Kamera: Mikołaj Syguda
Besetzung: Rasim Jafarov, Merve Aksoy, Funda Rosenland, Aziz Capkurt

Bilder

Trailer

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Berlinale 2023

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Ararat
fazit
„Ararat“ ist ein Familiendrama über Identität und Lebenslügen. Engin Kundaĝs Film besticht durch seine minimalistische und präzise Ästhetik, welche die Anspannung, die Wut und die Verzweiflung der Figuren betonen. Darüber hinaus überzeugt das tolle Ensemble, allen voran Rasim Jafarov als Hasan und Merve Aksoy als Zeynep.
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