Domingo y la Niebla Domingo and the Mist
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Domingo and the Mist

Domingo y la Niebla Domingo and the Mist
„Domingo and the Mist“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Domingo (Carlos Ureña) lebt auf dem alten Hof seiner verstorbenen Frau. Der betagte Milchbauer, der gerade mal noch eine Handvoll Tiere besitzt und den Verlust immer nicht verarbeitet hat, soll nun sein Heim für einen Highway räumen, der durch die nebelverhangenen sattgrünen Ebenen von Costa Rica führen soll. Domingo glaubt jedoch, dass seine Frau durch den Nebel zu ihm spricht. Irgendwo gefangen zwischen den Realitäten, ist der alte Mann bereit für sein Heim zu kämpfen. Fest entschlossen, wenn nötig sogar mit Gewalt.

Traumartig und jenseits der Zeit

Gelber Regenmantel und wenn überhaupt nur ein paar Sonnenstrahlen, die durch die tief hängende Wolkendecke das schlechte, trübe und vor allem neblige Wetter kaum vertreiben können. Auch wenn der Vergleich mit einer der erfolgreichsten Netflix-Serien Dark weit hergeholt erscheint, ganz so abwegig ist er nicht. Denn die Hauptfigur Domingo in Ariel Escalantes zweitem Langfilm Domingo y la Niebla ist wie der Junge aus Winden ein Wanderer zwischen zwei Welten, in denen traumartig Realitäten verschmelzen und man die Zeit schon einmal vergessen kann.

Regisseur Escalante, der in allen seiner bisherigen Filme Trauer thematisierte und diese mit einer ruhigen Erzählweise sowie bedachten Bilder umspann, lässt auch in seinem neuen Werk den Verlust, den tief sitzenden Kummer und Schmerz zum zentralen Kern von Domingo y la Niebla werden. In Cannes in der Sektion „Un Certain Regard“ uraufgeführt, ist das Drama damit ein intimer Einblick in die Seele eines Mannes, der Naturalismus und (Alb-)Traum in sich vereint.

Gedreht in den satt grünen Hügeln des Cascajal Bezirks in Costa Rica, zeigt sich Domingo y la Niebla von Beginn an mysteriös. Wo Nebel üblicherweise alles Hörbare schluckt, bringen die dichten grau aufschimmernden, fast schon glühenden Schwaden eine sich aufbäumende Geräuschkulisse mit sich, die gleichzeitige Alltagsgeräusche wie in einem perfekt abgestimmten Klangkonzert in sich aufnimmt und gespenstisch verstärkt. Ruhe erfährt der leidgeplagte Domingo in der wabernden Einsamkeit damit nie. Vielmehr scheinen ihn der Nebel und die darin aufkeimenden Geräusche den Weg in eine Parallelwelt zu geleiten, wo lediglich das Echo seiner Stimme widerhallt und oft nur noch schemenhaft Umrisse zu erkennen sind.

Monologe über den Tod

Eingefangen in einem Format, das an David Lowerys A Ghost Story erinnert, verharrt Regisseur Escalante oftmals nahezu bewegungslos in der Szenerie und begleitet die Momente mit minimalster Bewegung. Wenn sich der Nebel über die Hügel drängt, sich durch einen schmalen Trampelpfad im dichten Grün zwängt und durch das offene Fenster von Domingos Schlafzimmer Besitz von seinem Haus, seinem Inneren ergreift, mutet Domingo y la Niebla, gepaart mit Monologzeilen, die über das Leben nach dem Tod philosophieren, immer wieder anmutig und poetisch an. Gleichzeitig entwickelt Escalante für sein Drama eine Bildsprache, die sich durchaus auch in einem Mysteryhorror wiederfinden könnte. Nur dass der Regisseur seinen Film immer in der Schwebe hält, nie eine Seite wählt, noch Erklärungen für etwas anbietet. Vielmehr ist es die Faszination, die die Menschen umgibt, die sich nicht von Verstorbenen trennen können und sie als Geisterwesen am Leben erhalten.

Dennoch ist Domingo y la Niebla nicht rein auf spiritueller Ebene zu betrachten. So beschäftigt den Mann eben nicht nur der Tod seiner Frau, sondern ebenso die Tatsache, dass ihm ein weiterer ungewollter Verlust bevorsteht. Das Gespräch, das in der Dunkelheit des Bildes einen fast schon eindringlichen Charakter hat, offenbart direkt zu Beginn die soziopolitische Komponente, mit der sich der Regisseur in seinem Drama auseinandersetzt. Zum einen zeigt sich damit die rücksichtslose Natur der Bauherren, die ihre Macht mit Geld demonstrieren, zum anderen die Entschlossenheit des alten Mannes sein Stück Land verteidigen zu wollen. Im Nebel des allabendlichen Alkohols, driftet Domingo so Stück für Stück in Gefilde ab, wodurch die skrupellose Bedrohung und Einschüchterungsversuche der Bauunternehmer auch in ihm Wut, Verzweiflung und Gewaltbereitschaft erwächst. Ein beängstigender Konflikt, der sich zusätzlich in die zuweilen erdrückende Atmosphäre ergießt. Trotzdem ist Domingo y la Niebla am Ende ein Film der wie seine Hauptfigur irgendwo im „Dazwischen“ feststeckt und dem anfänglich interessanten Konstrukt im Verlauf nur noch wenig hinzuzufügen hat. Zurück bleibt ein Werk mit dünner Geschichte, das sich im bildlichen Ausdruck viel zu oft als reiner Wiederholungstäter zeigt.

Credits

OT: „Domingo y la Niebla“
Land: Costa Rica, Katar
Jahr: 2022
Regie: Ariel Escalante
Drehbuch: Ariel Escalante
Musik: Alberto Torres
Kamera: Nicolás Wong
Besetzung: Carlos Urena, Sylvia Sossa, Aris Vindas, Esteban Brenes Serrano

Bilder

Trailer

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Domingo and the Mist
Fazit
Trotz wunderschöner Bilder, poetisch wie geisterhaft mysteriöser Atmosphäre mäandert „Domingo y la Niebla“ mit bildsprachlich oft wiederholten Motiven durch eine merklich reduzierte Geschichte und nagt dadurch schlussendlich unnötigerweise zu sehr an der Geduld.
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