
Frankreich, 2018: Die Stimmung im ganzen Land ist angespannt. Die Gelbwesten-Proteste zeigen die Zerrissenheit einer Gesellschaft, die einem Pulverfass gleicht. Als bei einem dieser Proteste ein Jugendlicher durch die Polizei angeschossen und schwer verletzt wird, startet Stéphanie Bertrand (Léa Drucker) eine interne Ermittlung. Sie soll herausfinden, was an den Vorwürfen dran ist und, sollten diese sich verhärten, wer der Schuldige ist. Doch das ist alles andere als einfach. Die Kollegen hüllen sich in einen Mantel des Schweigens, sind fest entschlossen zueinander zu halten, komme, was wolle. Nur nach und nach kommt Bertrand dank ihrer unerbittlichen Art der Wahrheit näher. Aber wird das am Ende auch reichen?
Wahrheitssuche zwischen Drama und Krimi
Der in Deutschland geborene französische Regisseur Dominik Moll hat eine Vorliebe für Filme, die irgendwo zwischen Drama und Krimi bzw. Thriller liegen. So erzählte er in dem multiperspektivischen Die Verschwundene (2019) von einer Frau, die spurlos verschwunden ist, sowie der Suche nach der Wahrheit. Beim mehrfach preisgekrönten In der Nacht des 12. (2022) folgen wir einem Polizisten, der einen Mord aufzuklären versucht und an dieser Aufgabe zu zerbrechen droht. Mit Dossier 137 legte der Filmemacher nun ein weiteres Mischwerk vor, bei dem die Hauptfigur eine Lösung sucht und dabei auf zahlreiche Hindernisse stößt.
Der große Unterschied ist natürlich, dass die Verdächtigen ausschließlich Polizisten sind. Waren diese in dem vorangegangenen Film noch primär die Guten der Geschichte, ist die Einteilung in gut und böse in Dossier 137 deutlich schwieriger. Moll und sein Co-Autor Gilles Marchand beschreiben eine Institution, die eigentlich dafür da ist, die Menschen zu schützen, gleichzeitig aber auch von einem sehr starken Wir-gegen-die-Gefühl geprägt ist. Der Film ähnelt dabei den deutschen Beiträgen Am Ende der Worte und Die Nichte des Polizisten, bei denen ebenfalls Polizisten fragwürdige Einstellungen zu Loyalität und Gesetzestreue demonstrieren. Das Motto: Die Beurteilung einer Tat hängt davon ab, wer sie begangen hat. Die Guten dürfen auch Böses tun und sind trotzdem gut – so die Annahme.
Mal plakativ, mal dokumentarisch
Der Film kritisiert das natürlich. Moll lässt keinen Zweifel daran, dass es sich bei den Tätern um Kriminelle in Uniform handelt. Manchmal würde man sich da ein wenig mehr Ambivalenz erhoffen. Es ist auch nicht so, als wäre sehr viel in die Figurenzeichnung investiert worden. Während bei der Protagonistin schon einiges getan wurde, um sie dem Publikum näherzubringen, sind die Verdächtigen keine Individuen. Da wird nichts dafür getan, dass man sie im Hinblick auf den Charakter oder die Lebensgeschichte auseinanderhalten kann. Auf diese Weise neigt Dossier 137 zuweilen zum Plakativen, wenn da einfach zu viele über einen Kamm geschert werden. Es fehlt auch die Perspektive der Gegenseite.
Dennoch ist das Krimidrama, welches 2025 im Wettbewerb von Cannes Weltpremiere hatte, ein weiterer sehenswerter Film von Moll geworden. So vertraut der Franzose auf die Geschichte und verzichtet darauf, das Publikum manipulieren zu wollen. Teilweise ist das so nüchtern hier, an manchen Stellen auch so beiläufig, dass man glatt glauben könnte, es handele sich um eine Dokumentation. Tatsächlich soll Dossier 137 von realen Vorkommnissen inspiriert worden sein, ohne dass dies näher ausgeführt würde. Das ist auch Léa Drucker (Unter Kontrolle) zu verdanken, die natürlich auftritt, ihrer Figur eine Mischung aus distanzierter Professionalität und Menschlichkeit verleiht. Das Publikum dürfte am Ende hingegen umso wütender sein, wenn uns der französische Film wie schon bei In der Nacht des 12. ein einfaches Happy End verweigert. Manchmal ist man einfach zur falschen Zeit am falschen Ort und muss sich mit dem Bösen abfinden.
OT: „Dossier 137“
Land: Frankreich
Jahr: 2025
Regie: Dominik Moll
Drehbuch: Dominik Moll, Gilles Marchand
Musik: Olivier Marguerit
Kamera: Patrick Ghiringhelli
Besetzung: Léa Drucker, Jonathan Turnbull, Mathilde Roehrich, Pascal Sangla, Claire Bodson, Florence Viala, Hélène Alexandridis
Cannes 2025
Filmfest Hamburg 2025
Zurich Film Festival 2025
Französische Filmtage Tübingen Stuttgart 2025
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