Bubbles (Kinostart: 23. Oktober 2025) folgt Fiete (Leonard Scheicher) zur alten Strandhütte seiner Eltern, die er eigentlich gemütlich mit seiner Freundin Amiri (Zeynep Bozbay). Das Vorhaben wird jedoch deutlich erschwert, als auf einmal Luca (Johannes Nussbaum) auch dort auftaucht. Als Jugendlicher waren die beiden sehr eng befreundet, seit Jahren hatten sie aber keinen Kontakt mehr. Je mehr Zeit die beiden im Laufe des Wochenendes verbringen, umso mehr kommen alte Gemeinsamkeiten zurück. Es wird ihnen aber auch bewusst, wie sehr sie sich voneinander entfremdet haben – zumal da auch noch eine unausgesprochene Vergangenheit mitschwingt. Wir haben Leonard Scheicher bei der Premiere des Films beim Filmfest München 2025 getroffen. Im Interview spricht er über die Arbeit an dem Drama, seine Erfahrungen mit Bubbles und Freundschaften.
Warum hast du bei Bubbles mitgemacht? Was hat dich an dem Film interessiert?
Ich habe mit Regisseur Sebastian Husak, dem Kameramann Nikolai Huber und meinem Cousin Giovanni Berg, der die Musik gemacht hat, schon einmal einen Film gedreht. Der heißt Oktopus und Muräne und war ähnlich im Stil, das heißt, wir haben größtenteils die Dialoge improvisiert. Ich habe mich sehr gefreut, dass Sebastian wieder mit mir drehen wollte, weil das damals so viel Spaß gemacht hat. Diese Unmittelbarkeit von Improvisation ist wirklich ein Geschenk für uns Schauspieler. Wir wurden alle aufeinander losgelassen und da geht dann ein Feuerwerk los. Außerdem finde ich, dass die Geschichte von Bubbles total relevant ist. Wir leben nun einmal in vermeintlichen Bubbles und können uns nicht dagegen wehren. Umso wichtiger ist es, dass wir wieder anfangen, miteinander zu reden. Und das erzählen wir im Kleinen am Beispiel von zwei Freunden, die sich nach Jahren wiedersehen.
Das Thema Bubbles ist in den letzten Jahren ziemlich hochgekommen. Hast du das Gefühl, dass wir uns heute stärker in Bubbles bewegen als früher? Oder sind wir uns nur stärker bewusst?
Das kann ich so gar nicht sagen. Dass aber die Schere immer weiter auseinandergeht zwischen arm und reich, Stadt und Land, ideologisch und finanziell, das spüre ich auch.
Du hast bereits gesagt, dass es dazugehört, dass wir in Bubbles leben. Das lässt sich gar nicht verhindern. Ab wann wird das aber zu einem Problem?
Jede Bubble hat ihre eigene Geschichte, eine Erzählweise. Wenn die sich dann verselbständigt und kein Einfluss mehr von außen eindringt, dazu noch die andere Erzählung von einer anderen Bubble als Feind angesehen wird, als Gefahr, dann haben wir ein Problem. Und ich glaube, wir sind gerade an dem Punkt, an dem das hier in Deutschland passiert. Das hast du gerade während Corona bemerkt. Da wurde zwar viel von Zusammenhalt gesprochen. Tatsächlich sind wir aber in Lager zerbrochen und es wurden keine Grauzonen mehr zugelassen. Deswegen plädieren wir mit unserem Film auch für mehr Grau.
Was kann die Gesellschaft tun, damit es wieder mehr Grautöne gibt?
Ich persönlich kann nur meinen Teil in der Kultur beitragen, indem man Filme darüber macht, Geschichten darüber erzählt. Filmfestivals sind eine gute Möglichkeit, um Menschen zu treffen und mit ihnen zu diskutieren. Es geht um die Zusammenkunft von Menschen aus unterschiedlichen Bubbles und das Schaffen von Orten, wo eine solche Zusammenkunft möglich ist.
Aber erreicht man mit solchen Filmen wirklich die Menschen, die es betrifft? Vielleicht haben gerade sie überhaupt keine Lust, sich die Filme anzuschauen, wenn sie sehen, was das Thema ist.
Das kann schon sein, das stimmt. Aber wenn Programmkinos diese Filme zeigen, dann ist es nicht nur eine einzige Bubble, die dahin geht. Und wenn diese Menschen sich erst einmal bewusst werden, dass sie in einer Bubble leben, dann ist ja schon etwas gewonnen. Aber es ist verzwickt, eine einfache Lösung gibt es wohl nicht. Ich kann den Leuten nur sagen: Vertraut den Programmkinos, die bei der Kuration von Filmen so tolle Arbeit leisten. Die machen sich so viele Gedanken und zeigen so viel Mut.
Hat die Arbeit an dem Thema deine Sicht auf Bubbles verändert oder beeinflusst?
Ja, klar! Ich habe mich natürlich damit beschäftigt und auch angefangen, mein Umfeld zu hinterfragen. Wobei ich als Schauspieler das Glück habe, ständig in neue Leben einzutauchen, nicht nur durch die Rollen, sondern auch die Vorbereitungsarbeit. Plötzlich verbringt man Zeit mit Dartspielern. Ich habe für die Serie Die Wespe zwei Monate lang mit einem Bundesliga-Dartspieler verbracht. Den hätte ich sonst nie kennengelernt. Ich habe reiten gelernt in Namibia mit jemandem, die auch Fluglehrerin ist. Ich war Pole Dancer in Nachts im Paradies.
Und noch irgendwelche Sachen, die unbedingt ausprobieren möchtest?
Ich möchte Gesangsunterricht nehmen, um meine Stimme zu trainieren. Wir Schauspieler sind ja so faul. Opernsänger trainieren jeden Tag. Klavierspieler trainieren jeden Tag. Wir machen vielleicht hin und wieder einen Workshop, wenn wir schon fleißig sind. Und schauspielerisch würde ich unbedingt gern mal mit Christian Petzold zusammenarbeiten.
Macht dich dein Beruf offener dafür, neue Bubbles kennenzulernen?
Ich muss das sein. Anders könnte ich diesen Beruf gar nicht machen. Ich muss dafür offen sein und auch bereit sein, Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind, selbst wenn sie politisch oder anderweitig eine ganz andere Meinung haben als ich. Und das funktioniert.
Deiner Figur Fiete fällt das schwer. Er meint, dass er seinen Jugendfreund Luca davor hätte bewahren müssen, auf die schiefe Bahn zu geraten. Kann man das überhaupt?
Nein. Man wünscht sich das natürlich, dass man das verändern könnte. Aber ich bin froh, dass es im Film anders kommt. Fiete meint, dass Luca durch seine Erfahrungen im Knast politisch rechts geworden ist. Der sieht das aber ganz anders und will nicht gerettet werden. Für ihn ist das seine Meinung und seine Entscheidung, so zu sein. Er glaubt daran.
Bei Fiete ist das mit dem Wunsch verbunden, seinem Freund zu helfen. Ab wann wird aus einer Hilfe eine Bevormundung?
Wenn man das Gegenüber nicht wirklich sieht und nicht versteht. Es wird dann problematisch, wenn man es macht, um sich selbst besser zu fühlen. Wenn man es letztendlich also für sich macht, nicht für den anderen.
Wie erkennt man aber den Unterschied?
Das ist die große Frage. Die Menschen sind voller Makel. Das macht uns menschlich. Du kannst nur mit den anderen sprechen, ihnen zuhören und dich vielleicht durch diese Kommunikation spiegeln.
Diese Was-wäre-wenn-Gedanken, die Fiete hat, haben viele von uns. Wie sieht das bei dir aus? Denkst du oft darüber nach, was hätte anders werden können?
Ich werde gern nostalgisch. Ich habe gestern Sentimental Value gesehen, da wird das auch viel thematisiert. Was-wäre-wenn-Fragen sind aber auch mein Beruf. Was wäre, wenn ich Fiete wäre und auf dem Land aufgewachsen wäre? Privat mache ich das aber nicht so sehr. Da versuche ich stärker, im Moment zu leben.
Kommen wir zum Thema Freundschaft. Wie würdest du die Freundschaft zwischen Fiete und Luca beschreiben? Ist es überhaupt eine Freundschaft?
Das ist eine sehr gute Frage Die Freunde aus den Kindertagen werden oft als die besten Freunde bezeichnet, weil man so viel zusammen erlebt hat und so eingeschweißt war. Wenn man sich aber in seinen 20ern aus den Augen verliert, weil du wegziehst oder so, dann ist da schon die Frage: Ist das noch eine echte Freundschaft oder nur etwas, woran du aus Sentimentalität festhältst, aus deinen Erinnerungen heraus? Fiete wird eingeholt von seiner Vergangenheit, als er Luca sieht. Das kenne ich von mir auch: Du wirst dann zurückgeworfen und wirst wieder zu dieser alten Persönlichkeit, die du vielleicht hattest ablegen wollen
Was braucht es denn, dass eine alte Freundschaft von früher eine echte Freundschaft bleibt, anstatt nur aus Nostalgie heraus weiterbetrieben zu werden?
Du brauchst eine gemeinsame Ebene. Es tut gut Zeit miteinander zu verbringen und sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten, was los ist im Leben. Sich mitzuteilen. Sonst bleibt das in der Vergangenheit. Darum muss man sich kümmern. So eine Freundschaft muss dann doch auch gepflegt werden.
Funktioniert das als Schauspieler? Ich stelle mir das schwierig vor, Freundschaften zu pflegen, wenn du ständig unterwegs bist. Einen wirklichen Alltag hat du so ja nicht.
Das stimmt. Wenn du immer wieder monatelang unterwegs bist, ist das schon eine Strapazierung für Beziehungen und Freundschaften. Und wenn ich einen Alltag habe, dann ist der sehr hart zu bewältigen, weil ich mich dann selbst darum kümmern muss. Aber eine wirklich gute Freundschaft hält das aus, wenn sie keinen Alltag hat. Es braucht dann Verständnis für die Situation des anderen. Zum Glück habe ich einen Kreis um mich, der das versteht.
Und kann man als Schauspieler eine Freundschaft aufbauen, wenn man sich mal sieht und dann wieder lange nicht?
Das glaube ich nicht. Man muss sich schon Mühe geben, dass man sich nicht erst alle drei Jahre sieht.
Ganz allgemein: Wie würdest du eine Freundschaft definieren? Was bedeutet Freundschaft für dich?
Zusammenhalt. Die Möglichkeit, das eigene Leben zu teilen. Aber auch die Möglichkeit gespiegelt zu werden, dass dein Gegenüber also Feedback gibt, vielleicht auch mal kritisch hinterfragt. Es reicht nicht, einfach nur etwas zu erzählen. Es muss schon ein richtiger Austausch sein, bei dem du dich auch damit auseinandersetzt, was der andere dir zu sagen hat. Das können Freunde glaube ich am besten. Du kannst auf einer anderen Ebene miteinander sprechen, als du es mit deinem Partner, deiner Partnerin oder auch deiner Familie tust.
Kommen wir zur Zukunft: Was sind deine nächsten Projekte?
Ich entwickle gerade etwas mit Sebastian. Eine Zeit lang habe ich in London gelebt und dort auch auf Englisch gedreht. Da gibt es Kabul. Das ist eine international produzierte Thriller-Serie über die letzten zwei Wochen in Afghanistan, bevor die Taliban wieder die Macht übernommen haben. Über das Chaos, das damals herrschte. In Frankreich ist die Serie schon draußen, bei uns läuft sie nächstes Jahr im ZDF. An Weihnachten kommt außerdem die Fortsetzung von Der Medicus, wo ich einen fiesen Ritter spiele, mit ganz viel Schwertkampf und wo ich auch selbst reite. Das war ein großer Spaß.
Vielen Dank für das Interview!
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