Ein Abend im Dezember
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Ein Abend im Dezember

Ein Abend im Dezember
„Ein Abend im Dezember“ // Deutschland-Start: Herbst 2026 (Kino)

Inhalt / Kritik

Über die Weihnachtstage kehrt die Informatikstudentin Annika (Katharina Stark) in ihr Elternhaus zurück. Eigentlich möchte sie beim traditionellen Familienessen eröffnen, dass sie ihr Studienfach wechseln will. Doch bald wird deutlich, dass andere Themen den Abend bestimmen werden: Ihr Stiefvater Thomas (Lukas Miko) hat seinen Geschäftspartner Martin (Christian Erdmann) und dessen Lebensgefährtin Sarah (Valery Tscheplanowa) eingeladen, um über die Zukunft seines Busunternehmens zu sprechen. Annikas Mutter Monika (Nicole Marischka) verbindet damit zugleich die Hoffnung, ihre jüngere Tochter Maya (Zsa Zsa Hansen), eine talentierte Musikerin, bei Sarahs Agentur unterzubringen. Auch Onkel Detlef (Sebastian Rudolph) ist zu Besuch und mischt sich mit provokanten Kommentaren ein.

Als Maya Annika mitteilt, dass sie zunächst mit Freunden in einen Club geht und später dazustoßen will, nimmt Annika das gelassen und entschuldigt ihre Schwester vor der Familie. Doch kurz darauf berichten die Nachrichten von einem Terroranschlag in der Innenstadt – und Annika befürchtet, dass Maya sich in unmittelbarer Nähe des Geschehens befinden könnte.

Unmittelbarer Terror

Die Familie als soziales Konstrukt ist die letzte Bastion vor den Unsicherheiten und Konflikten der Welt. Das Familiäre ist eine Art Anker, dem wir vertrauen, der uns erdet und behütet. In Matthias Kreters Spielfilmdebüt Ein Abend im Dezember zerspringt diese Idee der Familie als Schutzraum, als ein plötzliches Ereignis alle Sicherheiten und Beziehungen zur Disposition stellt. Der Film, der auf den Hofer Filmtagen 2025 Premiere hatte, nutzt dabei die Konventionen des Familiendramas, wobei der Terroranschlag lediglich als Auslöser der Konflikte dient, die jedoch alle schon unter der Oberfläche brodeln. Ein Abend im Dezember kann aber ebenso als gesellschaftliches Panorama gesehen werden, wenn Themen wie Rassismus, Politikverdrossenheit oder Populismus zur Sprache kommen.

Man muss einen Terroranschlag nicht zeigen, um sein gesellschaftliches Trauma zu vermitteln. Als die Abendgesellschaft zunächst über eine Handybenachrichtigung und schließlich über eine Sondersendung im Fernsehen von den Ereignissen erfährt, beobachten wir eine vertraute Palette unterschiedlicher Reaktionen und Emotionen. Die erste Reaktion ist Erklärungsdrang: Wer war der Täter? Warum? Wer trägt Schuld? — sofort wird versucht, das Ereignis in ein bestehendes Weltbild einzupassen. Während Annika bereits ahnt, welche direkten Folgen der Anschlag für ihre Familie haben kann, beginnt bei ihren Eltern und deren Gästen die „Einordnung“ der Tragödie. Man stellt Vermutungen über die Hautfarbe oder Religion des Täters an, bemüht Opfer-Narrative sowie die Spannungen zwischen politischer Lager, sodass die Tragödie eher wie eine intellektuelle Diskussion wirkt. Kreter setzt mehrere Wendepunkte, um den Terror für alle Figuren unmittelbar zu machen und die anfängliche Distanz aufzulösen. Die direkte Involviertheit lässt keine moralischen Komfortpositionen mehr zu. Viele Szenen wirken sehr aktuell und spannend, andere erinnern hingegen an vergessene Momente aus Yasmina Rezas Der Gott des Gemetzels.

„Es gibt auch noch ein Morgen.“

Zu einem Familiendrama darf natürlich der Kontext der Feiertage und des damit verbundenen Abendessens nicht fehlen. Von jeher ein Anlass, der bei vielen Zuschauern gemischte Gefühle auslöst, dient das Ereignis als Initialzündung, um diese Risse nicht mehr länger unter der Oberfläche zu halten. Indem Kreter seine Geschichte zusätzlich noch räumlich begrenzt, wirkt die Atmosphäre zunehmend einengend und klaustrophobisch, weshalb man es den Figuren nicht übelnimmt, wenn sie die Situation verlassen wollen. Als eine der Hauptfiguren ist die von Katharina Stark gespielte Annika eine Person, die in der Falle sitzt – durch ihr Geheimnis sieht sie sich in der Schuld, dazubleiben und die Situation auszuhalten. Ihre Ankunft im Haus ihrer Eltern ist sicherlich eine der besten Szenen im Film, wenn subtil und durch Andeutungen Abhängigkeitsverhältnisse, Schuld und Hierarchien deutlich gemacht werden. Annikas Blick auf die Auszeichnung, die ihre Schwester für ihre Musik erhalten hat, spricht Bände.

Ein weiterer starker Satz im Film ist, dass es immer noch ein Morgen gibt. Während die Konflikte und Ressentiments immer mehr eskalieren, mahnt nur eine Figur, dass man sich am nächsten Morgen noch immer in die Augen schauen muss. Diese Mahnung, Vorsicht, Empathie und Mitleid walten zu lassen, benötigt aber auch eine entsprechende Pause, um zu wirken. Diese lassen sich die Figuren jedoch nicht – sie gehen sofort wieder aufeinander los.

Credits

OT: „Ein Abend im Dezember“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Matthias Kreter
Drehbuch: Matthias Kreter
Musik: Hannes Bieber
Kamera: Marc Tressel-Schmitz
Besetzung: Katharina Stark, Nicole Marischka, Luka Miko, Christian Erdmann, Valery Tscheplanowa, Sebastian Rudolph, Soufiane El Mesaudi, Zsa Zsa Hansen

Bilder

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fazit
„Ein Abend im Dezember“ ist ein stark gespieltes, konzentriertes Kammerspiel, dessen Wucht vor allem aus seinen Dialogen entsteht — auch wenn die Inszenierung visuell nicht immer den Mut findet, zu ihnen aufzuschließen.
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