Kein Tier so wild
© Karolina Grabowska / Lukasz Bak / Sommerhaus / Port au Prince Pictures

Kein Tier. So Wild.

„Kein Tier. So Wild.“ // Deutschland-Start: 8. Mai 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Rashida York (Kenda Hmeidan) arbeitet als Anwältin und holt als solche ihre Familie immer mal wieder aus den Schwierigkeiten. Von denen gibt es viele, da die arabische Familie wenig Interesse an Gesetzen hat und sich zudem im Krieg mit den konkurrierenden Lancasters befindet. Rashidas Position im Clan verbessert ihr Einsatz jedoch nicht, als Frau bleibt ihr nur die künftige Rolle der braven Gattin. Zumal sie auch noch die jüngste Tochter ist, in der Hierarchie also ganz unten steht. Da gehört sie ihrer eigenen Meinung nach aber gar nicht hin. Und so setzt sie alles daran, sich an die Spitze zu setzen, koste es, was es wolle. Dabei geht sie nicht nur über Leichen. Sie macht sich auch eine Reihe von Feinden, darunter ihre Schwägerin Elisabet (Verena Altenberger), die zu ihrer Gegenspielerin wird …

Literaturklassiker neu gedacht

Sehr umfangreich ist die Filmografie von Burhan Qurbani bislang ja nicht, für jeden neuen Titel lässt er sich fünf Jahre Zeit. Spannend sind seine Werke aber allemal. Nachdem er sich in seinem Debüt Shahada (2010) mit dem Leben dreier Muslime in Deutschland befasst hat, erinnerte er in Wir sind jung. Wir sind stark. (2015) an die Ausschreitungen 1992 in Rostock. Schon damals zeigte er ein Faible für stilistische Spielereien, gerade im Hinblick auf die Verwendung von (Nicht-)Farbe. Doch das war noch nichts im Vergleich zu seiner Romanadaption Berlin Alexanderplatz (2020), die aus der bekannten Schullektüre einen schillernden, krakeelenden Koloss machte und für mächtig Furore sorgte. Umso neugieriger durfte man sein, wie denn das Folgewerk Kein Tier. So Wild. ausfallen würde, das erneut fünf Jahre später auf der Berlinale 2025 Premiere feierte. Die Parallelen zwischen den beiden Filmen drängen sich auf. Erneut greift Qurbani einen Literaturklassiker heraus, den er in die Neuzeit versetzte. Dieses Mal stand William Shakespeares berühmtes Stück Richard III Pate.

Neben dieser Änderung hatten der Filmemacher und seine Co-Autorin Enis Maci noch ein paar weitere Ideen, wie man den betagten Stoff anders präsentieren könnte. Die beiden größten sind sicherlich, aus den beiden urenglischen adligen Familien, die im Mittelpunkt der berühmten Rosenkriege standen, arabische Gangsterclans zu machen. Dass Kein Tier. So Wild. aus dem titelgebenden König eine Frau macht, wird ein puristisches Publikum vermutlich ebenfalls zur Weißglut bringen. Dabei ist der Wechsel hier durchaus stimmig. War das Vorbild „nur“ ein machtgieriger Monarch, ist der Kampf an die Spitze hier gleichzeitig auch eine Rebellion gegen ein patriarchales System. Das macht die Handlungen der Protagonistin verständlicher, ohne dass sie dadurch an Rücksichtslosigkeit verloren hätte. Tatsächlich ist es imponierend, wie sie ohne jegliche Skrupel intrigiert und mordet, jeder Mensch ein potenzielles Opfer ist, sofern es ihrem Aufstieg hilft.

Ausnahmetitel im deutschen Kino

Das ist auch wegen der Besetzung beeindruckend. Zwar verzichtet Qurbani dieses Mal überwiegend auf bekannte Gesichter, von Verena Altenberger einmal abgesehen, da war Kein Tier. So Wild. eine andere Nummer. Doch an schauspielerischer Klasse mangelt es nicht. Vor allem Kenda Hmeidan (Liberame – Nach dem Sturm) liefert eine furiose Darstellung ab und sollte der in Deutschland lebenden syrischen Schauspielerin so manche Tür öffnen. Wie sie als meuchelmordende Anwältin nach dem Thron greift, das muss ihr erst einmal jemand nachmachen. Der Rest des Casts hat natürlich weniger dankbare Rollen, auch weil viele davon über kurz oder lang sterben. Das Zusammenspiel funktioniert aber gut.

Und dann wäre da noch die Optik. Wie beim letzten Film des Regisseurs ist das hier alles überzeichnet und stilisiert, immer weiter steigert sich das Krimidrama hinein und nimmt dabei auch deutlich theaterhafte Züge an. Das passt prinzipiell gut, nicht nur wegen der Vorlage, sondern weil natürlich auch die Geschichte völlig überzogen ist. Es führt allerdings auch dazu, dass die diversen ernsten Themen, die der Film ja durchaus anspricht, etwa das besagte patriarchale System und die Situation von Einwandererfamilien, nur wenig zur Geltung kommt. Kein Tier. So Wild. sorgt für so viel Distanz, dass die Ereignisse unweigerlich unwirklich werden und die gesellschaftliche Relevanz nicht ganz so ausgedrückt wird, wie es möglich gewesen wäre. Aber auch so ist das hier wieder ein Ausnahmetitel im deutschen Kino, der die Wartezeit auf den nächsten Beitrag von Qurbani lang werden lässt.

Credits

OT: „Kein Tier. So Wild.“
Land: Deutschland, Polen
Jahr: 2025
Regie: Burhan Qurbani
Drehbuch: Burhan Qurbani, Enis Maci
Vorlage: William Shakespeare
Musik: Dascha Dauenhauer
Kamera: Yoshi Heimrath
Besetzung: Kenda Hmeidan, Verena Altenberger, Hiam Abbass, Mona Zarreh Hoshyari Khah, Mehdi Nebbou, Meriam Abbas, Banafshe Hourmazdi

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Kein Tier. So Wild.
fazit
„Kein Tier. So Wild.“ nimmt Shakespeares berühmtes Stück „Richard III.“ über einen machtgierigen König und stellt dieses auf den Kopf. Das Ergebnis ist visuell und schauspielerisch beeindruckend und ein Ausnahmetitel im deutschen Kino. Das Theaterhafte sorgt aber auch für Distanz, weshalb die gesellschaftlich relevanten Themen weniger stark greifen.
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