Gotteskinder
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Gotteskinder

Gotteskinder
„Gotteskinder“ // Deutschland-Start: 30. Januar 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Die beiden Teenager Hannah (Flora Li Thiemann) und Timotheus (Serafin Mishiev) wachsen in einer streng religiösen Familie auf, die tief in den Glaubenssätzen ihrer freikirchlichen Gemeinde verwurzelt ist. Der durchstrukturierten Welt der strikten Glaubensregeln begegnen die Geschwister mit äußerlicher Gefügigkeit, doch unter der Oberfläche  brodeln ihre inneren Konflikte. Diese entzünden sich an Gefühlen, die für Jugendliche in ihrem Alter alltäglich erscheinen mögen, innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft jedoch als sündhaft gelten. Hannah merkt, dass sie mehr als Sympathie für ihren neuen Nachbarn Max (Michelangelo Fortuzzi) fühlt. Für sie, die fest daran glaubt, dass vor der Ehe keine Intimität erlaubt ist, wird diese aufkeimende Zuneigung zur schweren Bürde. Ihr Bruder Timotheus entdeckt hingegen, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt, insbesondere zu seinem Freund Jonas (Lennox Halm). Um seine vermeintlich „unreinen“ Gefühle loszuwerden, nimmt er freiwillig an einem sogenannten Seelsorge-Camp teil, wo er sich einer „therapeutischen“ Behandlung unterzieht, die ihm Erlösung verspricht.

Ein Jahr im Mikrokosmos der Freikirchen

Regisseurin Frauke Lodders, die mit Gotteskinder – nach Morpheus, ihrem Abschlussfilm an der Kunsthochschule Kassel, und dem Dokumentarfilm Unzertrennlich – ihr Spielfilmdebüt inszenierte, hat ihre Geschichte nach intensiver einjähriger Recherche im Milieu der Freikirchen entwickelt. Ihr Anliegen, diese Welt aus einer authentischen Innenperspektive zu erzählen, gelingt ihr eindrucksvoll. Auch wenn die emotionalen Kämpfe der jugendlichen Protagonisten für Außenstehende fremd wirken mögen, erscheinen sie im Kontext ihrer religiösen Sozialisation absolut glaubwürdig. Einen wesentlichen Verdienst daran hat dabei das nuancierte Schauspiel der jungen Darsteller. Flora Li Thiemann verleiht Hannahs innerem Zwiespalt eine fesselnde Präsenz, während Serafin Mishiev als Timotheus nahezu ebenso berührend die Last seines Kampfes mit der eigenen Identität trägt.

Beklemmende Welt der strikten Glaubensregeln

Für Außenstehende wirkt die Welt der fundamentalen Glaubensstrukturen oft beklemmend und entfremdend. Besonders die Erwachsenenfiguren verstärken dieses Gefühl mit ihrem Verhalten. Der Vater von Hannah und Timo (Mark Waschke) wird in einer Szene zur Schlüsselfigur des Schreckens: Als seine jüngste Tochter (Emma Luisa Kriemer de Matos) am Esstisch erzählt, dass sie im Kindergarten spielerisch ihre Freundin “geheiratet hat”, bestraft er sie mit einer Ohrfeige. Diese rigiden Vorstellungen treffen nicht nur Timos ohnehin fragile Gefühlswelt hart, sondern führen auch beim Publikum zu verstörender Ablehnung. Nebenfiguren wie die Mutter der Geschwister (Bettina Zimmermann) oder Max’ Mutter (Karoline Eichhorn) bleiben dagegen blass – vermutlich ein Spiegelbild der patriarchalen Strukturen, die innerhalb der gezeigten Freikirche vorherrschen.

Besonders gelungen sind die Szenen im Seelsorge-Camp, wo sogenannte „Therapeuten“ (Martin Lindow, Thimo Meitner) Timotheus einreden wollen, seine homosexuellen Gedanken seien dämonischer Natur. Sie versuchen schließlich, diese durch Gebete aus ihm herauszutreiben. Umso bedauerlicher ist es, dass der Film mit fast zwei Stunden Laufzeit an manchen Stellen erzählerische Längen aufweist. Eine straffere Inszenierung hätte dem Film gutgetan und der finalen Auflösung, die zwar nicht unlogisch, aber etwas knapp geraten ist, mehr Raum geben können.

Ein sensibles Coming-of-Age-Drama

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das Drehbuch, das in einigen Momenten zu stark konstruiert wirkt. Besonders auffällig wird dies, als Max ebenfalls im Seelsorge-Camp landet – eine Wendung, die unnötig forciert wirkt. Trotz dieser Schwächen überzeugt Gotteskinder durch seinen realistischen Blick auf eine Parallelwelt, die auch in Deutschland existiert. Die differenzierten Darstellungen bis in die Nebenrollen hinein tragen dabei wesentlich dazu bei, dass Frauke Lodders mit Gotteskinder ein sensibles und zugleich kritisches Coming-of-Age-Drama gelungen ist.

Credits

OT: „Gotteskinder”“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Frauke Lodders
Drehbuch: Frauke Lodders
Musik: André Feldhaus
Kamera: Johannes Louis
Besetzung: Flora Li Thiemann, Serafin Mishiev, Michelangelo Fortuzzi, Mark Waschke, Bettina Zimmermann, Martin Lindow, Thimo Meitner, Lennox Halm, Luna Baptiste, Karoline Eichhorn, Seumas Sargent

Bilder

Trailer

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Gotteskinder
fazit
“Gotteskinder” ist ein mutiger und eindringlicher Blick auf die Herausforderungen des Erwachsenwerdens in einer streng religiösen Freikirche. Der Film thematisiert eindrucksvoll, wie der rigide Glaube jugendliche Identitätsfindung prägt und behindert. Trotz kleinerer dramaturgischer Schwächen bleibt der Gesamteindruck positiv.
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