Auf der Adamant Sur ladamant
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Auf der Adamant

Auf der Adamant Sur ladamant
„Auf der Adamant“ // Deutschland-Start: 14. September 2023 (Kino) // 15. März 2024 (DVD)

Inhalt/Kritik

Wer sich Auf der Adamant komplett ohne Vorwissen anschaut, der wird sich für eine ganze Weile wohl fragen, worum es dabei überhaupt gehen soll. Nachdem eine Minute lang erst einmal alle möglichen Logos eingeblendet werden, folgt ein kryptisches Zitat von Fernand Deligny. Wer den Luxus genießt, Auf der Adamant vorab als Pressescreener oder später dann auf Disc oder per Streaming anzuschauen, der kann hier natürlich direkt pausieren und nach kurzer Recherche herausfinden, dass Deligny ein Sozialpsychologe war, der in den 1960er-Jahren mit den klassischen Behandlungsmethoden autistischer Kinder brach und in dieser Hinsicht eigene Wege ging. Wer sich die Doku auf der großen Leinwand anschaut, der wird wohl weiter rätseln müssen.

Ein schwimmendes Refugium

Dann schauen wir erst einmal jemandem ungefähr dreieinhalb Minuten dabei zu, wie er ein Lied singt, nach dem die weiteren Anwesenden in ekstatischen Jubel ausbrechen. Als nächstes folgen weitere dreieinhalb Minuten von überwiegend statischen Bildern der Umgebung, deren Bedeutung sich überwiegend nur mit viel Interpretationswillen erschließt, die größtenteils aber lediglich wie Füllmaterial wirken. Dank der Kamerasprache – am Ende dieser Sequenz wird auf das gezeigte Schiff gezoomt – wissen wir immerhin, dass die Sitzung, der wir daraufhin beiwohnen, in diesem Schiff stattfindet. Es ist die Adamant, aber ohne Vorkenntnisse ist das zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht klar. Ebenso wenig wie in welchem Rahmen diese Sitzung überhaupt stattfindet und um wen es sich bei den daran Beteiligten handelt. Nachdem wir das Ganze viereinhalb Minuten über uns haben ergehen lassen, ohne die geringste Ahnung zu haben, was hier los ist, sitzt eine der Damen, die wir gerade noch haben debattieren sehen, direkt vor der Kamera. In dieser interviewartigen Situation, der eine weitere folgt, können wir langsam anfangen, uns zusammenzureimen, was es mit diesen Leuten auf sich hat.

Das besagte Schiff ist die Adamant und liegt in der Seine vor Anker. Es ist kein Schiff, das Touristen auf Rundfahrten mitnimmt – es ist bei genauerer Betrachtung noch nicht einmal ein Schiff, sondern eine unbewegliche Holzkonstruktion. Die Adamant ist eine Tagesklinik für Menschen mit psychischen Störungen. Sie ist ein Ort der Kreativität, hier kann gemalt, gesungen, gedichtet werden. Erklärt wird in der Dokumentation dabei gar nichts. Regisseur Nicolas Philibert stellt seine Kamera meist einfach nur irgendwohin und lässt sie für ihn die Szenerie beobachten. Lediglich am Ende gibt es eine Texteinblendung mit mehr Informationen.

Auf der Suche nach Antworten

Wer die Kamera auf Menschen mit geistigen Behinderungen richtet, der muss immer moralisch abwägen, ob er dadurch nicht jemanden vorführt. In Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist oder Down for Love gab es sicher einige Momente, bei denen sich der ein oder andere Zuschauer gefragt haben mag, ob es wirklich in Ordnung ist, diese so zu zeigen – was es immer war, auch wenn es manchmal etwas unangenehm anzuschauen war. In Auf der Adamant lässt sich zwar nicht unbedingt eine spezifische Szene als Beispiel ausmachen, die sich in dieser Hinsicht kritisieren ließe, aber es ist auch nicht völlig unvorstellbar, dass manche aufgrund der kompletten Fokussierung auf die ‚Passagiere‘ hier nichts anderes als eine Vorführung sehen wollen. Diese Überreaktion ignorierend muss doch angemerkt werden, dass die Doku nicht den Einblick bietet, den sie hätte ermöglichen können.

„Das Team der Adamant zeigt tagtäglich, wie es in Zeiten eines Gesundheitssystems in der Krise gelingen kann, zugewandt und offen auf Menschen mit psychischer Erkrankung einzugehen“, heißt es im Pressetext. Der Fairness halber: Es steht ja tatsächlich nicht da, dass auch die Doku etwas zeigen würde. Wie das Team die genannte Aufgabe denn nun genau bewältigt, ob das Team aus ausgebildeten Psychiatern oder freiwilligen Helfern besteht, warum das Ganze Klinik genannt wird, wenn es anscheinend nur ein Aufenthaltsort mit Beschäftigungsmöglichkeiten ist – die Doku wirft deutlich mehr Fragen auf als sie Antworten liefert.

Credits

OT: „Sur l’Adamant“
Land: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Nicolas Philibert
Drehbuch: Nicolas Philibert
Kamera: Nicolas Philibert

Bilder

Trailer

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Auf der Adamant
Fazit
Zu viel überflüssiges Bildmaterial, nicht genug Einblicke: "Auf der Adamant" nimmt uns mit in eine Tagesklinik für Menschen mit psychischen Störungen. Das wirkt ein wenig so wie ein Tag der offenen Tür ohne erklärende Führung. Wer sich auf die Bilder einlassen kann, wird die Sichtung aber vielleicht doch als entspannend wahrnehmen.
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