Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist
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Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist

Inhalt / Kritik

„Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ // Deutschland-Start: 12. August 2021 (Kino)

Outsiderkünstler, so werden Künstler mit geistiger Behinderung oder ohne akademische Ausbildung genannt. 21 der ersteren Gruppe arbeiten täglich in der Kunstwerkstatt Mosaik Berlin, in Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist werden zwei Künstlerinnen, zwei Künstler und zwei Betreuerinnen des Ateliers für Künstler mit Assistenzbedarf bei ihrem Schaffen begleitet.

Eine der Künstlerinnen baut eine Miniatur des Bode-Museums, mit dem alleinigen Ziel, diese nach Vollendung mit Dartpfeilen zu bewerfen und zu vernichten. Während das sicher bei einigen Bewunderung oder zumindest Zuspruch hervorrufen mag – wie kommt ein Museum dazu, zu entscheiden was Kunst ist und was nicht, was ausgestellt werden darf und was nicht? –, weckt es doch auch ungute Assoziationen. Wie würde die Künstlerin dazu stehen, vernichtete jemand eine Miniatur eines auch in der Wirklichkeit zerstörten Gebäudes? Sei es durch einen Brand wie bei Notre-Dame oder gar einen terroristischen Anschlag. Wäre das immer noch Kunst? Oder würden nicht viele zu recht sagen, dass hier eine Grenze überschritten werden würde? Würden wir uns dadurch nicht letzten Endes selbst zu Kunstrichtern erheben? Wie aber lässt sich genau das dann anderen vorwerfen?

Der zurückhaltende Blick aufs Geschehen

Die Dokumentation stellt diese Fragen gar nicht, sie stellt überhaupt keine Fragen, das ist auch nicht ihr Anspruch. Vordergründig geht es hier um den Einblick in den Alltag einer Kunstwerkstatt, es wird viel beobachtet und nichts kommentiert. Dadurch werden allerdings Fragen aufgeworfen, die zum Diskurs einladen und die vielleicht nie endgültig beantwortet werden können. Niemand kann eine verbindliche Definition dessen geben, was Kunst eigentlich ist. Kunst ist immer kontextabhängig. Fälle wie jener Anfang 2016 in der Mannheimer Philippuskirche, als eine Putzfrau eine Installation für Müll hielt und wegwarf, sind Legion.

Beschönigt wird hier nichts. Einer der Künstler, ein alter Mann, spricht nicht, weint dafür umso mehr. Ihm mehrere Minuten dabei zuzusehen, kann durchaus unangenehm werden. Auch wenn klar ist, dass er – oder vielleicht ein Bevollmächtigter – die Bildrechte freigegeben hat, und es somit an sich keine Kritik daran geben kann, mag es manchem so scheinen, als wäre diese Darstellung etwas ehrrührig. Es muss betont werden, dass die Herangehensweise von Regisseurin und Kamerafrau Sabine Herpich minimalinvasiv, keineswegs auf artifizielles Drama aus ist. Sie zeigt schlicht die rohe Realität, anders als in fiktiven Filmen gibt es hier keinen Eskapismus.

Bis zum Schluss beeindruckend

Das Ende von Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist gleicht einem Paukenschlag. Es soll hier nicht gespoilert werden, was Herpich sich für den Schluss aufgehoben hat, aber viele Dokumentationsfilmer hätten das ganz konventionell wahrscheinlich bereits am Anfang gezeigt und somit unglaublich viel Potenzial verspielt. Vielleicht handelt es sich hier sogar um die erste Doku mit einem Twist, auf welchen zudem im Laufe der Spielzeit sehr subtil hingearbeitet wurde, was noch beeindruckender als der Twist selbst ist. Filme dieses Genres werden nicht immer nach der Machart dafür ausgewählt, aber wenn ein deutscher Dokumentarfilm den Oscar verdient hat, dann definitiv dieser hier.

Credits

OT: „Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Sabine Herpich
Kamera: Sabine Herpich

Bilder

Trailer

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„Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewachsen ist“ gibt intime Einblicke hinter die Kulissen einer Kunstwerkstatt für Behinderte. Unter der gekonnten Regie von Sabine Herpich wird die Kamera zur Stellvertreterin des Zuschauers und die letzten zehn Minuten offenbaren den Film als eine absolute Masterclass im Dokumentationen drehen.
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