Journey
© Shogo Kiriu
„Journey“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Nach einem philosophisch angehauchten Einstieg – existenzielle Gedanken zum Sonnenaufgang – befinden wir uns in einem mit Pflanzen vollgestellten Zimmer. Von oben scheint goldenes Licht auf einen älteren Mann im Rollstuhl. Er schaut ins Weltall hinaus. Ein Junge tritt an seine Seite. Handelt es sich um einen echten Menschen? Keiji (Ryota Miyazaki) arbeitet als Reinigungskraft in der Area 51. Sein Vater war Astronaut und obwohl sich dessen Expedition verirrt zu haben scheint, träumt Keiji noch davon, selbst in den Weltraum zu reisen. Es ist ein Leben zwischen existenziellen Fragen, behäbigen Dialogen und der Suche nach Hoffnung, welches er mit seiner Frau Shizuka (Kozue Ito) teilt, die erkrankt ist. Ob Keiji Antworten in einer neuen Weltraumexpedition findet?

Atmosphärische Bildgewalt

Der Regisseur Shogo Kiriu beweist in Journey ein gutes Auge für interessante Bildausschnitte, die zuweilen eher an starre Fotografien erinnern, in denen Bewegung herrscht. Wenn man daran denkt, wie die Bewegungen auf einem fremden Planeten aussehen würden – behäbig und langsam, wie unter Wasser –, dann findet man vielleicht einen Zugang zu einer Interpretation dieses Sci-Fi-Werkes, das auf dem Nippon Connection 2023, einem Filmfestival für japanische Filme, gezeigt wird. Der Regisseur scheint diese Zähigkeit einer fremden Welt auf die Figuren zu übersetzen.

Dialoge und Fragen

Zwischen den gesprochenen Sätzen tun sich Räume der Stille auf wie Funksprüche zwischen weit entfernten Raumstationen. Die Dialoge haben etwas Behäbiges, die Bildausschnitte oft etwas Bewegungsarmes. In Kombination erzeugt der Regisseur eine sehr eindringliche Stimmung der Einsamkeit. Um das zu verstärken, sehen die Figuren meistens aneinander vorbei oder blicken in dieselbe Richtung.

Aufgeteilt ist die Handlung nach dem Prolog in klassische drei Akte. Obwohl es eine Figurenzeichnung gibt, erfahren wir doch nicht allzu viel über die Menschen. Zudem wirft der Film sehr viel mehr Fragen auf, als er Antworten hinterherliefert. Dieses Gefühl der Verunsicherung und das Einflechten metaphorisch aufgeladener Bilder könnte auch zeigen, dass der Regisseur mit Elementen des Essayfilms gearbeitet hat, um sich der Thematik der titelgebenden Reise zu nähern.

Hier kommt es sehr darauf an, mit welcher Erwartung man sich diesen philosophischen Science-Fiction-Film anschaut. Denn auf Dauer können die Dialoge recht zäh wirken. Die Aufmerksamkeit des Publikums wird hier stellenweise schon herausgefordert. Dann hangelt man sich zwar gerne noch an den visuellen Ideen entlang, aber fühlt sich zuweilen doch etwas verloren. Das könnte man andererseits wieder als passend betrachtend, da sich dadurch das Gefühl der Orientierungslosigkeit im Weltraum selbst einstellen kann.

Haben Sie verstanden, worum es geht?

Mit einer knappen Stunde Laufzeit ist Journey zwar ein zeitlich handliches Drama geworden, gleichzeitig aber kein so einfach zu entzifferndes. Teilweise scheint man sich auch etwas zu sehr auf philosophische Gedankenansätze, Licht-und-Schatten-Effekte und die Atmosphäre zu verlassen, worunter die Geschichte etwas zu leiden scheint. Es gibt auch wenig Ausschläge, die sehr herausstechen.

Es hat durchaus Spaß gemacht, sich Gedanken darüber zu machen, was die Geschichte bedeutet. Wie sind die genauen Zusammenhänge? Wie funktioniert diese alternative Realität? Es kann schon frustrierend sein, so wenige Momente zu finden, die einem klare Anhaltspunkte geben, was hier gerade vor sich geht – oder wohin es mit den Figuren geht. Vielleicht waren die Fragen selbst, auch wenn nicht immer Antworten kamen, schon eine Form der Hoffnung, eine Art Ankerpunkt für die Figuren; Wegpunkte für ihre Reise.

Die Kabelsalat-Schlafkappe

Hier und da merkt man Journey zwar an, dass wahrscheinlich nicht allzu viel Budget vorhanden gewesen ist – Stichwort: Kabelsalat-Schlafkappe –, was aber nicht negativ auffällt. Not macht eben erfinderisch.

Hingegen wirkten manche Szenen etwas zu sehr, als zögen sie den Film nur unnötig in die Länge. Zum Beispiel wenn der Protagonist am Klavier sitzt und immer wieder eine Taste anschlägt. Hier hätte es fast noch gefehlt, dass er sich zur Kamera dreht und fragt, ob der Take schon angefangen habe. An anderer Stelle passt es zwar ins Konzept – die Treppenhausszene –, aber auch dort kann es mitunter etwas langatmig erscheinen.

Credits

OT: „Journey“
Jahr: 2022
Land: Japan
Regie: Shogo Kiriu
Drehbuch: Shogo Kiriu
Kamera: Ronglin CAI
Besetzung: Ryota Miyazaki, Kozue Ito, Shôgo Moriyama

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Journey
fazit
Regisseur Shogo Kiriu präsentiert uns mit „Journey“ ein visuell anspruchsvolles, experimentelles Science-Fiction-Drama, das nicht einfach zugänglich ist und der mitunter behäbig und langatmig erscheint. Sein Budget kompensiert er mit kreativen visuellen Einfällen, bringt interessante Bedeutungsebenen ein und schafft Räume zum Nachdenken. „Journey“ übersetzt die Einsamkeit und Isolation im Weltraum auf seine Figuren und nähert sich der Aufschlüsselung des Reiseziels mit metaphorischen Schritten.
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