Sparta
© Neue Visionen Filmverleih
Sparta
„Sparta“ // Deutschland-Start: 18. Mai 2023 (Kino) // 1. Dezember 2023 (DVD)

Inhalt / Kritik

Während sein Bruder seine letzten Funken Ruhm als Schlagersänger in Rimini genießt und damit sein Geld verdient, hat sich Ewald (Georg Friedrich) schon vor einigen Jahren nach Rumänien zurückgezogen und dort ein Leben aufgebaut. Seine Freundin (Florentina Elena Pop) arbeitet in einer Bar und macht ihm mehr als deutlich, dass sie ihn gerne heiraten will. Ewald hat zudem einen passabel bezahlten Job als Ingenieur, doch trotzdem fehlt ihm etwas in seinem Leben. Er spürt schon seit geraumer Zeit, dass in ihm etwas zum Vorschein kommen will, was er zu unterdrücken versucht. Nach einem Streit mit seiner Freundin packt er kurzentschlossen seine Sache, besucht seinen Vater (Hans-Michael Rehberg) in der österreichischen Heimat und mietet eine heruntergekommen, ehemalige Schule in einem rumänischen Dorf, wo er kostenlos Judo-Kurse anbieten will. Die Eltern sind erfreut über das Angebot und schon nach kurzer Zeit hat Ewald eine ganze Reihe Jungen, mit denen er nicht nur trainiert, sondern auch die Schule herrichtet, zu einem Ort, den sie gemeinsam „Sparta“ nennen. Immer mehr kommen Ewalds Sehnsüchte zum Vorschein, und je mehr er sie zu unterdrücken versucht, desto stärker werden sie.

Böse Spiele

Dass die Filme des Österreichers Ulrich Seidl provozieren, ist nichts Neues, aber wohl kaum eines seiner Werke hat so viel Aufmerksamkeit in den Medien erhalten wie Sparta. Nachdem nun die Vorwürfe der Kindeswohlgefährdung sowie andere Beschuldigungen geklärt sind, kann man sich nun ein eigenes Bild von dem Film machen, der ursprünglich als Teil des Projekts Böse Spiele geplant war, aus dem neben Sparta noch Rimini hervorging, der die Geschichte von Ewalds Bruder Richie (Michael Thomas) erzählt. Die bereits erwähnten Vorwürfe spiegelten sich naturgemäß in den ersten Kritiken zu Sparta wider und verstellten, wie Seidl in seiner Stellungnahme anmerkt, den Blick auf den Film an sich, besonders auf die Hauptfigur, die wie viele andere Charaktere in seinen Filmen gegen die dunklen Neigungen in ihm ankämpft. Zugleich ist Sparta ein Film über abwesende Väter und wie jemand versucht, dieses Fehlen auszubalancieren.

Wenn man sich die bereits erschienenen Artikel zu Sparta anschaut, kommt man nicht umhin, sich zu fragen, ob so manche Autoren überhaupt schon einmal einen Film des Österreichers gesehen haben. Werke wie Safari oder die Paradies-Trilogie behandelten kontroverse Themen, wobei Seidl eher auf Distanz setzte, sowohl erzählerisch als auch ästhetisch, was sich unter anderem an den Bildern erkennen lässt. Kritisch ist das nicht, sollte es aber auch nie sein, denn der Zuschauer ist vielmehr gefragt, Position zu dem Gezeigten sowie zu den Figuren zu beziehen, was nicht selten zu Diskussionen geführt hat. Im Falle von Sparta sehen wir abermals diese Herangehensweise, wenn es um die Taten Ewalds geht, der immer wieder gezeigt wird, wie er eine Sehnsucht verspürt, sich zurückhält und dann doch dieser nachgibt. Man kann ihn verurteilen, kann aber zugleich diesen Kampf bezeugen, den er austrägt, mit etwas, dass dabei ist, die Kontrolle über ihn zu haben. Ewald ist Täter, doch eben auch eine tragische Figur, wie dem Zuschauer schnell bewusst wird, und passt damit perfekt in das Figurenuniversum des Ulrich Seidl.

Das neue Sparta

Interessant sind zudem die Parallelen zwischen Rimini und Sparta, insbesondere das verbindende Element, nämlich der Vater, gespielt von dem 2017 verstorbenen Hans-Michael Rehberg. Auch wenn sich vor allem Ewald um diesen kümmert und ihn oft besucht, merkt man schnell die Distanz zu diesem alten Mann, zu dem er eine Nähe sucht, diese aber nie erlangt. Wie Richie, der durch die verlassenen, winterlichen Straßen und Strände der italienischen Gemeinde Rimini irrt, wirkt auch Ewald zunehmend einsam, was durch die Tristesse seiner Umgebung noch verstärkt wird. Georg Friedrich spielt einen Menschen, der sich seine eigene Utopie schaffen will, wie sein Bruder, der sich in einer Wohnung einen Ort geschaffen hat, in dem sein Ruhm noch präsent ist wie eh und je. Sparta, jener mythische Ort der Kraft und auch der Knabenliebe, wird zu einem Gegenentwurf zur Welt, wie sie Ewald erfahren hat, was ihn nicht freispricht, aber bis zu einem gewissen Grad verständlich macht.

Credits

OT: „Sparta“
Land: Österreich, Deutschland, Frankreich
Jahr: 2022
Regie: Ulrich Seidl
Drehbuch: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Musik: Fritz Ostermayer, Herwig Zamernik
Kamera: Wolfgang Thaler, Serafin Spitzer
Besetzung: Georg Friedrich, Florentina Elena Pop, Hans-Michael Rehberg, Marius Ignat, Octavian-Nicolae Cocis

Bilder

Trailer

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Sparta
fazit
„Sparta“ ist eine Drama über verlorene Väter, dunkle Sehnsüchte und das Schaffen einer persönlichen Utopie. Ulrich Seidl hat, wie schon mit Rimini, einen Film geschaffen, der es seinem Zuschauer nicht einfach macht, der nicht verurteilt und eher auf Distanz geht, und damit sehr viel riskiert, was heutzutage nicht viele Filme tun.
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