Bones and All
© Warner Bros.

Bones and All

„Bones and All“ // Deutschland-Start: 24. November 2022 (Kino)

Inhalt / Kritik

Die Freude ist groß bei Maren Yearly (Taylor Russell), als sie von einer Mitschülerin eingeladen wird, zusammen mit anderen bei ihr zu übernachten. Viele soziale Kontakte hat die Jugendliche nicht, woran ihr übervorsichtiger Vater Frank (André Holland) seinen Anteil hat, der ihr nur wenig Freiraum lässt. Aus gutem Grund, wie die Teenagerinnen später feststellen müssen, als Maren plötzlich den Finger einer anderen abbeißt. Als sie blutig wieder zu Hause ist, fackelt ihr Vater nicht lange und flieht mit seiner Tochter, um woanders von vorne anzufangen. Doch auch er ist mit der Situation überfordert und überlässt sie einige Zeit später ihrem Schicksal. Und so beschließt sie, sich auf die Suche nach ihrer Mutter zu machen, die sie vor Jahren verlassen hat, und macht dabei die Bekanntschaft von Sully (Mark Rylance) und Lee (Timothée Chalamet), die ebenfalls Menschenfleisch essen …

Aus Liebe zum Kannibalismus

Dass aus dem Horrorgenre bekannte Wesen sich für Dramen und Liebesgeschichten eignen, haben in den letzten zwei Jahrzehnten unzählige Filme demonstriert. Das bekannteste Beispiel ist dabei natürlich Twilight, welches Vampire zu einer Teenie-Romanze nötigte. In When Animals Dream wurde die Verwandlung in einen Werwolf zu einem Symbol für die unheimlichen Verwandlungen, die der menschliche Körper in den Jugendjahren so mitmacht. Im Zombie-Bereich gab es beispielsweise das humorvolle Warm Bodies, als sich eine junge Frau in einen Untoten verwandelte. Mit Bones and All wird nun ein weiteres Motiv romantisiert, dieses Mal geht es anhand von Kannibalen ans Eingemachte. „Liebe geht durch den Magen“ darf hier dann mal etwas wörtlicher genommen werden.

Wobei sich die Adaption des gleichnamigen Romans von Camille DeAngelis insofern von anderen Monster-Romanzen entscheidet, dass hier eben nicht ein Normalsterblicher und ein Horrorwesen zusammenkommen. Stattdessen sind es zwei Horrorwesen, die ineinander neuartige Gefühle entdecken, aber auch einen Halt, den sie in einer für sie fremden Welt sonst kaum finden. Endlich ist da jemand, der einen versteht! Bones and All steht damit schon in der Tradition von Außenseiterballaden und dem Motiv „wir gegen den Rest der Welt“. Wobei Maren das Rebellische ihres Kompagnons Lee abgeht, der schon durch seine Haarfarbe demonstriert, dass er seinen eigenen Kopf hat. Während der auch keine großen Hemmungen hat, andere zu töten und aufzumampfen – von irgendwas muss Mann ja leben –, ist bei ihr die Sehnsucht spürbar, irgendwohin zu gehören. Anfangs sind das die Mitschülerinnen, später die Mutter, was sie auf eine Reise quer durchs Land verleitet.

Sinnsuche zwischen Romanze, Drama, Roadmovie und Horror

Auf diese Weise wechselt Bones and All, das bei den Filmfestspielen von Venedig 2022 Weltpremiere hatte, immer mal wieder das Genre. Im einen Moment handelt es sich um ein Coming-of-Age-Drama, bei dem sich viel um das Thema Identität dreht und die Suche nach der Mutter zum Symbol einer Selbstsuche wird. Dann haben wir eine rührende Liebesgeschichte, wenn zwei junge Menschen sich gefunden haben. Über weite Strecken passt auch die Roadmovie-Schublade, wenn wir mit den beiden die unterschiedlichsten Regionen abfahren, was oft mit idyllischen Bildern einhergeht. Aber es gibt eben auch klare Horrormomente, wenn Menschen getötet und gefressen werden. Letztere hängen gerade auch mit Mark Rylance (Bridge of Spies – Der Unterhändler), der als Kannibalenmentor gleichzeitig etwas Väterliches und Unheimliches an sich hat.

Eine solche Gratwanderung ist nicht ganz einfach. Mit Luca Guadagnino fand sich aber jemand, der die einzelnen Bereiche schon in früheren Filmen abdeckte und dadurch eine gute Wahl für die Regie war. Mit Call Me by Your Name dreht er eine sinnlich-tragische Liebesgeschichte, sein Remake Suspiria führte ihn in die Horrorwelt. Da passt es gut, wenn er beides in Bones and All verbindet und die Übergänge fließend genug sind, damit das Ganze nicht in seine Bestandteile zerfällt. Durch das Episodenhafte der Erzählung wird einiges zwar nicht so wirklich vertieft, selbst Schlüsselmomente bleiben seltsam folgenlos. Aber es ist doch ein ungewöhnliches und sehenswertes Drama, welches gleichzeitig tröstlich und brutal ist. Das Leben geht doch immer irgendwie weiter – selbst wenn dafür jemand anderes sterben muss.

Credits

OT: „Bones and All“
Land: USA
Jahr: 2022
Regie: Luca Guadagnino
Drehbuch: David Kajganich
Vorlage: Camille DeAngelis
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Kamera: Arseni Khachaturan
Besetzung: Taylor Russell, Timothée Chalamet, Mark Rylance, André Holland

Bilder

Trailer

Filmfeste

Venedig 2022
Telluride Film Festival 2022
Zurich Film Festival 2022
Sitges 2022

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Bones and All
fazit
„Bones and All“ verbindet Liebesgeschichte, Coming-of-Age-Drama, Roadmovie und Kannibalenhorror zu einem recht ungewöhnlichen Film. Die episodenhafte Erzählung geht über einzelne Ereignisse und Entwicklungen etwas schnell hinweg, insgesamt geht die Mischung aber erstaunlich gut auf.
Leserwertung30 Bewertungen
6.3
8
von 10