Hugh Bonneville Interview Downton Abbey II
Hugh Bonneville und Michelle Dockery in "Downton Abbey II: Eine neue Ära" (© Universal Pictures)

Hugh Bonneville [Interview]

Der britische Schauspieler Hugh Bonneville kann auf eine mehrere Jahrzehnte umfassende Karriere auf der Bühne, im Fernsehen und auf der Leinwand zurückblicken. Seine erste Kinorolle hatte er 1994 unter der Regie von Kenneth Branagh in Mary Shelleys Frankenstein. Heute verbindet das Publikum mit ihm vor allem die beiden Paddington-Filme – und natürlich die Rolle des Robert Crawley, Earl of Grantham, in der britischen Erfolgsserie Downton Abbey. Zum Heimkinostart des neuen Films Downton Abbey II: Eine neue Ära am 14. Juli 2022 auf DVD und Blu-ray haben wir uns mit ihm unterhalten.

Guten Morgen, Hugh!

Guten Morgen! Wie geht’s?

Gut, danke. Ich habe gerade die Downton Abbey-Titelmelodie vor mich hin gesummt, während ich auf den Beginn des Interviews gewartet habe. Vor etwa zehn Jahren habe ich angefangen, Downton Abbey anzuschauen und war von Beginn an davon fasziniert, obwohl ich das von einer Serie über britische Adelige und ihre Dienerschaft gar nicht erwartet hätte. Wie erklärst du dir denn den riesigen Erfolg von Downton Abbey, nicht nur in Großbritannien, sondern überall auf der Welt?

Dadurch, dass es gut geschrieben ist, tolle Charaktere hat, Geschichten, die einen fesseln und dass es temporeich erzählt ist – all diese Dinge waren von Anfang an vorhanden und treffen immer noch zu. Niemand kann genau erklären, warum die Serie so ein Erfolg ist, aber den tausenden Briefen und Nachrichten zufolge, die wir über die Jahre erhalten haben, scheint es Millionen von Menschen auf der ganzen Welt eine Art Flucht aus dem Alltag zu ermöglichen.

Nun habt ihr schon zwei Kinofilme gedreht. Hat die Geschichte damit ihren Endpunkt erreicht oder siehst du zum Beispiel die Möglichkeit für einen weiteren Film?

Nein, ich glaube jetzt ist es wahrscheinlich beendet. Vor ein paar Monaten dachte ich noch, dass wir vielleicht einen weiteren Film drehen könnten, aber ich glaube, dass die Serie nun einen sehr schönen Abschluss gefunden hat. Es war eine tolle Zeit über all die Jahre!

Einerseits ist Downton Abbey eine Seifenoper. Die Charaktere machen viele Krisen durch, es gibt überdurchschnittlich viele Geheimnisse, Verschwörungen, Todesfälle. Andererseits kann man sich in die Figuren trotzdem gut hineinfühlen und Kritiker wie Publikum lieben die Serie gleichermaßen. Warum fühlt sich Downton Abbey deiner Meinung nach nicht nur einfach wie eine weitere Soap an? Liegt das zum Beispiel am Setting? Oder an den Schauspielern, die besser sind als etwa in vielen Daily Soaps?

Die Schauspieler in Daily Soaps arbeiten härter als jede andere Gruppe von Schauspielern, die ich kenne und sie sind meiner Meinung nach hervorragend! Ich würde niemals schlecht über sie reden. Aber ich finde, dass Downton Abbey auf einem sehr hohen Niveau produziert wurde. Wir hatten einige der besten Leute im Filmgeschäft. Vom Kostümdesign, übers Setdesign, bis hin zur Maske hatten wir überall ausgezeichnete Leute an der Spitze dieser Abteilungen. Und auch ein paar gute Schauspieler. Aber ich glaube, es liegt vor allem am Geist der Drehbücher, dass diese Serie von so vielen Leuten geliebt wird, und das ist der Verdienst ihres Schöpfers Julian Fellowes.

Kennst du die Namen aller Figuren in der Serie?

Wahrscheinlich nicht. Aber ich hoffe, dass ich die 15 zentralen Figuren aufzählen könnte, wenn es darauf ankäme.

Für den zweiten Kinofilm habt ihr ja in Frankreich gedreht. Weißt du noch, welche Bücher du für deinen Aufenthalt dort mitgenommen hast?

Ach du meine Güte…welche Bücher habe ich da mitgenommen? Ich erinnere mich tatsächlich gar nicht mehr. Um ehrlich zu sein hatten wir nicht viel Freizeit dort. Was habe ich da für ein Buch mitgenommen…? Ach ja, einen Roman von Tom Bradby, einem sehr gutem Autoren und Journalisten hier im Vereinigten Königreich.

Du wirst dieses Jahr noch dein eigenes Buch veröffentlichen. Was können wir von deiner Autobiographie erwarten?

Es ist nicht wirklich eine Autobiographie, denn was in einer Autobiographie steht, ist ja größtenteils korrekt. Es sind Memoiren, also ein vollkommen subjektiver Bericht über bestimmte Ereignisse aus meiner Karriere. Es geht einfach um meine Schauspielkarriere. Geschichten, die ich über die Jahre erlebt habe, unterschiedliche Personen, die mir über den Weg gelaufen sind und Leute, die ich bewundere. Außerdem ein paar Einflüsse aus meiner Familie, solche Sachen eben. Es ist also ein sehr heiterer Blick auf meine 35 Jahre im Geschäft.

Ich nehme an, deine Zeit bei Downton Abbey wird darin auch eine Rolle spielen und es wird sich für Fans der Serie lohnen, das Buch zu lesen.

Das hoffe ich! Downton Abbey kommt darin vor, aber wie gesagt bin ich seit 35 Jahren Schauspieler. Downton Abbey ist ein wichtiger Teil davon, aber im Buch wird es auch Geschichten über Paddington geben oder über meine frühen Jahre als Schauspieler. Außerdem über meine Zeit am Theater, etwa bei der Royal Shakespeare Company und am National Theatre. Aber natürlich kommt Downton Abbey auch im Buch vor und es wird sowohl ein paar bekannte Anekdoten zu lesen geben, als auch ein paar, die hoffentlich neu sind.

In deiner langen Karriere hast du ja mit vielen Kollegen zusammengearbeitet, auch mit einigen großen Berühmtheiten. Gab es jemals einen Moment, wo du jemanden getroffen hast und geradezu in Ehrfurcht erstarrt bist?

Oh ja, sehr oft sogar! Maggie Smith hatte diesen Effekt auf mich am allerersten Tag, und am letzten Tag der Dreharbeiten mit ihr ging es mir noch genauso. Ich tue also nicht so, als würde mich die Schauspielwelt vollkommen kalt lassen. Als ich mal in einem Korridor Anthony Hopkins über den Weg gelaufen bin, das war auch sehr aufregend. Bei meinem allerersten Film durfte ich Robert De Niro bei der Arbeit zusehen! Für Notting Hill durfte ich mit Julia Roberts zusammenarbeiten! Ich gerate eigentlich fast jeden Tag in Ehrfurcht, sogar vor meinem Milchmann und ganz allgemein vor den meisten Leuten.

Ich bin ein großer Fan von Robert Altmans Film Gosford Park, der ja auch von Julian Fellowes geschrieben wurde und den man als eine Art Vorläufer von Downton Abbey bezeichnen könnte. Als ich Downton Abbey II: Eine neue Ära angeschaut habe, sind mir wieder einmal einige Gemeinsamkeiten zu Gosford Park aufgefallen. Beispielsweise die Verachtung, die die Aristokratie darin dem Film oder eigentlich jeder Art von populärer Kultur entgegenbringt. Warum glaubst du, dass dein Charakter in Downton Abbey Hollywoodfilme für Zeitverschwendung hält?

Ich glaube, das ist vor allem ein ironischer Kommentar von Julian Fellowes, der Film und Fernsehen natürlich liebt. Aber er ist sich auch bewusst, dass es eben in der Aristokratie diesen Typ von Menschen gibt, der diese Dinge als bedrohlich und geschmacklos ansieht. Ich kann das auch vor meinem eigenen Familienhintergrund nachvollziehen. Wir sind in der Welt der BBC aufgewachsen, die sehr einfach, geradlinig und korrekt war. Und dann kam plötzlich ein kommerzieller Sender namens ITV daher, wo es Werbeblöcke gab. Das war eine Schande! Die Einstellung, die Robert Crawley in Downton Abbey oder ganz allgemein diese Art von Adeligen haben, schlägt glaube ich in eine ähnliche Kerbe. Theater akzeptieren sie vielleicht noch, wenn sie es auch wahrscheinlich langweilig finden, und Musicals gehen noch gerade so. Aber die Vorstellung eines Spielfilms mit diesen grässlichen Leuten, die man Schauspieler nennt und die betrunken und voller Schminke im Gesicht herumstolzieren, ist für sie einfach unvorstellbar! Offensichtlich ist das ein liebevoll gemeinter Scherz darüber, wie wir Schauspieler nun einmal sind – und wir sind natürlich betrunken und voll mit Schminke, aber man muss das ja nicht auf der Leinwand zeigen. Julian Fellowes spricht da natürlich aus Erfahrung, er ist ja selbst Schauspieler.

Also hat das auch mit den konservativen Werten von Robert Crawley zu tun.

Ja, das denke ich. Leute wie Robert finden Shakespeare wahrscheinlich sterbenslangweilig, würden aber gleichzeitig vorgeben, kulturell gebildet zu sein. Alles was neu ist, ist dabei aber natürlich inakzeptabel. Alles, was mit Veränderung zu tun hat, wird als verdächtig angesehen, zum Beispiel wenn die Köchin Mrs. Patmore eine elektrische Küchenmaschine anschafft. Veränderung bedeutet Revolution, und eine Revolution müssen wir um jeden Preis vermeiden!

Das könnte auch der Grund dafür sein, warum die Fans sich immer noch eine weitere Fortsetzung von Downton Abbey wünschen! Sie wollen nicht, dass es aufhört, sondern immer so weitergeht, wie bisher. Ein endgültiges Ende der Serie würde ja eine Veränderung bedeuten.

Ja, da könnte etwas dran sein.

Wir haben schon darüber gesprochen, dass ihr in Frankreich gedreht habt und du hast gesagt, dass du dort nicht besonders viel Freizeit hattest. Der Aufenthalt war also wahrscheinlich alles andere als ein Urlaub.

Naja, da habe ich gelogen, denn tatsächlich mussten wir vor dem Drehstart eine ganze Woche in Quarantäne verbringen. Wir saßen also eine Woche lang in einem sehr hübschen Hotel fest, und dort bin ich dann auch zum Lesen gekommen. In Frankreich zu drehen war wunderbar, denn lange sah es wegen Covid so aus, als ob wir dort überhaupt nicht drehen können. Wir hatten etwas, dass wir Plan Z nannten, aber glücklicherweise brauchten wir den nicht, konnten Plan A umsetzen und mussten also die Frankreich-Szenen nicht in England drehen. Wir konnten für den Dreh das wunderbare Licht im Süden Frankreichs nutzen, was unser Kameramann Andrew Dunn großartig eingefangen hat. Der Dreh in Frankreich hat uns gutgetan und hat dem Film einen willkommenen Szenenwechsel beschert. Das war auch schon bei einigen der Weihnachtsspecials der Serie der Fall, wo wir ja etwa nach Schottland oder zu Alnwick Castle in Nordengland gegangen sind. Während das Anwesen Downton Abbey als zentraler Charakter der Serie stets gleichgeblieben ist, konnten wir eben losziehen und andere Landstriche erforschen. Ins Ausland zu gehen war eine aufregende Neuerung für die Serie.

Auch wir Zuschauer haben über die Jahre ja viel Zeit in Downton Abbey verbracht. Als ich den neuen Film angeschaut und das Gebäude wieder gesehen habe, hat es sich für mich angefühlt, als sei ich nach Hause gekommen. Welche Erinnerungen verbindest du denn mit Highclere Castle, wo die Szenen auf dem Anwesen gedreht wurden?

Ganz ähnliche wie du. Manchmal hat sich das angefühlt, wie nach Hause zu kommen. Auch nach all den Jahren hat es mich immer noch bewegt, die berühmte Auffahrt hochzufahren und einen ersten Blick auf das Anwesen zu erhaschen. Über zehn Jahre hinweg habe ich das immer wieder getan und es hat mich immer wieder berührt. Es war ein wunderschöner Ort zum Arbeiten. Auch mit den einzelnen Räumen verbinde ich viele Erinnerungen. Mit der Zeit verschwimmen sie natürlich alle. Aber ich habe mehrere eindrucksvolle Erinnerungen daran – von meiner ersten Szene mit Maggie Smith, über den Tag, an dem Dan Stevens die Serie verlassen hat, bis zu dem Tag an dem wir zum letzten Mal eine Szene im Esszimmer gefilmt haben. Als die Opernsängerin Dame Kiri Te Kanawa in der großen Eingangshalle gesungen hat, war das auch etwas sehr Besonderes! Oder der Tag, an dem Shirley MacLaine bei uns angekommen ist. All diese wunderbaren Leute sind bei uns zur Tür hereinspaziert! In den Mauern dieses Hauses stecken einige großartige Erinnerungen und ich werde sie mir für immer aufbewahren.

Als Downton Abbey gestartet ist, dachten viele, es sei einfach „nur“ eine Soap über die britische Aristokratie. Aber die Serie hat sich schnell zu einem Phänomen entwickelt. Später haben sogar US-Hollywoodstars wie Shirley MacLaine oder Paul Giamatti mitgespielt!

Ja, genau. Bei unserer ersten Staffel wollte uns noch niemand groß vermarkten, weil Kostümdramen als überholt galten und niemanden besonders interessiert haben. Aber dann gingen nach der ersten Episode die Quoten nach oben und die zweite Episode hatte mehr Zuschauer als die erste, was sehr ungewöhnlich ist. Danach wuchs es immer weiter und wurde auch in Amerika und schließlich auf der ganzen Welt zum Erfolg. So viele bekannte Künstler haben sich für unsere Serie interessiert und wollten entweder ein Teil davon sein oder zumindest zum Ausdruck bringen, wie sehr ihnen die Serie gefällt. Downton Abbey war ein ganz seltenes Phänomen, wie es in meiner Karriere nicht noch einmal auftauchen wird.

Gibt es Pläne für eine erneute Zusammenarbeit zwischen dir und Julian Fellowes?

Nein, ich glaube nicht. Er wird mich zum Erscheinen meines Buches auf einem Literaturfestival interviewen, das ist sehr freundlich von ihm. Aber davon abgesehen haben wir keine gemeinsamen Pläne. Er steckt mitten in den Dreharbeiten zu The Gilded Age, da drehen sie soweit ich weiß gerade in Amerika die zweite Staffel. Er ist der am meisten beschäftigte Autor, den ich kenne, aber ob in einem seiner zukünftigen Projekte eine Rolle für mich dabei ist, weiß ich nicht.

Wo wir gerade von deinen zukünftigen Projekten reden, kannst du uns etwas über Paddington 3 erzählen?

Nein, ich weiß da nicht mehr als du. Ich habe die Ankündigung gesehen, dass sie Paddington in Peru drehen wollen und ich habe vor einiger Zeit auch ein Drehbuch gelesen, aber daran arbeiten sie immer noch. Angeblich wollen sie den Film nächstes Jahr drehen, aber das ist alles, was ich weiß. Aber im August kommt I Came By heraus, ein Film, den ich für Netflix gedreht habe. Er stammt von Babak Anvari, einem wunderbaren, jungen Regisseur iranischer Abstammung mit großem visuellem Talent – ein echt schräger Kerl. Er ist ein großartiger Mann! Und momentan drehe ich eine Serie namens The Gold, basierend auf einer bekannten und wahren Geschichte um einen Golddiebstahl in den Achtzigern. Da geht es darum, was mit dem Gold passiert ist, nachdem es gestohlen wurde – oder vielmehr um die Personen, die darin verwickelt waren. Das ist ein tolles Projekt und ich bin also gut beschäftigt.

Vielen Dank für das Gespräch!



(Anzeige)