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© Claire Nicol

Unschuld und Verlangen

„Unschuld und Verlangen“ // Deutschland-Start: 10. Juni 2022 (arte) // 4. November 2022 (DVD)

Inhalt / Kritik

Eigentlich hatte sich die 15-jährige Solange (Louisiane Gouverneur) ihren Sommer anders erhofft. Aber irgendwie will dieses Jahr gar nichts klappen. Die Ehe ihrer Eltern steht vor dem Aus, auch aus dem Theaterworkshop ist nichts geworden. Stattdessen steckt sie in ihrem kleinen Heimatstadt Clèves in den französischen Alpen fest, wo sie vergeblich darauf wartet, dass einmal etwas Aufregendes geschieht. Dabei ist schon einiges im Wandel, wie sie an sich feststellt: Ihr Körper verändert sich, sie entwickelt sexuelle Bedürfnisse und auch die Neugierde, diesen nachzugehen. An Möglichkeiten mangelt es ihr nicht. Neben dem Jugendlichen Arnaud (Aymeric Fougeron), mit dem sie erste Erfahrungen sammeln kann, ist da auch noch ihr mehr als doppelt so alte Nachbar Guillaume (Vincent Deniard), der regelmäßig auf sie aufpasst …

Das Entdecken der Sexualität

Es gibt so Themen in Filmen, die werden wohl nie aus der Mode kommen. Eines davon ist der Coming-of-Age-Bereich, der von dem Aufwachsen und langsamen Erwachsenwerden zählt. Selbstfindung und Abnabelung von den Eltern ist angesagt, oft verbunden mit einer ersten großen Liebe und der Entdeckung der eigenen Sexualität. Solche Filme erscheinen dauernd, gibt es in jedem Land. Und damit natürlich auch in Frankreich, wo Titel wie La Boum – Die Fete oder LOL (Laughing Out Loud) zu großen Erfolgen wurden, die selbst im Ausland ihre Spuren hinterließen. Ob Unschuld und Verlangen ähnlich einflussreich wird, das darf zwar bezweifelt werden. Sehenswert ist der auf arte ausgestrahlte TV-Film aber durchaus.

Der Vergleich zu La Boum ist dabei naheliegend, da das Erwachen einer Jugendlichen einhergeht mit einer Krise der Eltern. Wo die eine Figur also erste Schmetterlinge im Bauch vorfindet, da müssen sich die anderen damit auseinandersetzen, dass selbst langjährige Beziehungen zerbrechen können. Hier ist der Fokus aber noch einmal deutlich stärker auf der Protagonistin. Wo der berühmte Hit aus den frühen 80ern viel Wert darauf legte, ein lebendiges Umfeld zu erschaffen, welches die Hauptfigur entscheidend mitprägt, da ist bei Unschuld und Verlangen in der Hinsicht nicht viel zu finden. Im Gegenteil, die Geschichte handelt eben auch davon, wie jemand zumindest phasenweise etwas verloren durch die Welt streift, weil die notwendige Orientierung fehlt – da sind die Kondome des Vaters schon der Höhepunkt des Beistandes.

Wandel der Protagonistin

Damit verbunden ist auch eine inhaltlich andere Orientierung: Die Adaption des Romans Clèves von Marie Darrieussecq legt deutlich mehr Wert auf den Aspekt der Sexualität, als es in anderen Filmen der Fall ist. Hier wird nicht nur davon geträumt und darüber gesprochen. Es gibt auch immer wieder Szenen, in denen die Protagonistin diesen Bedürfnissen nachgeht. Unschuld und Verlangen beschreibt sie dabei, wie der deutsche Titel es bereits verrät, als einen Menschen, der in einer Art Zwischenstadium steckt. Einerseits weiß sie nicht so recht, was Sache ist, ist zurückhaltend. Und doch tritt sie zunehmend forsch und fordernd auf. Sie wird zum Objekt der Männer, nutzt gleichzeitig ihre Reize bewusst, um mit Guillaume zu spielen – der selbst nicht genau weiß, wie er mit seinem Schützling umgehen soll.

Stärker noch als andere Coming-of-Age-Filme, die quasi per Definition einen Wandel beschreiben, sehen wir bei Unschuld und Verlangen die Transformation der Hauptfigur. Solange ist zunächst von Träumen und Sehnsüchten geprägt und sucht nun nach einem Weg, sich selbst in der Umsetzung zu finden. Dabei geht naturgemäß einiges schief, weil sie andere falsch einschätzt, sich selbst verschätzt, erkennen muss, dass die Realität da draußen anders aussehen kann als die Realität im eigenen Inneren. Zum Ende des Dramas ist es ihr noch nicht gelungen, beides in Einklang zu bringen. Vielmehr muss sie feststellen, dass das Leben unerwartete, traurige und sogar hässliche Richtungen einschlagen kann. Doch gerade der Anblick des Scherbenhaufens wird zu einem wichtigen Schritt bei dem Weg ins Erwachsenenalter, der sich nicht wieder rückgängig machen lässt.

Credits

OT: „Clèves“
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Rodolphe Tissot
Drehbuch: Rodolphe Tissot, Marianne Pujas, Fanny Burdino, Vincent Poymiro
Vorlage: Marie Darrieussecq
Musik: Philippe Jallo
Kamera: Pénélope Pourriat
Besetzung: Louisiane Gouverneur, Vincent Deniard, Sarah Suco, Aymeric Fougeron, Alexandre Steiger

Bilder

Trailer

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Unschuld und Verlangen
Fazit
„Unschuld und Verlangen“ beschreibt eine 15-Jährige, die sich und die eigenen sexuellen Bedürfnisse kennenlernt. Der Film ist dabei stark auf die Protagonistin fokussiert und zeigt den Wandel, den sie innerhalb eines Sommers durchmacht – und auch, welchen Preis der Weg ins Erwachsenenalter einfordert.
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7
von 10