Polizeiruf 110: Hildes Erbe TV Fernsehen Das Erste ARD
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Polizeiruf 110: Hildes Erbe

Inhalt / Kritik

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„Polizeiruf 110: Hildes Erbe“ // Deutschland-Start: 30. Januar 2022 (Das Erste)

Der frisch von der Polizeischule kommende Kriminalkommissaranwärter Vincent Ross (André Kaczmarczyk) hat sich seinen Einstieg irgendwie anders vorgestellt. Nicht nur dass direkt über seiner Wohnung ein Mord geschieht und er sich plötzlich erklären muss. Die Zusammenarbeit mit Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) gestaltet sich zudem schwierig. Dabei ist gutes Teamwork gefragt, wenn es darum geht, wer den jungen Mann umgebracht. In den Fokus rücken dabei dessen Schwester Emma (Ada Philine Stappenbeck), sein Vater Ulf (Lars Rudolph) sowie Großmutter Hilde (Tatja Seibt). Aber auch deren Pflegerin Sandra Böttcher (Isabel Schosnig) ist verdächtig, hat die alte Frau doch ein beträchtliches Vermögen angesammelt …

Auftakt eines ungleichen Teams

Zwar steht der Polizeiruf 110 immer etwas im Schatten des Sonntagabend-Stammgastes Tatort, der mit Dutzenden parallelen Teams für pralle Quoten sorgt. Doch auch die in der DDR gestartete inzwischen auf der ARD fortgeführte Krimireihe zieht ein Millionenpublikum an. Zuletzt waren es bei Keiner von uns weit über neun Millionen Menschen, die pünktlich um 20.15 Uhr einschalteten. Zugegeben, das lag auch zu einem bedeutenden Teil an der speziellen Situation. Schließlich war dies der letzte Auftritt von Charly Hübner, der sich mit seinem 24. Film aus der Reihe verabschiedete. Umso neugieriger durfte man sein, ob sich die gesteigerte Aufmerksamkeit beim anschließend ausgestrahlten Teil Hildes Erbe halten würde, der uns dieses Mal zur deutsch-polnischen Grenze mitnimmt.

Auch sonst geht der 396. Film der Reihe andere Wege als der Kollege aus Rostock. Eines haben beide Teile aber gemeinsam: bemerkenswerte Männerfiguren. Regisseur und Co-Autor Eoin Moore, der schon bei Keiner von uns die kreative Verantwortung übernommen hatte, setzt erneut auf Persönlichkeit, wenn er sich in die Welt des Verbrechens begibt. Bei Polizeiruf 110: Hildes Erbe arbeitet er jedoch mit einem größtmöglichen Kontrast, wenn er Ross und Raczek in ein Team steckt. Deren Schauspieler sind zwar vom Alter her gar nicht so extrem auseinander – der eine ist Mitte vierzig, der andere Mitte dreißig –, sie könnten aber unterschiedlicher nicht sein. Da trifft ein Mann nach alter Definition, der Fleischberge ebenso hinunterschlingt wie Tabletten, die eine emotionale Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich verhindern soll, auf einen jungen Kollegen, der einen Rock und Make-up trägt.

Mördersuche im Psychosen-Kabinett

Klar ist das schon ziemlich überzogen, wenn ein verkniffener Psychopath und ein Yoga betreibender Grenzgänger gemeinsame Sache machen. Polizeiruf 110: Hildes Erbe greift auf das seit Jahrzehnten gerade im Polizeiumfeld beliebte Prinzip des Buddy Movies zurück – siehe etwa Lethal Weapon oder Beverly Hills Cop –, und überträgt es auf eine heutige Zeit, Spielereien mit Geschlechterbildern inklusive. An manchen Stellen hat das auch eine komische Komponente, ganz im Stil der besagten Blockbuster. Da wird dann schon mal mitten im Einsatz mithilfe von Dehnübungen für Entspannung sowie Erheiterung gesorgt. Beide Figuren sind da manchmal schon an der Karikatur dran. Und natürlich wird es eine Form der Annäherung geben, das ist in solchen Filmen schließlich immer so. Moore verzichtet jedoch darauf, allzu versöhnlich zu werden, der Weg bleibt schwierig.

Auch beim Fall stehen in erster Linie die Figuren im Mittelpunkt. Klar ist Polizeiruf 110: Hildes Erbe im Prinzip ein klassischer Whodunnit, wenn mehrere Menschen verdächtigt werden, einen jungen Mann umgebracht zu haben. Das Motiv dafür ist – wahrscheinlich – das klassischster aller Motive: Geld. Denn davon hat die alte Frau sehr viel. Dennoch werden von dem Film wohl weniger die zahlreichen Verstrickungen und Wendungen in Erinnerungen bleiben, deren Auflösung zum Schluss schon irgendwie willkürlich wirkt. Es ist vielmehr das Ensemble, das sich durch starke Leistungen empfiehlt. Beeindruckend ist beispielsweise Tatja Seibt (Der Kroatien-Krimi: Die Patin von Privonice) in der Rolle der gleichermaßen rabiaten wie reichen Proll-Oma, die noch im Sterbebett ihr Umfeld verprügelt. Aber auch sonst ist der Film eine Ansammlung kaputter bis gewaltsamer Typen, die einen an der Spezies Mensch zweifeln lassen. Wenn ausgerechnet der fluide Mann mit Rock und Augen-Make-up der Solide im Psychosen-Kabinett ist, dann ist das schon eine starke Aussage zu einer auseinanderbrechenden Welt, in der irgendwie nichts mehr Bestand zu haben scheint.

Credits

OT: „Polizeiruf 110: Hildes Erbe“
Land: Deutschland
Jahr: 2022
Regie: Eoin Moore
Drehbuch: Eoin Moore, Anika Wangard
Musik: Wolfgang Glum, Kai-Uwe Kohlschmidt, Warner Poland
Kamera: Florian Foest
Besetzung: Lucas Gregorowicz, André Kaczmarczyk, Ada Philine Stappenbeck, Lars Rudolph, Tatja Seibt, Isabel Schosnig

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„Polizeiruf 110: Hildes Erbe“ versucht sich an einer neuen Figurenkonstellation, wenn der altmodische Macho mit einem jungen Kollegen in Rock und Augen-Make-up zusammenarbeiten muss. Überhaupt bleibt der Krimi weniger wegen seines wendungsreichen Falles in Erinnerung als durch die vielen kaputten Typen, die sich gegenseitig bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Leben zur Hölle machen.
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