Wunderschön
Karoline Herfurth in "Wunderschön" (© Warner Bros.)

Karoline Herfurth [Interview]

In ihrer dritten Regiearbeit Wunderschön erzählt Karoline Herfurth von mehreren Frauen, die sich alle mit dem Thema Schönheit, Körperbewusstsein und Anerkennung auseinandersetzen. Sie selbst spielt in dem Episodenfilm eine zweifache Mutter, die wieder zurück in die Arbeitswelt möchte, was in ihrer konkreten Familiensituation aber alles andere als einfach ist. Denn der Mann macht Karriere und kann da gerade nicht zurückstecken. Zum Kinostart des Dramas am 3. Februar 2022 unterhalten wir uns mit der Künstlerin über die Arbeit an dem Film, von außen erzwungene Erwartungshaltungen und die Frage, was einen Menschen wunderschön macht.

 

Könntest du uns ein wenig über die Entstehungsgeschichte von Wunderschön verraten? Wie bist du auf die Idee für den Film gekommen?

Das war tatsächlich ein ziemlich langer Prozess. Es begann damit, dass ich Nora Tschirner bei den Dreharbeiten zu SMS für dich kennengelernt habe. Bei einem Fotoshooting, das wir während der Pressearbeit für den Film gemacht haben, meinte Nora, dass sie ungern diese typischen Schönheits- und Coolness-Posen einnimmt und sie lieber einen anderen Inhalt erzählen würde. Sie wollte auch nicht mit Photoshop bearbeitet werden. Ich war davon schon ziemlich überrascht, weil ich mich bis dato nicht wirklich damit auseinandergesetzt hatte und das alles ungefragt hingenommen hatte. Nora zeigte mir daraufhin einen Trailer von einem Dokumentarfilm den sie mitproduziert hat. Embrace von Taryn Brumfitt beschäftigt sich mit dem Körperdruck von Frauen auf der ganzen Welt.  Der Trailer hat mich komplett umgehauen und wahnsinnig berührt, weil ich auch gemerkt habe, wie viel das auch mit meinem Leben zu tun hat. Embrace war eine wichtige Inspirationsquelle für mich.

Wie lange habt ihr dann an dem Stoff gearbeitet?

Lena Stahl hat mit dem Drehbuch begonnen, als ich noch mit Sweethearts beschäftigt war. Später haben dann Monika Fäßler und ich übernommen, weil Lena an ihrem eigenen Regiedebüt gearbeitet hat. Insgesamt haben wir bestimmt zwei Jahre den Stoff entwickelt. Für den gesamten Film inklusive Dreh werden es drei Jahre gewesen sein.

In den letzten Jahren ist das Bewusstsein für die Problematik gestiegen, dass Frauen zu Objekten gemacht und auf ihr Äußeres reduziert werden. Hast du das Gefühl, dass es konkret Fortschritte in der Hinsicht gab? Oder war das mehr ein Lippenbekenntnis?

Ich denke, dass es beides gibt. Authentizität ist in der Hinsicht ein stark missbrauchtes Wort. Du findest viele bearbeitete Bilder, die von sich selbst behaupten authentisch zu sein. Die sagen dann, dass es darum geht, man selbst zu sein und stark zu sein. Gezeigt wird aber etwas völlig anderes. Da findet noch immer eine Reproduktion einer körperlichen Idealisierung statt. Und es ist schon sehr interessant, diesen Widerspruch zu sehen zwischen der Aussage und der Wirklichkeit. Gleichzeitig ist aus dieser Diskussion aber auch sehr viel entstanden, das wirklich zukunftsweisend ist. Wenn ich mir allein anschaue, was erzählerisch in meiner Branche passiert ist, was für Formate stattfinden und welche Frauenfiguren es jetzt gibt. Allgemein werden immer häufiger Themen wie Privileg und Ungleichheit angesprochen und sind Teil eines gesellschaftlichen Diskurses. Das ist jetzt mitten in der Gesellschaft angekommen. Insofern hat es klar auch Fortschritte gegeben.

Welche Rolle spielen dabei soziale Medien? Haben sie zu einer Verbesserung beigetragen oder gab es dadurch auch Rückschritte, gerade was das Selbstbild junger Mädchen angeht?

Ich denke, dass diese Idealisierung auch bei Männern stark zunimmt. Sie sind ebenso von Leistungsdruck und Optimierungsdruck betroffen wie Frauen. Gerade in sozialen Medien. Wobei soziale Medien für mich ein Abbild der sozialen Gesellschaft sind. Und es gibt auch da Positives wie Negatives. Ich kenne Werbeprofile auf sozialen Medien, die ganz viele wirklich diverse Körperbilder zeigen und dadurch zu einer Entspannung führen. Du findest aber auch das genaue Gegenteil. Was ich allgemein so unheimlich und gefährlich finde an sozialen Medien, ist, wie durch Algorithmen abgegrenzte Welten entstehen, je nach Werten und Inhalten. Auf diese Weise reproduzierst du dich immer in deiner eigenen Wirklichkeit und bekommst keine unterschiedlichen Perspektiven mehr.

Wenn uns diese Bilder durch Werbung oder soziale Medien vorgegeben werden, wie schaffen wir es, uns wieder davon zu lösen?

Ich bin groß geworden mit diesen Bildern und habe mich immer wieder durch eine Schablone angeschaut. Ich habe wahnsinnig viel Zeit damit verbracht und letztendlich verschwendet, mich anzupassen an eine Form, die mir gar nicht entspricht. Ich habe lange gebraucht, den Fokus umzulenken und statt zu gucken „wie sehe ich aus“ eher die Frage zu Stellen, „was macht mich aus“. Was ist macht mich stark, was bringt mich nach vorne, was ist mein ganz eigenes Potenzial und was macht mir überhaupt Spaß? Das fängt ja schon mit dem Notensystem in der Schule an, da wird an einem festgelegten Leistungshorizont gemessen, statt den ganz individuellen Weg zu bewerten. Denn der ist doch die wahre Leistung.

Um auf den Titel deines Films zu kommen, was macht jemanden „wunderschön“?

Ich glaube die ganze Person. Es ist ja nicht immer ganz leicht zu sagen, warum man jemanden liebt oder auch sympathisch findet. Das hängt für mich weniger von der Körperform einer Person ab, sondern hat hauptsächlich mit etwas zu tun, was ihn oder sie im Speziellen ausmacht. Der Kern dieser Person. Ich kann das deshalb gar nicht an einem spezifischen Punkt festmachen. Für mich ist meine beste Freundin einer der wunderschönsten Menschen der Welt. Aber an ihr ist so viel wunderschön, das ist das gesamte Zusammenspiel von allem, was sie ausmacht. Dazu gehören dann auch die negativen Seiten, die jeder von uns hat. Denn wenn du die wegnimmst, ist sie nicht mehr sie.

Bedeutet das dann, dass man dann viel Zeit mit dieser Person verbringen muss, um auch all diese Seiten kennenzulernen?

Das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, dass man eine Intuition hat, wer der andere ist und ob man auf derselben Wellenlänge ist. Ich glaube auch an Liebe auf den ersten Blick, selbst wenn sich das mit der Zeit verändern kann. Aber es gibt auch Menschen, die musst du wirklich erst näher kennenlernen. Manchmal muss man schon genauer hinschauen.

Wunderschön
Ein Paar in der Krise: Sonja (Karoline Herfurth) und Milan (Friedrich Mücke) suchen in „Wunderschön“ nach der richtigen Balance aus Familie und Beruf (© Warner Bros.)

In deinem Film sprichst du auch Geschlechterrollen an. In einem Streit wirft Sonja Milan vor, er habe sie zu wenig unterstützt. Er antwortet, sie habe ihn nie gefragt. Ganz allgemein: Sollten Frauen fordernder auftreten oder Männer von sich aus mehr auf sie eingehen?

Das ist eine Diskussion, die exemplarisch steht für eine Überforderung von Familien. Ich denke, das sind ganz typische Auseinandersetzungen von Eltern, das hat was Strukturelles. Frauen bekommen oft nicht die Anerkennung für das, was sie leisten. Männer werden auf die Arbeitswelt reduziert und haben weniger Recht auf Teilhabe am Familienleben. Ich glaube, in dieser Situation finden sich viele Elternpaare wieder. Ich würde da nicht allgemein sagen, dass Frauen mehr fordern und Männer mehr zuhören müssen. Ich denke aber, dass jeder Mensch einen Begriff bekommen muss für seine Privilegien. Und was sind Privilegien?  Geht es darum, mehr Macht, mehr Geld, mehr Einfluss zu haben? Das sind definitiv Ressourcen, die besser verteilt werden müssen. Aber wir sind auch als Herde gemacht und sind soziale Wesen, wir brauchen die Beziehung zu anderen Menschen. Das Recht auf Familienzeit ist also auch ein Privileg. Deswegen finde ich es sehr schön, wenn die beiden für sich die Lösung am Ende finden, dass sie nicht Vollzeit arbeiten wollen, sondern eine Balance aus Familienzeit und Arbeitszeit suchen. Da geht es dann nicht darum: Frauen sollten mehr das machen, Männer mehr jenes. Wir sollten alle mehr Zeit und Kraft und Ressourcen schaffen, damit Familien stärker werden. Das ist für mich die viel größere Frage.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person
Karoline Herfurth wurde am 22. Mai 1984 in Ost-Berlin geboren. Sie schloss 2008 die Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin ab und studierte anschließend Soziologie und Politikwissenschaft sowie Russisch an der Humboldt-Universität. Ihre erste Filmrolle hatte Herfurth im Alter von zehn Jahren in dem Fernsehfilm Ferien jenseits des Mondes (1995). Ihr erster Kinofilm war das Drama Crazy im Jahr 2000. Sie feierte im Anschluss als Schauspielerin zahlreiche Erfolge, darunter mit  Mädchen Mädchen (2001), Fack ju Göhte (2013) und Die kleine Hexe (2018). 2016 gab sie mit SMS für dich ihr Debüt als Regisseurin, dem 2019 ihre zweite Regiearbeit Sweethearts folgte.



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