Lobster Soup
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Lobster Soup – Das entspannteste Café der Welt

Inhalt / Kritik

„Lobster Soup“ // Deutschland-Start: 14. Oktober 2021 (Kino)

Das etwa dreieinhalbtausend Seelen starke Städtchen Grindavík im Südwesten Islands ist wenn, dann vor allem für seine Fischerei bekannt. Aber auch das Bryggjan-Café hat von sich reden gemacht, was vor allem an der Hummersuppe liegt, welche die Regisseure Pepe Andreu und Rafael Moles anscheinend dazu inspirierte, ihre Dokumentation Lobster Soup zu nennen, während im deutschen Sprachraum wohl der klarstellende Zusatz Das entspannteste Café der Welt nötig erschien. Das Café selbst ist Dreh- und Angelpunkt der Dokumentation, doch gleichzeitig nicht mehr als ein Requisit. Hier hat sich eine Stammkundschaft eingefunden, welche neben den Besitzern das eigentliche Interesse der Filmemacher geweckt zu haben scheint. Das wird bereits recht früh am Anfang klar, wenn Texteinblendungen dem Zuschauer rezeptegleich die „Ingredients“ für die Lobster Soup wissen lässt: „6 Old fishermen drinking coffee“. Auch der weitere Verlauf ist kapitelartig mit solchen Texteinblendungen eingeteilt, etwa „1 Visionary with a shotgun“ oder „Iceland’s last boxer“.

Zeit für Nichts

Als „Entschleunigungskino“ wird die Dokumentation vermarktet, was für manche ein Alarmzeichen sein mag. Wen der Begriff allerdings anspricht, der wird auf jeden Fall seine Freude an Lobster Soup – Das entspannteste Café der Welt haben. Das Ganze ist derart entschleunigt, dass es manchmal gar wie im Rückwärtsgang wirkt, was auf seine Weise natürlich zu der in der Zeit stehengeblieben zu scheinendem Örtchen Grindavík passt. Die vorgestellten Einwohner scheinen ja alle ganz nett zu sein und es wäre sicher auch recht angenehm, mit ihnen zu reden oder auch nur stumm rumzusitzen, aber ob jemand wirklich ein derart hektisches Leben hat, dass er sich 80 Minuten lang in alltäglichen Banalitäten, seien diese auch sicherlich individuell und auf ihre Art nicht uninteressant, verlieren muss um zu entspannen, ist fraglich.

Die Bedrohung von außen

Eine Dokumentation muss nicht immer Spielfilmlänge, im vorliegenden Fall 100 Minuten, haben; Mut zur Kürze stünde vielen Regisseuren gut zu Gesicht, statt alles künstlich in die Länge zu ziehen, um eine halbwegs arbiträre Zeitvorgabe einzuhalten. Bei einer Entschleunigung darf ja gerne für eine Weile alles in Stillstand geraten, ein auf-der-Stelle-Treten muss aber nicht sein. In den letzten zwanzig Minuten nimmt der Film dann entgegen seiner Prämisse doch noch an Fahrt auf und greift ein bereits zuvor erwähntes Thema auf: Investoren nehmen das beschauliche Fleckchen Erde ins Visier; sollten diese dort Fuß fassen, dürfte es mit der Ruhe und Gemächlichkeit wohl vorbei sein. Das erinnert gar nicht so vage an Wem gehört mein Dorf?, sicherlich mit unterschiedlichen Ausgangslagen, doch die Parallelen drängen sich schon ein wenig auf; ob Hotel oder Café, die Einmischung von außen und die Auswirkungen auf die Einheimischen geben zu denken. Es ist auch ein bisschen ein unausgesprochener Kommentar über Traditionen und Veränderungen.

Kameratechnisch gibt es kaum etwas zu bemängeln; natürlich kommt der Dokumentation zugute, dass Islands Landschaften auch dann noch gut aussähen, würden sie mit einem kaputten Toaster gefilmt. Anders als im auf Netflix verfügbaren Iceland – On Top of the World, welcher sich dadurch noch in die Anschaubarkeit retten konnte, sind die Landschaften hier jedoch nur für die Kamera im Fokus, der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf den scheinbar belanglosen Geschichten der mit dem Café verbundenen Menschen, mit denen der Zuschauer im Laufe der Zeit durchaus warm werden kann. Und hey, wer auf dem Entschleunigungstrip ist, mag sich am Ende vielleicht ja fast so fühlen, als hätte er hier ein paar neue Freunde gewonnen.

Credits

OT: „Lobster Soup“
Land: Island, Litauen, Spanien
Jahr: 2020
Regie: Pepe Andreu, Rafael Moles
Drehbuch: Pepe Andreu, Arunas Matelis, Rafael Moles, Ólafur Rögnvaldsson
Musik: Alberto R. Lucendo
Kamera: José Luis González Iglesias
Mitwirkende: Heiðar Ingi Aðalgeirsson, Björk Bergsdóttir, Guðbergur Bergsson, Friðrik Áskell Clausen, Óskar Guðjónsson

Trailer

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„Lobster Soup – Das entspannteste Café der Welt“ nimmt die erwähnte Räumlichkeit im isländischen Städtchen Grindavík als Ausgangspunkt um sich verschiedenen Menschen und ihren Alltagsgeschichten zu widmen. Das ist über lange Zeit das Geselligkeits-Äquivalent zum für das Laufenlassen im Hintergrund gedachte Kaminfeuervideo, regt gegen Ende aber doch zum Nachdenken an.
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