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Bei Anruf Mord

„Bei Anruf Mord“ // Deutschland-Start: 3. Dezember 1954 (Kino) // 16. Januar 2015 (Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Nach außen hin wirkt die Ehe von Tony Wendice (Ray Milland) und seiner Frau Margot (Grace Kelly) harmonisch. Doch Margot hat ein Verhältnis mit dem Krimiautor Mark Halliday (Robert Cummings). Sie glaubt, dass Tony nichts davon weiß. Als Mark die beiden in ihrer Londoner Wohnung besucht, sieht Tony die Gelegenheit, sich Margot zu entledigen und an ihr Vermögen zu gelangen. Er erpresst seinen ehemaligen Studienkollegen Swann (Anthony Dawson), während seiner eigenen Abwesenheit in die Wohnung einzudringen und Margot zu erdrosseln – so, dass alles wie ein Einbruch aussieht. Tony glaubt, durch sein Alibi auf der sicheren Seite zu sein. Doch als der Plan misslingt, kommt es zu einer überraschenden Wendung.

Nicht viel zu sagen

In seinen Gesprächen mit François Truffaut äußerte sich Alfred Hitchcock sehr ausführlich zur Inszenierung seiner Filme. Manchmal wird jedoch deutlich, dass er manche seiner Werke nicht besonders schätzt – vielleicht, weil es sich um Frühwerke handelt oder sie nicht mehr seinem eigenen Anspruch entsprechen. Als der französische Filmemacher auf Bei Anruf Mord zu sprechen kommt, möchte Hitchcock schnell zu einem anderen Thema übergehen, weil es zu diesem Film „nicht viel zu sagen gibt“. Truffaut widerspricht ihm jedoch. Die Tatsache, dass es sich um eine „Gelegenheitsarbeit“, wie Truffaut das Projekt bezeichnet, handelt, mag ein Grund für Hitchcocks Zurückhaltung sein. Doch seine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Frederick Knott ist sehr interessant und lohnenswert, wenn man genauer hinsieht: Neben den technischen Aspekten überzeugt Bei Anruf Mord als Fortführung des Diskurses über den „perfekten Mord“ sowie als Kommentar auf die moralische Verkommenheit der Oberschicht.

Eine Sequenz, die präzise die Themen und Figuren von Bei Anruf Mord auf den Punkt bringt, ist die Anfangsmontage. Zwar behält Hitchcocks Film die formale Struktur des Theaterstücks bei, erweitert sie aber durch filmische Mittel – etwa durch die beiden Küsse, die wir gleich zu Beginn sehen. Zuerst sehen wir, wie sich Margot und Tony leidenschaftlich küssen, doch schon wenige Momente später gibt sie Mark einen nicht minder leidenschaftlichen Kuss. Noch bevor ein Wort im Film gesprochen wird, hat Hitchcock seine Prämisse auf den Punkt gebracht und eine Anspannung zwischen den drei Figuren aufgebaut, die durch die Komplizenschaft mit dem Zuschauer, die Hitchcock immer wieder in seinen Filmen sucht, noch verstärkt wird. Was geheim sein soll, ist schon lange bekannt, und die Fassade des treuen, liebevollen Ehemannes ist für das Publikum nach wenigen Minuten zerstört. Die Bühnenstruktur, besonders das reduzierte Setting, kommt der Spannung zugute, und Bei Anruf Mord ist nach Cocktail für eine Leiche ein weiteres Beispiel dafür, dass Alfred Hitchcock aus sehr wenig sehr viel herausholen konnte. Es gibt tatsächlich nicht viel zu sagen, denn über seine Bilder und den Schnitt teilt uns der Regisseur alles mit, was wir wissen müssen, und dreht damit an der Spannungsschraube.

Abhängigkeiten und Begehrlichkeiten

Es ist jedoch nicht nur das Bühnenhafte, was Cocktail für eine Leiche und Bei Anruf Mord verbindet, sondern ebenso ihre Behandlung gesellschaftlicher Hierarchien, Reputation und natürlich Gier. Für Brandon und Philip ist der „perfekte Mord“ eine intellektuelle Herausforderung, und die Party in ihrem Apartment ist die Affirmation ihres neu erworbenen Status, der sie über ihre Mitmenschen erhebt. In der Figur des Mark Halliday in Bei Anruf Mord findet sich ein Echo dieses Gedankens, auch wenn ihn die Frage nach dem „perfekten Mord“ von Berufs wegen interessiert. Im Verlauf der Handlung sowie in seiner Argumentation zu diesem Thema bemerkt man eine gewisse problematische Obsession, die schon über das Theoretische hinausgeht. Die Fiktion ist näher an der Realität, als ihm lieb ist – wobei die Frage offen bleibt, ob der Beweis seiner Theorie für ihn nicht ein ähnliches Vergnügen darstellt wie im Falle der beiden Studenten in Cocktail für eine Leiche.

Eine Figur, die schon einen Schritt weiter ist als der Krimiautor, ist Tony. Ray Milland spielt einen Emporkömmling, der abhängig ist vom Geld seiner Frau und dem das Leben im Wohlstand moralisch nicht bekommen ist. Tony ist ein Spieler. Einer, der das Leben wie ein Tennismatch liest: Winkel berechnet, Reaktionen antizipiert, Schwächen ausnutzt. Manipulation ist für ihn kein Mittel — sie ist sein Instinkt. Der Dialog mit Swann ist ein brillantes Zusammenspiel von Inszenierung und Schauspiel, in dem klar wird, wie lange und ausführlich Tony den Mord an seiner Frau geplant hat und dass er andere für seine Intentionen instrumentalisieren will. Millands Spiel ist zurückhaltend und gelassen – er betont die Mentalität einer Person, die am langen Hebel sitzt und alle Asse im Ärmel hat. Tony ist ein moralisch verkommener Charakter, ein Wolf im Schafspelz, der in der High Society Londons einen Ort gefunden hat, wo sein wahres Ich nicht weiter auffällt. Fatal ist nur, dass auch seiner Frau seine dunkle Seite verborgen bleibt und selbst der eigentlich in der Psychologie der Menschen geübte Autor ahnungslos bleibt.

Credits

OT: „Dial M for Murder“
Land: USA
Jahr: 1954
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: Frederick Knott
Vorlage: Frederick Knott
Musik: Dimitri Tiomkin
Kamera: Robert Burks
Besetzung: Ray Milland, Grace Kelly, Robert Cummings, John Williams, Anthony Dawson

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Bei Anruf Mord
fazit
„Bei Anruf Mord“ ist weniger ein klassischer Whodunit als ein Spiel um Kontrolle: Wer spricht, wer lenkt, wer sieht – und wer handelt. Hitchcock nutzt die Enge des Apartments wie eine Schlinge, die sich mit jedem Blick und jeder Geste enger zieht. Hinter der eleganten Oberfläche offenbart sich eine Welt, in der Nähe zur Falle wird und Vertrauen zur kostbaren, leicht manipulierbaren Währung. Der „perfekte Mord“ entpuppt sich nicht als intellektuelle Herausforderung, sondern als Spiegel moralischer Verrohung – in einer Gesellschaft, die sich gern kultiviert gibt, aber stets bereit ist zuzugreifen, wenn sich die Gelegenheit bietet.
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