The Square erzählt die Geschichte von Isak Borg, der in der schwedischen Botschaft der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang arbeitet. Dort lebt er weitestgehend isoliert, da die Regierung grundsätzlich allen Ausländern misstraut und diese ständig überwachen lasst. Als er der Verkehrspolizistin Seo Bok-joo begegnet, scheint er endlich sein Glück gefunden zu haben. Doch seine Treffen bleiben nicht unbemerkt. Wir haben den südkoreanischen Regisseur Kim Bo-sol im Rahmen des Internationalen Trickfilm-Festivals Stuttgart 2025 interviewt, wo das Animationsdrama seine Deutschland-Premiere feiert.
Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Film?
Der entscheidende Moment für diesen Film kam, als ich einen Artikel las. Es war ein Interview mit einem schwedischen Diplomaten, der drei Jahre in Nordkorea gearbeitet hatte, bevor er nach Südkorea zog. Der Artikel beschrieb seinen Alltag in Pjöngjang, aber was mich am meisten beeindruckte, war ein einfacher Satz: „Ich war so einsam.“ Er sprach darüber, wie intensiv die Überwachung war und wie isoliert er sich fühlte – so sehr, dass er nicht einmal mit seinen nordkoreanischen Kollegen ein Bier trinken konnte. Wegen dieser Isolation war es seine einzige Freizeitbeschäftigung, allein mit dem Fahrrad über einen leeren Platz zu fahren. Ich hatte mich schon immer für Nordkorea interessiert, aber als ich diese Geschichte las, tauchte ein Bild in meinem Kopf auf: ein blonder Mann, der allein auf einem riesigen, verlassenen Platz Fahrrad fährt. Dieses einsame und doch poetische Bild wurde zum Ausgangspunkt dieses Films.
Warum haben Sie die Geschichte als Animationsfilm erzählt? Was sind die Vorteile?
Animation hat viele Vorteile gegenüber Realfilmen. Einer davon ist, dass nichts zufällig geschieht – alles ist gewollt. Aber noch wichtiger ist, dass der Fantasie bei Animation keine Grenzen gesetzt sind. Sie kann die Gesetze der Physik außer Kraft setzen und sich von den Zwängen des physischen Raums lösen. Südkorea ist derzeit vielleicht das einzige Land, das Nordkorea nicht frei betreten kann. Indem ich diesen Film als Animation erstellte, konnte ich die räumlichen Einschränkungen überwinden, die bei einer Realfilmproduktion bestanden hätten. Wäre diese Geschichte als Realfilm erzählt worden, hätten viele der im Film gezeigten Hintergründe und Schauplätze wahrscheinlich umfangreiche CGI-Techniken erfordert. Natürlich könnte ich die naheliegende Antwort geben – dass ich mich für Animation entschieden habe, einfach weil es das Medium ist, mit dem ich schon immer gearbeitet habe. Aber wenn ich tiefer über die einzigartigen Stärken des Genres nachdenke, glaube ich, dass Animation zugänglicher und universeller ist als Realfilm. Selbst bei einem so komplexen und unzugänglichen Thema wie Nordkorea oder einem so spezifischen und politisch sensiblen Kontext ermöglicht der Einsatz von Illustrationen eine sanftere, offenere Interpretation. Ich glaube, dadurch wird die Geschichte für ein breiteres Publikum zugänglicher und nachvollziehbarer.
Isak wirkt in Nordkorea verloren und wird von den Menschen auf Distanz gehalten. Was bewegt ihn dazu, dort zu bleiben?
Ich glaube, es lag daran, dass Isak jemanden hatte, den er wirklich liebte – Seo Bok-joo. Liebe wird in diesem Zusammenhang zu einer Kraft, die stark genug ist, um Einsamkeit zu überwinden und ihm zu helfen, den Stress des Lebens in einem Land wie Nordkorea zu ertragen. Wenn wir uns Isaks Leben vor Bok-joo vorstellen, ist es wichtig zu bedenken, dass Diplomaten in der Regel verpflichtet sind, mindestens eine Zeit lang in einem Land zu leben. Ich begann die Geschichte mit der Annahme, dass Isak etwa vier bis fünf Jahre in Nordkorea gelebt hatte. Aufgrund seines Berufs stellte ich mir Isak als jemanden vor, der Menschen von Natur aus mochte. Es war nicht so, dass die Nordkoreaner kalt oder unfreundlich waren – vielmehr schuf das starre System des Landes eine Distanz zwischen ihnen und dem Fremden. Trotzdem glaube ich, dass viele auf kleine, stille Weise aufrichtig nett zu ihm waren. Vielleicht war sich Isak dieser Ironie durchaus bewusst – von Wärme umgeben zu sein, die er nicht offen zeigen konnte. Und vielleicht verliebte er sich auf einer gewissen Ebene nicht nur in Bok-joo, sondern auch in die sanfte, zurückhaltende Freundlichkeit der Nordkoreaner. Vielleicht keimte in ihm die leise Hoffnung, dass eines Tages jemand es wagen würde, auf ihn zuzugehen. Diese leise Hoffnung könnte ihm geholfen haben, das Leben in Pjöngjang zu ertragen. Und als Bok-joo auf ihn zukam, wurde diese Hoffnung Wirklichkeit – und von da an weckte der Gedanke an die Trennung in ihm den Wunsch, länger zu bleiben. Sein langer Aufenthalt in Pjöngjang war vielleicht weniger einer Pflicht als vielmehr einer Liebe geschuldet.
Warum fühlt er sich zu Seo Bok-joo hingezogen?
Der Film geht davon aus, dass Bok-joo und Isak Borg bereits seit längerem eine feste Beziehung pflegen. Obwohl ihre erste Begegnung nicht explizit gezeigt wird, gibt es eine Hintergrundgeschichte, die ihre Bekanntschaft schildert. Von allen Figuren des Films wird Bok-joo als die mutigste dargestellt. Ich stellte sie mir als jemanden vor, der immer spürte, dass etwas Besonderes an ihr war – etwas, das sie von anderen unterschied. Wenn wir davon ausgehen, dass Isak Borg von den nordkoreanischen Behörden streng überwacht und kontrolliert wurde, war Bok-joo wahrscheinlich die Erste, die sich trotz seiner ausländischen Herkunft an ihn wandte. Angesichts ihres gemeinsamen Arbeitsumfelds und des Bildes von Isak Borg, der oft allein Fahrrad fährt, stelle ich mir vor, dass ihre Beziehung durch eine zufällige Begegnung begann. Bok-joos ungewöhnliche Freundlichkeit und ihre Neigung, gelegentlich die unsichtbaren Grenzen des strengen nordkoreanischen Regimes zu überschreiten, spielten wahrscheinlich eine Schlüsselrolle bei der Entstehung dieser Momente. Ich glaube, dass Bok-joo und Isak Borg durch solche riskanten, aber aufrichtigen Handlungen eine Bindung aufbauen konnten. Obwohl sie wusste, dass der Umgang mit einem Ausländer als Spionageakt gewertet werden könnte, traf sich Bok-joo weiterhin mit ihm. Ihr Mut, ihr Mitgefühl und ihr stiller Trotz müssen Isak Borg tief beeindruckt haben. Bok-joos Charakter – mutig, andersartig und insgeheim rebellisch – hat ihn nachhaltig beeindruckt.
Ist wahre Liebe in einem Land möglich, in dem die Menschen ständig beobachtet werden und ihre Gefühle verbergen müssen?
Ich glaube, dass sich die Liebe in Nordkorea gar nicht so sehr von unserer unterscheidet – sie ist im Grunde dieselbe. Obwohl ich das Leben dort nicht selbst erlebt habe und nicht genau weiß, wie sich die Liebe in Nordkorea unterscheidet, habe ich durch Interviews mit Menschen, die tatsächlich dort gelebt haben, gelernt, dass sich romantische Beziehungen nicht wesentlich von denen in Südkorea unterscheiden. Im Gegenteil, sie fühlen sich in mancher Hinsicht vielleicht sogar echter an. In der nordkoreanischen Gesellschaft können Menschen ihre wahren Gefühle oft nicht offen ausdrücken, nicht einmal gegenüber ihrem Umfeld. Doch mit jemandem, den sie lieben, können sie ihre innersten Gedanken teilen – und das macht die Beziehung noch besonderer. Ich habe gehört, dass in Nordkorea eine allgemeine Atmosphäre herrscht, in der die Menschen davon abgehalten werden, ehrlich zu sprechen. Eine der häufigsten Aussagen, die Kinder von ihren Eltern hören, ist: „Pass immer auf, was du sagst.“ Trotz jahrelanger Diktatur und ideologischer Indoktrination glaube ich, dass es in Nordkorea viele Menschen gibt, die wissen, dass etwas nicht stimmt. Doch selbst wenn sie die Lügen und das Unrecht erkennen, können sie nicht offen darüber sprechen – weil sie anderen nicht vertrauen können, dass sie es vertraulich behandeln. Wenn ich mir das Leben unter solchen Umständen vorstelle, glaube ich, dass Liebe und Vertrauen zwischen einem Paar eine andere Bedeutung bekommen und vielleicht sogar eine tiefere Bedeutung haben als in anderen Gesellschaften.
The Square ist Ihr erster Spielfilm. Was waren die Herausforderungen?
Da es sich bei The Square um ein Low-Budget-Independent-Projekt handelte, bestand die größte Schwierigkeit darin, aus finanziellen Gründen nicht über einen längeren Zeitraum mit talentierten Crewmitgliedern zusammenarbeiten zu können. Einer der wichtigsten Aspekte handgezeichneter 2D-Animationen ist die Beibehaltung einer gleichbleibenden Qualität, die so wirkt, als sei sie von einem einzigen Künstler geschaffen worden. Aufgrund unseres begrenzten Budgets war es jedoch schwierig, begabte Leute zu finden, und selbst als wir welche fanden, konnten wir es uns nicht leisten, sie länger als ein paar Monate für das Projekt zu beschäftigen. Die lange Produktionszeit hat auch mich erschöpft. Gegen Ende arbeitete ich nur noch mit Regisseur Oh You-jin, der sowohl als Regieassistent als auch als Animationsdirektor fungierte, und da wir nur zu zweit waren, ging die Produktion extrem langsam voran, was den Prozess noch zermürbender machte. Ich könnte noch viel mehr sagen, aber ich höre hier auf.
Was sind Ihre nächsten Projekte?
In Korea gibt es viele Volksmärchen und Geschichten, die im Schamanismus und Totemismus verwurzelt sind. Ich arbeite derzeit an meinem nächsten Film, der diese Themen behandelt und sich um die Idee dreht, dass sich „der Wert der Toten je nach Erinnerung der Lebenden verändert“. Im Vergleich zu The Square wird diese Geschichte wahrscheinlich etwas kommerzieller und einem breiteren Publikum zugänglich sein.
Vielen Dank für das Interview!
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