
Im heißen Nachkriegssommer des Jahres 1950 geht im Londoner Stadtteil Pimlico ein Blindgänger hoch und legt eine geheime Schatzkammer frei. Darin findet der Händler Arthur Pemberton (Stanley Holloway) mit seiner Tochter Shirley (Barbara Murray) nicht nur jede Menge Gold, sondern auch einen Freibrief aus dem 15. Jahrhundert, der diese Gegend dem Herzogtum Burgund zuspricht. Die 19 Familien, die hier leben, haben nichts dagegen, nicht länger zu England zu gehören, denn deren Alltag ist bestimmt von Rabattmarken und strengen Sperrstunden. In Burgund geht man mit diesen Dingen viel lockerer um. Als der 18. Herzog von Burgund (Paul Dupuis) auftaucht und dessen Legitimation von der Universitätsprofessorin Hatton-Jones (Margaret Rutherford) bestätigt wird, ist ein weiterer Schritt in Richtung Unabhängigkeit getan. Pemberton wird zum Premierminister ernannt, aber die englischen Beamten setzen alles daran, den Burgundern ihr neues Leben schwer zu machen. Als Henry Cornelius (Der galoppierende Major) im Jahr 1949 die Ealing-Komödie Passport to Pimlico inszenierte, war die Berliner Blockade noch bittere Realität. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die ehemalige deutsche Hauptstadt unter den alliierten Siegermächten aufgeteilt worden, doch diese blieben nicht lange Verbündete und gingen in eine Phase des Kalten Krieges über, bei dem Berlin zum Spielball der Weltmächte wurde. Ein Jahr lang riegelte die Sowjetunion Berlin von der Außenwelt ab, was die Bewohner nur dadurch überstanden, weil die Westalliierten die Stadt daraufhin mit einer Luftbrücke versorgten und die notwendigsten Lebensmittel per Flugzeug in die zerbombte Metropole brachten. An all das muss man als Deutscher zwangsläufig denken, wenn man Cornelius‘ längst zum Kultfilm gewordenes Regiedebüt anschaut, das hierzulande den Titel Blockade in London verpasst bekam – und damit viel deutlicher als im englischen Titel auf die Berliner Blockade anspielt. Das von T.E.B. Clarke (Einmal Millionär sein) verfasste Drehbuch, das auch eine Oscar-Nominierung erhielt, richtet sich zwar in erster Linie an ein britisches Publikum und greift dessen Lebensrealität in den Nachkriegsjahren ironisch auf, aber das zerbombte London und die Ausnahmesituation jener Zeit ist auch mit der damaligen Lage in Deutschland gut vergleichbar. Wie die meisten Ealing-Komödien (vergleiche auch Adel verpflichtet und Der Mann im weißen Anzug) lebt auch Blockade in London von seinen pfiffigen Dialogen, die die Zeit überdauert haben, und einem vorzüglichen Darstellerensemble, das die zeitkritischen und ironischen Spitzen der Vorlage kongenial zu transportieren versteht. Neben Stanley Holloway (Einmal Millionär sein) und Margaret Rutherford (Der Wachsblumenstrauß) in den zentralen Rollen sind es hier vor allen Dingen die knuffige Hermione Baddeley (Mary Poppins), der junge Charles Hawtrey, der wenige Jahre später mit seinen Rollen in der Carry On-Reihe international bekannt wurde, und der Charakterdarsteller Raymond Huntley (Doktor Ahoi!), die es vortrefflich verstehen, dem Publikum ein Dauergrinsen ins Gesicht zu zaubern. Die Briten liefern auf diese Weise mal wieder den Beweis dafür, dass keine Situation zu ernst, keine Lage zu misslich und unangenehm sein kann, als dass man ihr nicht doch noch ein paar humorvolle Aspekte abringen kann. Hier ist es das durch die deutschen Bomben des Zweiten Weltkriegs zerstörte London, das in den Außenaufnahmen immer wieder als Hintergrundkulisse des Geschehens dient. Außerdem ist es ein deutscher Blindgänger, der die Handlung überhaupt erst in Gang bringt. Beiläufig erfährt der Zuschauer in den ersten Minuten, wie restriktiv die Situation damals noch war: ohne Essensmarken gibt es beim Lebensmittelladen nichts, lange Warteschlangen sind Standard und das Einzige, was nach wie vor wie am Schnürchen funktioniert, ist die Bürokratie auf den Ämtern. Da verwundert es kaum, dass die Bewohner Pimlicos die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und sich im Handumdrehen von London und dem Rest des Vereinigten Königreiches lossagen, um die dadurch entstehenden Vorteile in vollen Zügen zu genießen. Dass sich dieser Übermut auch perfekt auf das britische Nachkriegspublikum übertrug und Blockade in London zu einem großen Hit machte, ist naheliegend. In der britischen Besatzungszone in Westdeutschland ließ man den Film synchronisieren und brachte ihn bereits 1951 in die Kinos. Diese Synchronfassung muss allerdings als verschollen gelten, weil man den Film bei seiner Fernseherstausstrahlung im Jahr 1969 neu synchronisieren ließ. Diese Fassung mit Synchronurgesteinen wie Arnold Marquis, Lina Carstens, Klaus Miedel und Rainer Brandt ist seitdem immer wieder ausgestrahlt worden und hat nun auch Verwendung gefunden auf der ersten deutschen DVD-Veröffentlichung im Rahmen der Reihe „Pidax Film-Klassiker“. Auch diese deutsche Version ist vorzüglich gelungen und schafft es, die Gags gekonnt in unsere Sprache herüberzuretten. Insgesamt ist Blockade in London eine erfrischend amüsante britische Komödie, die ihre äußerst einfallsreiche und originelle Geschichte perfekt umsetzt. Dank des erstklassigen Schauspielerensembles ist der Film auch heute noch höchst amüsant und bietet darüber hinaus interessante Einblicke in die entbehrungsreiche Nachkriegszeit. Die DVD überzeugt mit einem sehr guten Schwarz-Weiß-Bild (im Vollbildformat 1,37:1), auch der Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0) ist stets gut zu verstehen. Das Bonusmaterial umfasst eine kleine animierte Bildergalerie zum Film sowie die Episode „Einer lügt“ aus der britischen Fernsehserie Kennziffer 01 (Zero One; 1962) mit Nigel Patrick, in der Margaret Rutherford einen Auftritt als schrullige Seniorin hat. OT: „Passport to Pimlico“ Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.Das Großherzogtum von Burgund
Essensmarken und Luftbrücken
Land: UK
Jahr: 1949
Regie: Henry Cornelius
Drehbuch: T.E.B. Clarke
Musik: Georges Auric
Kamera: Lionel Banes
Besetzung: Stanley Holloway, Betty Warren, Barbara Murray, Paul Dupuis, Margaret Rutherford, John Slater, Basil Radford
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