
Schon seit Jahren arbeitet Andrea Bredow (Valerie Niehaus) im Gesundheitsamt, ohne dabei jedoch groß Freundschaften geschlossen zu haben. Umso mehr freut es sie, dass sie sich auf Anhieb so gut mit Judith Lorenz (Ursula Strauss) versteht, der neuen Kollegin. Dabei dauert es nicht lang, bis es zu ersten Problemen zwischen dieser und dem Büro-Macho Volker Lehmann (Hannes Jaenicke) kommt, der immer wieder durch sexuelle Anspielungen unangenehm auffällt. Bei Judith geht er aber noch einen Schritt weiter, wie sie eines Tages unter Tränen verrät: Er habe sie im Archiv brutal vergewaltigt. Andrea drängt sie darauf, den Mann anzuzeigen, will sie dabei auch unterstützen – was zu jeder Menge Schwierigkeiten führt, beruflich wie privat …
Ein unheimlich aktueller Fall
Seitdem die #MeToo-Bewegung im Herbst 2017 über die Welt hinwegfegte und dabei zahlreiche Missbrauchsfälle enthüllte, hat es immer wieder Filme gegeben, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Da war etwa She Said, das den Weinstein-Skandal selbst thematisierte. The Assistant und auch die Serie Douglas Is Cancelled handelten von sexueller Nötigung bei Fernsehsehsendern. Schon einige Jahre älter ist der deutsche Fernsehbeitrag Meine fremde Freundin, der ebenfalls in diesem thematischen Umfeld spielt. Dabei war dieser keine direkte Reaktion auf die bekannt gewordenen Vorfälle. Tatsächlich wurde das ARD-Drama schon Monate vor dem Bekanntwerden gedreht, wurde jedoch im zeitlichen Umfeld der Enthüllungen ausgestrahlt. Das Timing war da geradezu unheimlich passend gewählt.
Wobei sich der Film auch gar nicht so sehr mit dem Thema auseinandersetzt. Tatsächlich darf man sich sogar fragen, ob es nicht etwas fahrlässig war, diese Geschichte so zu erzählen, während da draußen wahre Fälle aufgearbeitet wurden. So verschiebt sich der Fokus mit der Zeit. Es geht gar nicht mehr so sehr darum, was der mutmaßliche Vergewaltiger getan hat. Stattdessen rückt Judith in den Mittelpunkt sowie die Dynamik zwischen ihr und Andrea. Was in Meine fremde Freundin als reguläre Freundschaft beginnt, wandelt sich mit der Zeit in eine deutlich kompliziertere Beziehung. Natürlich geht es nicht spurlos am Arbeitsplatz vorbei, wo niemand weiß, wie man sich verhalten sollte. Aber auch Andreas Beziehung zu ihrem Mann Martin (Godehard Giese) wird durch die Angelegenheit belastet.
Nicht durchgängig überzeugend
An Themen mangelt es also nicht, es darf auch reichlich diskutiert werden. Kein Wunder also, dass die Erstausstrahlung des Dramas mit einer anschließenden Talkrunde verbunden war. Da wird etwa die Frage aufgeworfen, wie mit solchen Vorwürfen umgegangen werden soll. Es geht um Beziehungen und um Freundschaft. Natürlich geht es auch um juristische Prozesse. Und letztendlich ist Meine fremde Freundin eine Art Psychogramm, wenn wir mehr über die Frauen erfahren. Dabei ist Regisseur Stefan Krohmer (Eine fremde Tochter) schon auch um Ambivalenz bemüht, wenn die Figuren nicht ganz eindeutig zu beurteilen sind. Da sind die Grenzen zwischen gut und böse nicht immer so, wie man das gern hätte.
Prinzipiell ist das alles wichtig. Bei der konkreten Ausarbeitung gibt es jedoch zu viele Mängel, die den Eindruck schmälern. Da ist beispielsweise der juristische Prozess, der völlig haarsträubend ist. Auch bei dem Verhalten der Figuren darf man immer wieder Fragezeichen setzen, glaubwürdig ist das nicht. Gerade auch die Ehe der Bredows erschließt sich nicht wirklich. Hinzu kommt, dass gar nicht alles befriedigend rund um Judith erklärt wird. Am Ende bleiben zu viele Fragen offen, zu ihrer Herkunft, zu ihrer Motivation. Da wäre es dann doch vielleicht besser gewesen, sich stärker auf ein Thema zu konzentrieren. In der Form ist Meine fremde Freundin letztendlich verwirrend, teilweise ärgerlich und wird dem Thema zu wenig gerecht. Da wurde die Chance leichtfertig vergeudet, mehr als Mittelmaß ist das Drama trotz bester Absichten nicht.
OT: „Meine fremde Freundin“
Land: Deutschland
Jahr: 2017
Regie: Stefan Krohmer
Drehbuch: Daniel Nocke, Katrin Bühlig
Musik: Sven Rossenbach, Florian van Volxem
Kamera: Manuel Mack
Besetzung: Ursula Strauss, Hannes Jaenicke, Valerie Niehaus, Godehard Giese, Johanna Gastdorf
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